Neuzirkendorf bei Kirchenthumbach
27.06.2019 - 13:13 Uhr

20 000 Mark und eine Fuhre Korn

In der früheren Gemeinde Neuzirkendorf gibt es Grund zum Feiern: Am Wochenende begeht die Krieger- und Soldatenkameradschaft Neuzirkendorf und Umgebung ihr 100-jähriges Bestehen. Gegründet wurde sie aber unter einem anderen Namen.

Die Mitglieder der Krieger- und Soldatenkameradschaft Neuzirkendorf und Umgebung im Jahr 1923. Bild: ü
Die Mitglieder der Krieger- und Soldatenkameradschaft Neuzirkendorf und Umgebung im Jahr 1923.

31 Männer gingen am 15. April 1919 als Gründungsmitglieder des "Veteranen- und Kriegervereins Neuzirkendorf und Umgebung" in die Geschichte ein. Das Gründungsprotokoll von damals liegt vor. Ihm ist zu entnehmen, dass sich "bei Gastwirt Adam Wagner Neuzirkendorf eine Anzahl Teilnehmer des Krieges 14/18 und vormaliger Angehöriger des Soldatenstandes" versammelten, um die Gründung "zu besprechen sowie zu betätigen".

Dabei wurde beschlossen: "Für die Kuratie Neuzirkendorf umfassend die Ortschaften Neuzirkendorf, Altzirkendorf, Hagenohe, Göttersdorf und Dammelsdorf, die Weiler: Höflas und Leiten, die Mühlen: Bärmühle und Großkrausmühle wird ein Veteranen und Kriegerverein Neuzirkendorf und Umgebung gegründet mit dem Namen 'Veteranen- und Krieger-Verein Neuzirkendorf und Umgebung'."

Es muss aber bereits am 1. April 1919 einen Kriegerverein beziehungsweise einen Zusammenschluss von Kriegsteilnehmern gegeben haben. Anlässlich eines Festes, das nicht näher beschrieben ist, wurde nämlich dem 1880 geborenen Landwirt Josef Lehner ein Essen nach Hause gebracht. Wegen der Kriegsverletzung, die sich Lehner im Ersten Weltkrieg zugezogen hatte, war er bettlägerig.

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Kriegsveteranen der Kuratie Neuzirkendorf dem "Kyffhäuserbund" angehört haben. Möglich ist auch, dass sie dem Bayerischen Veteranen-, Krieger- und Kampfgenossenbund zugehörig waren, ohne dass ein eigener Ortsverband bestanden haben muss.

Nachdem der neue Verein sich stabilisiert hatte, entschloss sich die Vorstand trotz Geldnot zur Anschaffung einer Fahne. Bereits vier Jahre später, im Sommer 1923, erteilte Pfarrer Hans Brendel ihr den kirchlichen Segen. Die Fahne, die der ganze Stolz des Vereins war, war im Kloster Michelfeld gestickt worden und kostete 20 000 Mark. Zusätzlich musste eine Fuhre Korn nach Michelfeld gefahren werden. Das notwendige Geld wurde bei einer Sammlung zusammengetragen.

Der Festgottesdienst anlässlich der Fahnenweihe wurde an der Muttergottes-Statue vor dem Anwesen von Johann Georg Dimler, heute Balbine Rieger ("Friedl-Bauer"), gefeiert. Als Fahnenjungfrauen waren Anna Schindler, Magdalena Weber und Marie Schatz auserkoren worden. Fahnenjunker waren Josef von der Grün und Georg Fronhöfer, als Taferlbub fungierte Georg Lehner ("Lehner-Michl"). Patenverein war der Krieger- und Veteranenverein aus Kirchenthumbach, den die örtlichen Nazis später eliminiert haben. Die weltliche Feier in Form eines Gartenfests fand auf der Wiese des Ökonomen Reindl statt.

Die Maß Bier kostete damals 1000 Mark. Der Grund: Es herrschte bittere Not. Gustav Stresemann, der Reichskanzler wurde, versuchte der Inflation und der Wirtschaftskrise Herr zu werden. Eine Währungsreform brachte die "Rentenmark" als Zwischenlösung und konnte kurzfristig den Niedergang der Wirtschaft aufhalten.

Die alte Fahne zeigt auf der einen Seite die gekrönte Mutter Gottes mit dem Jesuskind und auf der anderen Seite das Bayerische Wappen mit dem Schriftzügen "In Treue fest" und "Veteranen & Krieger-Verein Neuzirkendorf u. Umg." Restauriert wurde die Fahne mit einem erheblichen Kosten und Arbeitsaufwand in der Paramenten- und Fahnenstickerei in Michelfeld.

Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 wurden die Soldatenbünde "gleichgeschaltet", wie die Länder durch Auflösung ihrer eigenen Parlamente sowie viele andere Verbände und Interessenvertretungen auch. Adolf Hitler hatte nie vergessen, dass die Soldatenverbände sich 1932 bei der Wiederwahl des Reichspräsidenten für Feldmarschall Paul von Hindenburg und gegen ihn selbst ausgesprochen hatten.

