Oberlind bei Vohenstrauß
05.06.2018 - 13:08 Uhr

Tiere nicht zu Tode streicheln

"Bayern ist fortan ein Freistaat." Mit diesen Worten startet USPD-Mitglied Kurt Eisner am 8. November 1918 die neuere bayerische Geschichte. Daran erinnert SPD-Ortsvorsitzender Markus Kick. Dann geht es um die landwirtschaftliche Tradition.

Landtagsabgeordneter Horst Arnold (Mitte) war beim SPD-Ortsverein eingeladen. SPD-Vorsitzender Markus Kick (rechts) hieß neben Landtagsabgeordneter Annette Karl (Zweite von links), Albert Gollwitzer von der WBV Eslarn-Vohenstrauß (links) und Hubert Meiler vom BDM (Zweiter von rechts) willkommen. dob
Landtagsabgeordneter Horst Arnold (Mitte) war beim SPD-Ortsverein eingeladen. SPD-Vorsitzender Markus Kick (rechts) hieß neben Landtagsabgeordneter Annette Karl (Zweite von links), Albert Gollwitzer von der WBV Eslarn-Vohenstrauß (links) und Hubert Meiler vom BDM (Zweiter von rechts) willkommen.

(dob) Die Veranstaltung war wie eine Geburtstagsfeier eingefädelt: Neben den blau-weißen Bayern-Fähnchen auf den Tischen, zierten blau-weiße Rautenmuster-Flaggen den Saal und Alfred Wittmann spielte mit seinem Akkordeon.

Landtagsabgeordneter Horst Arnold aus Fürth war Hauptredner und beleuchtete zum 100. Geburtstag des Freistaats die "Bäuerliche Land- und Forstwirtschaft zwischen Tradition und Moderne". Arnold ist Mitglied im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie im Beirat beim Unternehmen Bayerischer Staatsforsten.

Stinksauer auf Grüne

Der Jurist macht gerne Agrarpolitik, weil er sich mit Recht auskennt. "Viel zu wenige Fachleute sitzen in den Gremien", sagte er. Der Fürther erinnerte dazu an die Pflichtimpfungen zur Blauzungenkrankheit die sich in Luft auflösten: "Man muss nicht immer aus der Landwirtschaft kommen, um etwas zu bewirken." Oft helfe vielmehr der gelassene Blick von außen. Von der neuen CSU-Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber habe er in den vergangenen neun Jahren, in denen er im Landwirtschaftsausschuss sitzt, noch nichts gehört und gesehen.

Jeder siebte Arbeitsplatz im Freistaat Bayern hänge von der Landwirtschaft ab und damit mehr als von der Automobilindustrie. Als Partei der sozialen Gerechtigkeit habe sich die SPD darüber Gedanken zu machen, dass die Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der dort arbeitenden Menschen besser in den Fokus der Politik rücken.

Arnold sprach auch die Diskussion über ein Volksbegehren zum Flächenfraß an. "Die Umsetzung ist verdammt schwer." Deshalb unterstütze die SPD das Volksbegehren nicht. "Wir wollen keine Augenwischerei betreiben, weil keine Lösung vorhanden ist." Stinksauer werde Arnold, wenn er von den Grünen vernehme: "Wir kämpfen für eine giftfreie Landwirtschaft." "Jeder weiß, dass der Raps eine schöne Bienenweide ist und jeder weiß auch, dass es einen Bio-Raps schlichtweg nicht gibt. Es wird mindestens fünfmal behandelt, wenn nicht bis zu sieben Mal im Schnitt. Wer das nicht offen ausspricht und von einer giftfreien Landwirtschaft als Ideal spricht, der setzt Maßstäbe in der Erwartung der Bevölkerung, die man nicht einhalten kann." Die SPD stehe dafür ein, dass die Kluft zwischen Landwirtschaft, Produktion, Verbänden und der Gesellschaft nicht weiter auseinandergehe.

