Nürnberg
30.01.2019 - 14:09 Uhr

Volksbegehren „Rettet die Bienen“ startet

Ziel der Initiatoren ist ein strengeres Naturschutzgesetz, unter anderem mit einer Quote für Ökolandbau. Der Bauernverband warnt vor einer Existenzgefährdung für kleinere Betriebe. Für einen Erfolg müssen sich bis 13. Februar rund eine Million Unterstützer eintragen.

Bienen kehren vor der tief stehenden Sonne auf dem Lohrberg in ihren Korb zurück. Foto: Frank Rumpenhorst/Archiv Bild: Frank Rumpenhorst
Bienen kehren vor der tief stehenden Sonne auf dem Lohrberg in ihren Korb zurück. Foto: Frank Rumpenhorst/Archiv

Für das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ können Unterstützer von diesem Donnerstag an unterschreiben. Die Initiatoren zeigten sich bei der zentralen Auftaktveranstaltung am Mittwoch in Nürnberg zuversichtlich, die erforderlichen rund eine Million Unterschriften für eine Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes zu erreichen. Damit soll unter anderem erreicht werden, dass ab 2030 mindestens 30 Prozent der Anbauflächen in Bayern ökologisch bewirtschaftet werden.

„Das Thema brennt den Menschen auf den Nägeln, daher werden sie das Begehren zum Erfolg führen, auch wenn die Hürden für ein Volksbegehren in Bayern sehr hoch sind“, sagte der Fraktionschef der Grünen im Landtag, Ludwig Hartmann. Bis 13. Februar können sich wahlberechtigte Bürger in den Rathäusern für das Volksbegehren eintragen. Briefwahl ist nicht möglich.

Der Vorsitzende des Landesbunds für Vogelschutz, Norbert Schäffer, mahnte, in den vergangenen 40 Jahren habe sich der Bestand an Feldvögeln in Bayern halbiert. „Sie zeigen an, wie es um die biologische Vielfalt insgesamt steht“, betonte er. Bei den ehemals häufigsten Feldvögeln sei der Rückgang beim Rebhuhn um 95 Prozent am dramatischsten, beim Kiebitz seien 80 bis 90 Prozent verschwunden und bei der Feldlerche die Hälfte. „Wo es keine Vögel mehr gibt, gibt es auch keine Bienen, Schmetterlinge und Frösche mehr“, sagte Schäffer weiter. Auch bei Igeln und Feldhasen sei der Schwund enorm. Der Igel habe sich aus der freien Landschaft fast vollkommen zurückgezogen und lebe nur noch in Gärten.

„Wo sich Hase und Igel früher „Gute Nacht“ gesagt haben, herrscht heute Grabesruhe“, sagte Hartmann. Der Freistaat erlebe derzeit das größte Aussterben an Tier- und Pflanzenarten seit dem Aussterben der Dinosaurier. Der Chef des Bundes Naturschutz, Richard Mergner, sagte, das Begehren sei ein „Rettungsnetz für die Artenvielfalt in der Landschaft“. Dafür sollen in dem Begehren der Lebensraum von Insekten und Vögeln - Wiesen, Hecken und Sträucher - geschützt werden. Gewässerrandstreifen entlang von Äckern sollen verhindern, dass Düngemittel bei Starkregen in Bäche und Flüsse geschwemmt werden.

Die stellvertretende ÖDP-Landesvorsitzende Agnes Becker erklärte, nicht nur Verbraucher, sondern auch der Staat könne beim Einkauf von Lebensmitteln zum Beispiel für Behördenkantinen einen wichtigen Abnahmemarkt für Bioprodukte schaffen, um die Bauern bei der Umstellung auf Ökolandwirtschaft zu unterstützen. Der Bauernverband lehnt das Volksbegehren ab, weil ein strengeres Naturschutzgesetz gerade für kleinere landwirtschaftliche Betriebe zur Existenzgefahr würde.

