Oberviechtach
06.02.2019 - 17:07 Uhr

Ein Napf voller Bestseller

Mit dem ersten Handy nimmt die Leselust rapide ab. Eltern tun sich schwer, ihre Kinder für Gedrucktes zu begeistern. Auch die Oberviechtacher Stadtbibliothek kämpft gegen diesen Trend – mit dem perfekten Futter für alle Bücher-Eulen.

Renate Stigler, Leiterin der Oberviechtacher Stadtbücherei stemmt sich mit gut platzierten und sorgfältig ausgewählten Büchern gegen den Trend zu Medien, in denen Gedrucktes kaum noch vorkommt. Bild: bl
Renate Stigler, Leiterin der Oberviechtacher Stadtbücherei stemmt sich mit gut platzierten und sorgfältig ausgewählten Büchern gegen den Trend zu Medien, in denen Gedrucktes kaum noch vorkommt.

Mehr als 22 000 Medien hat die Oberviechtacher Stadtbücherei im vergangenen Jahr verliehen. Den größten Anteil daran hatten Kinder- und Jugendbücher mit rund 14 000 Exemplaren. Trotzdem ist Büchereileiterin Renate Stigler besorgt um den Leseratten-Nachwuchs. "Die Lesefreude geht eher zurück", bedauert sie. "Bei den Grundschul-Kindern geht es noch, aber wenn es in der dritten Klasse zur Kommunion ein Handy gibt, dann ist es mit dem Lesen bald vorbei." Da hilft dann weder ein ausgeklügeltes Konzept noch eine moderate Gebühr.

Ob "Drachenschule" oder "Ocean City", die nagelneuen Jugendbücher für Buben hat noch keiner ausgeliehen. Renate Stiglers sieht das an dem kleinen Zettel, der hinten in den Büchern klebt. Der ist nämlich leer. "Oder das hier", sagt die Leiterin der Bibliothek und zeigt begeistert auf den Band "Percy Jackson erzählt griechische Göttersagen" von Rick Riordan. Ein wenig besser sieht es bei den Mädchen aus, die auf Tanja Stewers "Alea Aquarius" stehen oder auf "Lotta-leben", das ebenso wie die Tom-Gates-Serie mit jeder Menge Comics im Text garniert ist.

Dabei kommen die Leser von morgen schon dann auf ihre Kosten in der Bücherei, wenn sie mit dem Alphabet noch gar nicht vertraut sind. Gleich neben der Türe gibt es Spiele, die mit bunten Abenteuern locken. Ein paar Meter weiter steht ein Regal mit "Tiptoi"-Material. Tiptoi ist ein interaktives Lernspiel. Per Digitalstift können Kinder auf einem Spielbrett oder Buch die Welt erkunden. Der batteriebetriebene Stift wird auf verschiedene Stellen der bedruckten Oberfläche gehalten, dann gibt eine Stimme Auskunft zum jeweiligen Thema, und neuere Modelle verfügen sogar über eine Aufnahme-Funktion. "Viele Familien haben sich inzwischen ihren eigenen Digitalstift angeschafft, der geht ja auch schnell mal kaputt", weiß Stigler.

Lesen mit Maske

Für alle, die für solche technischen Finessen noch zu klein sind, gibt es in der Bücherei regelmäßige Vorlesestunden. Nächster Termin ist beispielsweise eine maskierte Vorlesestunde am Donnerstag, 21. Februar, um 16.30 Uhr. Carola Wittek liest aus "Zacharias Zuckerbein" von Silke Moritz. Elf solcher Termine gab es im vergangenen Jahr, bis zu 30 Kinder hatten sich da um die wechselnden Lese-Paten geschart, unter ihnen auch Bürgermeister Heinz Weigl. Vielleicht ist dieses Angebot mitverantwortlich dafür, dass im vergangenen Jahr 95 neue Lese-Ausweise ausgestellt werden konnten.