Sehr viel verändert

SPD-Ortsvorsitzender Kick erinnerte an den ersten Bayerischen Ministerpräsidenten nach dem Zweiten Weltkrieg, Wilhelm Högner, der als "maßgeblicher Vater" der Bayerischen Verfassung gilt. Als Branchenmanager einer großen Firma in Bamberg und als echtes Unterlinder Bauernkind stellte sich der SPD-Ortsvorsitzende den Gästen vor. Selbst in der Land- und Forstwirtschaft aufgewachsen wisse er "was es heißt, auf dem Hof Blut zu schwitzen und trotzdem tagtäglich die Arbeit zu genießen, wenn man Unvorstellbares leisten muss".

Ihm sei es deswegen ein großes Anliegen, dass die bäuerliche Landwirtschaft wieder wertgeschätzt werde. "Wir können nicht immer nur von 100 oder mehr Milchkühen träumen und vernichten dabei unsere bayerische Kultur und Vielfalt."

Vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) aus dem Kreis Neustadt/WN war stellvertretend Hubert Meiler anwesend. "Es hat sich in den vergangenen 100 Jahre in der Landwirtschaft wahnsinnig viel verändert", sagte Meiler. Allein in der jüngeren Zeit verschwinden Betriebe, bestehende werden ausgebaut und können oft nur mit Fremdarbeitskräften und Großmaschinen moderne Landwirtschaft betreiben. "Es ist viel Fremdkapital dabei und das soll der berühmte, moderne Weg der Landwirtschaft sein?", fragte Meiler.

In den meisten Dörfern könne der Landwirt nicht überleben. "Für einen Betrieb mit bis zu 500 Tieren, Maschinen mit 3,50 Arbeitsbreite und dreiachsigen Anhängern sind die Dörfer zu klein." Meiler glaubt: "Wir zerstören unsere Landschaft selbst. Verbraucher wollen die Kuh auf der Weide sehen, die Henne auf dem Misthaufen und wissen, wo das Essen produziert wird." Wenn jedoch gerade einmal drei Cent von einem Masthähnchen für den Landwirt übrig bleiben, könne vieles nicht mehr funktionieren.

Das gleiche Bild zeichne sich bei der Milch ab. Ein Teufelskreis: "Wir müssen zu einer Landwirtschaft kommen, in der nicht mehr die Größe eines Betriebs oder das Besetzen einer Nische über das Wohl und Wehe entscheiden, sondern wir brauchen eine mittelständische und multifunktionale Landwirtschaft, die kostendeckend produzieren kann", appellierte der BDM-Vertreter.



Kein Disneyland

Landtagsabgeordnete Annette Karl will im Falle einer Wiederwahl auch dem neuen Landwirtschaftsausschuss angehören. Die Bruttowertschöpfung der Land- und Forstwirtschaft beträgt immerhin 20 Prozent. "Da ist Bayern Spitze." Die größte Herausforderung bestehe ihrer Meinung nach darin: "Bauern müssen einen guten Preis für ihre Produkte erzielen." Landwirte seien heute Energiewirte, Landschaftspfleger und Heimatbewahrer zugleich.

Karl sieht jedoch auch ein Spannungsfeld zum Verbraucher: Eine Landwirtschaft, in der Tiere am liebsten zu Tode gestreichelt werden. Der gleiche Verbraucher wolle aber auch sein Kilo Schnitzelfleisch für 3,50 Euro. "In der SPD-Fraktion hat die Landwirtschaft eine ganz große Lobby", unterstrich Karl. "Wir wollen keine bayerische Disneyland-Landwirtschaft, in der Landwirtschaft nur mehr eine Attraktion für Touristen ist, mit sauber gestriegelten Kühen, ein paar dekorativen Hühnern im Hof und Bauern, die nur noch von Beihilfen leben und von Förderungen und Ausgleichszahlungen."

Man muss nicht immer aus der Landwirtschaft kommen, um etwas zu bewirken.

SPD-Landtagsabgeordneter Horst Arnold

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.