Kommen die geforderten Stimmen zusammen, ist der Landtag am Zug und hat mehrere Optionen: Er kann zum Beispiel den Vorschlag zur Gesetzesänderung - so wie er ist - annehmen oder das Begehren ablehnen. In letztem Fall sind die Bürger wieder am Zug: Im Rahmen eines Volksentscheids dürften alle Stimmberechtigten mit Ja oder Nein über den Vorschlag abstimmen und die Politik könnte nicht mehr daran rütteln. Der Landtag hat die Möglichkeit, dabei auch über einen alternativen Gesetzentwurf zum selben Thema abstimmen zu lassen.

Eine Wildbiene sucht an einer Blüte des Mehlsalbeis nach Nektar. Bild: Uwe Anspach/dpa
Eine Wildbiene sucht an einer Blüte des Mehlsalbeis nach Nektar.

Fragen und Antworten

An diesem Donnerstag (31. Januar) startet die zweiwöchige Eintragungsfrist für ein Volksbegehren. Die Initiatoren wollen damit den Natur- und Artenschutz verbessern. CSU und Bauernverband dagegen warnen vor einer Gefahr vor allem für Kleinbauern. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Worum geht es?

Auch wenn das Volksbegehren unter dem Schlagwort "Rettet die Bienen" läuft, geht es neben den fleißigen Tierchen noch um jede Menge andere Arten und umweltrelevante Themen. Die Initiatoren wollen, dass das Bayerische Naturschutzgesetz geändert wird. Dabei sollen unter anderem Biotope besser vernetzt werden, Uferrandstreifen stärker geschützt und der ökologische Anbau in Bayern gezielt ausgebaut werden. Beispielsweise wird gefordert, von 2030 an mindestens 30 Prozent der Anbauflächen in Bayern ökologisch zu bewirtschaften - bisher sind es 8 bis 9 Prozent.

Eine Biene sitzt auf einem blühenden Jakobskreuzkraut. Bild: agentur_dpa
Eine Biene sitzt auf einem blühenden Jakobskreuzkraut.

Wer hat das Begehren angestoßen?

Initiatorin des Volksgebehrens ist die ÖDP (Ökologisch-Demokratische Partei). Sie hat Anfang 2018 damit begonnen, Unterschriften für die Gesetzesänderung zu sammeln. Damit eine solche Initiative als Volksbegehren zugelassen wird, müssen dem Innenministerium mindestens 25000 Unterschriften vorlegt werden - die Initiatoren schafften das Vierfache.

Wer unterstützt das Volksbegehren?

Die Liste der Unterstützer und Bündnispartner ist mittlerweile lang: Neben dem Landesbund für Vogelschutz in Bayern und den Grünen reihen sich unter anderem der Bund Naturschutz und der Imkerverband ein. Auch mehrere Bioläden, Veranstalter und Banken bekundeten ihre Unterstützung. Und auch prominente Fürsprecher hat das Vorhaben, etwa die Schauspieler Florian David Fitz, Jutta Speidel und Udo Wachtveitl, die Moderatorin Nina Eichinger, den Regisseur Marcus H. Rosenmüller und die Musiker von La Brass Banda.

Der Vorsitzende des Landesbunds für Vogelschutz, Norbert Schäffer, sagt, dass sich der Bestand an Feldvögeln in den vergangenen 40 Jahren in Bayern halbiert habe. „Das zeige, wie es um die biologische Vielfalt insgesamt steht. Bild: agentur_dpa
Der Vorsitzende des Landesbunds für Vogelschutz, Norbert Schäffer, sagt, dass sich der Bestand an Feldvögeln in den vergangenen 40 Jahren in Bayern halbiert habe. „Das zeige, wie es um die biologische Vielfalt insgesamt steht.

Was sagen die Kritiker?

