Am Montagmorgen kurz vor acht Uhr fallen die ersten Sonnenstrahlen vorsichtig auf den Parkplatz des Nahkauf in der Teunzer Straße. Die Vögel in den Bäumen ringsum sind bereits hellwach. Unterbrochen wird ihr Gezwitscher von dem Geräusch der Rollen eines Einkaufswagens auf dem Asphalt. Mit Schwung biegt ein weißer Kühlwagen auf den Parkplatz ein und bleibt direkt vor dem Eingang des Markts stehen. Auf den Seiten des Fahrzeugs seht ihn großen Lettern "Glücksbringer". Es ist das Auto der Oberviechtacher Tafel. Ein mittelgroßer, schlanker Mann mit grauem Haar springt heraus. Er wirkt sportlich, trägt Jeans, eine orange Jacke mit dem Logo der Tafel und Maske. Sein Name ist Georg Baumer. Im selben Augenblick kommt ein zweiter Mann-ebenfalls in einer Jacke der Tafel - mit einem Einkaufswagen aus dem Supermarkt. Baumer winkt ihm zu. Es ist Manfred Neumann.
Baumer und Neumann sind zwei Wölfe, die schon viel Schnee gesehen haben. Zusammen fahren sie die Oberviechtacher Runde für die Tafel und sammeln Lebensmittel in Schönsee, Eslarn, Waidhaus und Oberviechtach für bedürftige Menschen. Baumer ist 74 und seit 7 Jahren bei der Tafel, Neumann ist 78 und fährt seit 5 Jahren mit.
Beiden liegt es fern, sich mit ihrem sozialen Engagement zu rühmen. Fragt man Neumann, wie er zur Tafel gekommen ist, sagt er schlicht: "Mundpropaganda." Seine Nichte habe ihm vor fünf Jahren vorgeschlagen, bei der Tafel zu helfen, er hat ja gesagt. Baumer erklärt: "Das war am Stammtisch. Da kam das zur Sprache." Ihn störe es in erster Linie, wie viele Lebensmittel in Deutschland im Müll landeten, denen nichts fehlt und die andere Menschen gut gebrauchen könnten. "Sinnvolle Sache, würde ich sagen, da kann man es auch umsonst machen", sagt er. Er sei immer wieder überrascht, wie viele Lebensmittel auf einer Tour zusammenkommen, die sonst "einfach in einem Container verschwinden" würden. "Bei mir wird grundsätzlich so gut wie nichts weggeworfen", sagt er mit entschlossenem Blick.
Neumann liegen in erster Linie andere Menschen am Herzen."Bei mir war der Beweggrund hauptsächlich, etwas für die Menschheit tun zu können. Als früherer Kriminalbeamter habe ich in einem anderem Bereich gearbeitet", sagt Neumann, lacht und überkreuzt die Handgelenke, als lägen sie in Handschellen. "Jetzt kann ich den Menschen auch was zurückgeben." Es sei besser die Tafel zu unterstützen, ehe er zu Hause nur auf der Couch rumliegen würde. Die Tafel könnte mehr Leute wie Neumann und Baumer gebrauchen. Baumer: "In der Woche gibt es zwei Touren. Wir haben drei Fahrer und zwei Beifahrer. Wenn mal einer ausfällt, wäre nicht verkehrt, wenn ein paar zusätzliche Helfer da wären, die dann auch schon wissen, was zu tun ist."
Neumann spricht vom Nachwuchs, den er sich im Team wünschen würde. Dabei wird sein Blick etwas nachdenklicher. Denn das Alter der Truppe, ein Todesfall und die Coronapandemie hätten dem Team zugesetzt, so dass nun drei Mitglieder fehlten.
So einfach ist das aber nicht, denn vielen Menschen sei das Ehrenamt nicht Lohn genug. "Daran scheitert es daran, dass unsere Arbeit unentgeltlich ist. Wenn mich die Leute fragen, was sie in der Stunde kriegen, sage ich, dass es ein Dankeschön gibt."
"Glücksbringer" auf Tour
Neumann lädt Joghurts, Butter und ein paar weitere Milchprodukte in den Transporter. Dann geht es los mit der rund 65 Kilometer langen Route, die die beiden Männer einmal in der Woche für circa drei Stunden fahren. Ziemlich zügig düst der "Glücksbringer" über die kurvigen Landstraßen in Richtung Schönsee. Gleißendes Sonnenlicht und schattige Wälder wechseln sich dabei im Sekundentakt ab. "Wir müssen einen Umweg fahren, weil es auf unserer Strecke eine Straßensperre gibt", sagt Neumann.
Einige Minuten später steht der Transporter vor der Laderampe der Norma in Schönsee. Beide laden grüne Plastikkisten aus dem Kühlwagen. Ein junger Mann öffnet ihnen die Türe und zeigt ihnen, welche Lebensmittel für die Tafel sind. Die Männer prüfen ganz genau, um was es sich bei der Ware handelt. "Das Haltbarkeitsdatum ist für uns entscheidend", erklärt Baumer.
Produkte, die mit dem Hinweis "zu verbrauchen bis" beschriftet sind und am Tag der Abholung oder in den folgenden ablaufen, dürfen die Fahrer nicht mitnehmen. Alles, was ein Mindesthaltbarkeitsdatum hat, dagegen schon. Schinken, Wurst, Butter und Milch: Baumer und Neumann tragen vier Kisten voll mit Lebensmitteln zum Transporter - eine durchschnittliche Ausbeute, wie Baumer sagt, während er die Kisten im Kühlwagen ordnet. Keine fünf Minuten vergehen und der "Glücksbringer" rollt weiter über kurvige Landstraßen in Richtung Eslarn. "Das geht so schnell, weil wir ziemlich gut in Sachen Teamarbeit sind", sagt Neumann.
Mehr Lebensmittel durch Corona
Wie so oft im Leben ist des einen Leid des anderen Freud. Bei der letzten Tour haben die beiden in Eslarn und später vor allem in Waidhaus merklich mehr Lebensmittel als gewöhnlich bekommen. "Das waren um die 20 Kisten", sagt Neumann. Als er verdutzt gefragt habe, warum es dieses Mal so viel sei, habe er erfahren, dass viele Kunden im Grenzgebiet normalerweise aus Tschechien kommen.
"Jetzt bleibt die Ware da, die Märkte werden aber weiter beliefert von ihrer Zentrale. Die überschwemmen jetzt die Läden", sagt Neumann. Auf die Frage, ob die Tafel die Waren auch jedes Mal losbringt, sagt Neumann. "Ja, jedes Mal. Da bleibt nichts übrig."
"Wenn mal einer ausfällt, wäre nicht verkehrt, wenn ein paar zusätzliche Helfer da wären, die dann auch schon wissen, was zu tun ist.“
„Bei mir war der Beweggrund hauptsächlich, etwas für die Menschheit tun zu können.“
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