Ab dem Jahr 1949 gründeten mutige und umsichtige, aus dem Krieg heimgekehrte Soldaten - trotz aller Diffamierungen des deutschen Soldatentums - in ihren Heimatorten die alten, traditionsreichen Soldatenvereine wieder und schufen damit die Basis für einen neuen Gesamtbund. Die alten Vereinsfahnen, die in der Hitlerzeit nicht öffentlich gezeigt werden durften, wurden – soweit nicht von Besatzungssoldaten requiriert - aus ihren Verstecken geholt und mit hohen Kosten renoviert. Auch die Veranstaltungen zur Pflege der Kameradschaft wurden wieder aufgenommen.

Aus nicht näher bekannten Gründen schlief das Vereinsleben des "Neuzirkendorfer Kriegervereins" in den 1960er Jahren ein. Erst Anfang April 1996 ergriff Franz Wittmann die Initiative und lud alle Mitglieder mit einem Schreiben zu einer Versammlung ins Pfarrheim ein. Die Resonanz war groß: 26 interessierte ehemalige Soldaten waren gekommen. Alle waren sich einig, dass das eingeschlafene Vereinsleben wieder neu belebt werden muss, um neue Aktivitäten zu entwickeln.

Die Anwesenden zeigten sich an einem Fortbestand des Vereins sehr interessiert und beschlossen, einen neuen Vorstand zu wählen. Vorsitzender wurde Willi Lehner, sein Stellvertreter Helmut Götzl, Kassenverwalter Manfred Böhmer, Schriftführer Max Schwemmer. Sie wurden beauftragt, eine zweite Versammlung vorzubereiten, in der dann die wichtigsten Punkte für ein aktives Vereinsleben und eine Satzung beschlossen werden sollten. Diese ging am 21. Juni 1996 im Pfarrheim über die Bühne. Dabei wurde der Vorstand um die Kassenprüfer Erich Fritsch und Reinhold Wagner erweitert.

Im Blickpunkt:

"Acht Krieger in Gefangenschaft"

In der Gründungsversammlung 1919 erklärten ihren Beitritt: Heinrich Dimler, Johann Gradl, Baptist Gradl, Johann Dimler, Georg Lehner, Georg Wittmann, Johann Wittmann, Konrad Lehner (alle Neuzirkendorf); Johann Sporer, Josef Trenz, Georg Fronhöfer, Martin Maier, Hans Fronhöfer, Georg Kraus, Michael Weber (alle Altzirkendorf); Johann Müller, Georg Buhr, Michael Sporer, Georg Bauer, Josef Püttner, Baptist Buhr (alle Hagenohe); Johann Schleicher, Georg Lehner, Johann Fronhöfer, Hans Fronhöfer, Josef Schwindl, Georg von der Grün, Johann Grünthaner, Lorenz Lindner, Sebastian Rieger (alle Göttersdorf); Georg Preisinger (Dammelsdorf). Zugleich wurde festgelegt, dass die "in Gefangenschaft befindlichen acht Krieger der Kuratie" ohne Zahlung der Eintrittsgebühr in den Verein aufgenommen werden.

Die Fahne der Krieger- und Soldatenkameradschaft Neuizirkendorf und Umgebung. Bild: ü
Die Fahne der Krieger- und Soldatenkameradschaft Neuizirkendorf und Umgebung.
1999 stellen sich die Mitglieder der Krieger- und Soldatenkameradschaft mit dem damaligen Bürgermeister Johann Kleber zu einem Erinnerungsfoto auf. Bild: ü
1999 stellen sich die Mitglieder der Krieger- und Soldatenkameradschaft mit dem damaligen Bürgermeister Johann Kleber zu einem Erinnerungsfoto auf.
Die Vereinsfahne wurde vor 20 Jahren restauriert und von Pater Johannes gesegnet. Bild: ü
Die Vereinsfahne wurde vor 20 Jahren restauriert und von Pater Johannes gesegnet.
Im Blickpunkt:

Musikantentreffen und Totenehrung

Am Samstag, 29., und Sonntag, 30. Juni, wird das 100-jährige Bestehen groß begangen. Der Vorstand um Willi Lehner hat dafür ein umfangreiches Programm zusammengestellt. So wird am Samstag, 29. Juni, um 19 Uhr in der Festhalle ein Musikantentreffen veranstaltet. Am Sonntag, 30. Juni, steht um 8.30 Uhr ein Kirchenzug mit der Blaskapelle Kirchenthumbach auf dem Programm. An der Pfarrkirche St. Georg angekommen, folgt am Kriegerdenkmal eine Totenehrung mit Kranzniederlegung. Der Festgottesdienst beginnt um 9 Uhr. Danach ist ein Weißwurstfrühschoppen mit Ehrung verdienter Mitglieder angesagt. Ab 11 Uhr bietet die Krieger- und Soldatenkameradschaft Mittagessen an, nachmittags Kaffee und Kuchen.

Der Verein „Hilfe für Anja – Gemeinsam gegen Leukämie“ ist beim Jubiläum am Sonntag von 10 bis 13 Uhr mit einer Typisierungsaktion präsent. Vereine, die sich an den Feierlichkeiten beteiligen wollen, werden gebeten, sich mit Vorsitzendem Willi Lehner, Telefon 09647/1377, in Verbindung zu setzen. Eine Anmeldung ist auch möglich per E-Mail an matthias_friedl_1980[at]t-online[dot]de

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.