Aber selbst die Erwachsenen wollen zum Lesen verführt werden. "Früher hatten wir die Sachbücher hinten in der Ecke. Jetzt liegt ein Teil ausgebreitet auf dem Tisch, mit dem Ergebnis, dass sie viel öfter ausgeliehen werden", freut sich die Leiterin der Bibliothek, "das ist der Mitnahme-Effekt". Weil verstaubte Literatur schon lange nicht mehr zieht, werden alte Schmöker gegen neue ausgetauscht. Die Zeitschrift "Wirtschaftswoche" wird von "Landlust" oder "Stern" abgelöst, und bei Romanen und Sachbüchern zieht Stigler die Bestsellerlisten des "Spiegel" zurate.

Genau 363 aktive Bücherei-Nutzer wussten das im Vorjahr zu schätzen und bedienten sich aus dem Vorrat im Obergeschoss des Rathauses. Gerade erst hat die Bücherei-Chefin für über 1400 Euro neue Ware eingekauft und packt begeistert aus, was mit Kennnummer und schützendem Einband versehen ist: Passend zum Jubiläum des Frauenwahlrechts sind das Sachbücher über starke Frauen, in Hinblick auf die Fastenzeit geht es "Ran an das Fett", und "Entrümpeln" ist angesagt. Auch bei den Romanen hat die Fachfrau das Ohr an den Kunden: Der neue Roman von Dörte Hansen ist frisch eingetroffen, Fred Vargas und Sebastian Fitzek konkurrieren mit den Krimis im Fernsehen, und Jojo Moyes beschwört "Nächte, in denen Sturm aufzieht". "Darauf warten schon ganz viele Frauen", weiß Stigler. Sie ist gespannt, ob auch Anspruchsvolles wie Frank Schätzings "Die Tyrannei des Schmetterlings" Fans finden wird und Bewährtes wie die "Wanderhure" noch immer gefragt ist.

Vorbild Gottschalk

Und manchmal treibt sogar das Fernsehen die Zuschauer in die Bücherei. "Wenn Elke Heidenreich was empfiehlt, dann fragen die Leute ganz gezielt, ob wir das auf Lager haben", berichtet die Bibliothekarin. Ein weiterer Promi wird vielleicht bald mitbestimmen, was die Oberviechtacher lesen wollen: Ab März gibt der beliebte Entertainer Thomas Gottschalk im Bayerischen Fernsehen Tipps im neuen Sendeformat "Gottschalk liest?".

Info:

Öffnungszeiten und Statistik

Die Stadtbücherei Oberviechtach (Rathaus 2. Stock) ist am Dienstag von 11 bis 13 Uhr, Mittwoch von 13 bis 15 Uhr, Donnerstag 13 bis 18 Uhr und Freitag von 10 bis 13 Uhr geöffnet. Der Leser-Ausweis für Erwachsene kostet 5 Euro, Jugendlich ab 14 Jahre zahlen 2 Euro, für Kinder, Schüler und Studenten ist der Ausweis kostenlos. Rund 22000 Medien wurden 2018 entliehen, am gefragtesten waren Kinder- und Jugendbücher (rund 14000), gefolgt von Romanen (4345) und Sachbüchern (1917). 924 Spiele und 794 Hörbücher sowie 347 Zeitschriften haben die 363 aktiven Büchereibesucher in 2018 ausgeliehen und sich dabei auch bei den 466 neuen Medien bedient. Außerdem konnten 95 neue Leser gewonnen werden. Rund 100 Schüler nutzten die Chance, sich für Schularbeiten ein Buch per Fernleihe zu bestellen. (bl)

Interaktiv und doch noch im Buchformat: Die Bücherei lockt auch mit Tiptoi-Spielen. Bild: bl
Interaktiv und doch noch im Buchformat: Die Bücherei lockt auch mit Tiptoi-Spielen.

Früher hatten wir die Sachbücher hinten in der Ecke. Jetzt liegt ein Teil ausgebreitet auf dem Tisch, mit dem Ergebnis, dass sie viel öfter ausgeliehen werden.

Renate Stigler, Leiterin der Stadtbücherei

Neu eingetroffen: jede Menge Sachbücher und Romane sowie ansprechende Kinderbücher. Bild: bl
Neu eingetroffen: jede Menge Sachbücher und Romane sowie ansprechende Kinderbücher.
 
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