Das deutlichste Nein zum Volksbegehren kommt vom Bayerischen Bauernverband, der von einem "Bauernbashing" spricht. "Statt das bäuerliche Engagement für den Umwelt- und Naturschutz anzuerkennen und weiter zu stärken, wird Stimmung gemacht und nach neuer Reglementierung gerufen", sagt der bayerische Bauernpräsident Walter Heidl in einem Statement. Besonders in der Kritik: die geforderten Mindestflächen für den ökologischen Anbau. "Eine Ausdehnung des Ökolandbaus auf 20 bis 30 Prozent per Gesetz würde in einem Desaster für den Markt für regionale Bio-Erzeugnisse enden." Laut Heidl fehlt schlicht die Nachfrage nach Bio-Artikeln. Der Verband prüft mittlerweile intern, inwieweit gegen das Volksbegehren rechtlich vorgegangen werden kann.

Walter Heidl, Präsident des bayerischen Bauernverbandes, kritisiert, das Volksbegehren schiebe einen gehörigen Anteil der Schuld den Bauern in die Schuhe. Zudem würden die geforderten Mindestflächen für den ökologischen Anbau die Landwirte in den Ruin treiben. Bild: Sven Hoppe
Walter Heidl, Präsident des bayerischen Bauernverbandes, kritisiert, das Volksbegehren schiebe einen gehörigen Anteil der Schuld den Bauern in die Schuhe. Zudem würden die geforderten Mindestflächen für den ökologischen Anbau die Landwirte in den Ruin treiben.

Was sagt die Staatsregierung zu dem Volksbegehren?

Grundsätzlich wolle sich die Staatsregierung heraushalten, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Montag. Allerdings sehe seine Partei das Begehren "sehr skeptisch". Es könne "dazu führen, dass insbesondere kleinere landwirtschaftliche Betriebe auf Dauer aufgeben werden". Und das seien die, die sich vor allem um den Naturschutz kümmerten, sagte der CSU-Vorsitzende. Man werde jetzt abwarten, wie sich das Volksbegehren entwickle, und sich dann damit auseinandersetzen. Er deutete aber an, man könne dann einen umfassenderen Gegenentwurf vorlegen, einen "größeren Wurf" machen - "und zwar so, dass Bienen und Bauern gerettet werden", sagte er.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) steht dem Volksbegehren ebenfalls skeptisch gegenüber. Insbesondere kleinere landwirtschaftliche Betriebe könnten unter den geforderten Änderungen leiden. Bild: Lino Mirgeler/dpa
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) steht dem Volksbegehren ebenfalls skeptisch gegenüber. Insbesondere kleinere landwirtschaftliche Betriebe könnten unter den geforderten Änderungen leiden.

Wie wird aus dem Volksbegehren ein Volksentscheid?

Mindestens zehn Prozent der stimmberechtigten Bayern müssen sich innerhalb von zwei Wochen - zwischen dem 31. Januar und 13. Februar - in den Rathäusern in Listen eintragen. Benötigt werden also fast eine Million Stimmen. Kommen diese zusammen, ist der Landtag am Zug und hat mehrere Optionen: Er kann zum Beispiel den Vorschlag zur Gesetzesänderung - so wie er ist - annehmen oder das Begehren ablehnen. In letztem Fall sind die Bürger wieder am Zug: Bei einem Volksentscheid dürfen dann alle Stimmberechtigten mit Ja oder Nein über den Vorschlag abstimmen, die Politik könnte nicht mehr daran rütteln. Der Landtag hat aber auch die Möglichkeit, dabei auch über einen alternativen Gesetzentwurf zum selben Thema abstimmen zu lassen - darauf dürfte es im Fall der Fälle, das zeigten Söders Äußerungen vom Montag, auch hinauslaufen.

Wer kann sich am Volksbegehren beteiligen?

Unterschreiben können alle, die mindestens 18 Jahre alt sind, seit mindestens drei Monaten in Bayern gemeldet und nicht anderweitig vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Eintragen müssen sie sich dabei in den Rathäusern ihres ersten Wohnsitzes oder in Zweigstellen. Wer an einem anderen Ort in Bayern unterschreiben möchte, kann online einen Eintragungsschein bei seiner Gemeinde herunterladen und mit diesem auch in anderen Rathäusern seine Signatur abgeben.

Internetseite Volksbegehren Artenvielfalt

Hier finden Sie Rathäuser und Zweigstellen, in denen Sie sich eintragen können.

 
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