Prominenter Jäger verteidigt nach Unfall in Niedermurach die Drückjagd

Oberviechtach
17.01.2023 - 12:05 Uhr
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Wildschwein-Jagd im Team: Dass dies nicht ohne Risiko ist, hat erst vor wenigen Wochen ein Unfall bei Niedermurach gezeigt. Trotzdem gibt es triftige Gründe für eine Drückjagd. Alexander Flierl aus Oberviechtach kennt sie.

Ein 13-köpfiges Team aus Jägern und Treibern hatte sich am 17. Dezember vergangenen Jahres bei Niedermurach zu einer Drückjagd auf Wildschweine begeben. Ein Keiler tauchte auf, die Jäger gaben Schüsse auf ihn ab. Doch ein Schuss traf dabei einen 72-jährigen Treiber am Bein. Der Mann kam ins Krankenhaus und musste operiert werden. Tödlich verlief eine Jagd auf Wildschweine im August 2018 bei Nittenau für einen unbeteiligten Beifahrer in einem Auto, er wurde von einem Projektil getroffen. Ist es da nicht sicherer, die Tiere in Einzelaktionen vom Hochsitz aus zu erlegen? Alexander Flierl, langjähriger Kreisgruppenvorsitzender im Bayerischen Jagdverband (BJV) und CSU-Landtagsabgeordneter, hat da seine Zweifel, ob es ohne eine "Bewegungsjagd" gelingen kann, das Schwarzwild einzudämmen.

"Schwarzwild ist intelligent, und sehr mobil, der Bestand ist hoch", schickt er im Gespräch mit Oberpfalz-Medien voraus. Seit Jahren sind die Jäger nicht nur für die Schäden sensibilisiert, die die Tiere auf Feldern und Wiesen anrichten. In Maisfeldern dezimieren sie die Ernte, Wiesen werden auf der Suche nach Engerlingen oder Mäusen regelrecht umgepflügt. Vor etwa zehn Jahren rückte noch eine neuer Faktor ins Blickfeld: die Afrikanische Schweinepest, eine Viruserkrankung, die inzwischen mehrere Bundesländer in Deutschland erreicht hat und dadurch auch die Bestände der Schweinehalter bedroht.

"Es ist in unserem ureigensten Interesse, dass keine Schäden entstehen, wir haben da auch eine Verpflichtung gegenüber den Jagdgenossen", erläutert Flierl als Vertreter der Jäger im Altlandkreis Oberviechtach den Auftrag. Ein "Management" für Wildtiere sei in einer Kulturlandschaft schon deshalb unerlässlich, um die Biodiversität sicherzustellen. "Viele vergessen, dass unsere Landschaft keine Naturlandschaft ist", zeigt er einen grundsätzlichen Konflikt auf. Und dazu brauche es alle Formen der Jagd, dem Revier angepasst, als Ansitz-Jagd, mit Wärmebild und Nachtsichtgeräten und eben auch als Drückjagd.

"Wildschweine sind sehr schwer zu bejagen" stellt der BJV-Vorsitzende klar. So ist auch eine Kirrung (Lockfütterung) bei den intelligenten Tieren nicht leicht von Erfolg gekrönt. Schwarzwild sei generell sehr vorsichtig und extrem anpassungsfähig. Für Alexander Flierl ist es außerdem ein "Gewinner des Klimawandels": Durch milde Winter könnten sich die Tiere stärker vermehren, die Sterblichkeit sei geringer, und die klimabedingten Mastjahre bei Eichen und Buchen würden für ein gutes Futterangebot sorgen.

Keine Erfolgsgarantie

Wie oft deshalb eine potenziell effektive Drückjagd fällig ist, dafür gibt es laut Flierl keine klaren Regeln, keine pauschalen Vorgaben. Anberaumt wird diese Form zum einen dann, wenn das Vorkommen durch Spuren oder Schäden bestätigt ist, Jäger und Treiber treffen dann relativ kurzfristig zusammen. "Eine Garantie, dass man dann erfolgreich ist, gibt es aber nicht", schränkt Flierl ein. Genauso wenig bei einem längerfristig geplanten Termin mit viel organisatorischem Aufwand, bei dem oft größere Flächen abgedeckt werden.

Der Oberviechtacher BJV-Vertreter, der als Landtagsabgeordneter nicht viel Zeit für das Hobby Jagd übrig hat, hatte sich unlängst mit einem Revier-Nachbarn zu so einem Großereignis zusammengetan, an dem auf einigen hundert Hektar mehrere Dutzend Jäger erforderlich waren. Wie groß die Jagdstrecke (in der Jägersprache die Beute) dann ist, lasse sich nie vorhersagen. "Von null bis zehn ist da alles drin", so Flierl, der als Jurist die Sicherheitsgrundsätze bei so einem Treffen genau kennt. Warum es in Niedermurach trotzdem zu einer Verletzung kam, dafür hat er keine Erklärung. "Das ist äußerst bedauerlich, aber darüber sollte man nicht spekulieren, ohne die Details zu kennen", bittet er um Verständnis.

Ermittlungen dauern an

Auch bei der ermittelnden Polizei in Oberviechtach stehen noch einige Ergebnisse aus. "Bei der Vernehmung aller Beteiligten sind wir schon gut voran gekommen", berichtet Hauptkommissar Dominik Höfner. "Die Waffen der Jäger und der Stiefel des verletzten Treibers sind noch beim Landeskriminalamt, die Untersuchung wird längere Zeit in Anspruch nehmen", so der aktuelle Stand. Seiner Kenntnis nach befinde sich der Verletzte nach wie vor im Krankenhaus. Er sei inzwischen auch vernommen worden. Wie es um seinen Fuß steht, der von einem Projektil getroffen wurde, dazu könne man aber nichts sagen.

Grundsätzlich müssten Jäger beim Schuss auf den Kugelfang achten, sagt Flierl: Das bedeutet, dass nie gegen den Horizont geschossen werden darf, immer soll der Erdboden das Projektil abfangen. "Da ist höchste Sorgfalt gefragt", erklärt er gerade auch mit Blick auf Spaziergänger. "Auch wenn Wege gesperrt sind, gibt es keine Garantie, dass sich jeder daran hält."

Restrisiko?

Bleibt also immer ein Restrisiko? "Alle Jagdleiter sind bemüht, das auszuschließen", ist der BJV-Kreisvorsitzende überzeugt, der sich gegen eine pauschale Verurteilung seiner Zunft wehrt. Auch wenn die Jäger bei Wildschweinen mal ein ganzes Jahr fast leer ausgehen, eins steht für ihn fest: "Wir haben das Schwarzwild ganz sicher nicht ausgerottet."

Hintergrund:

Drückjagd

  • Form: Treibjagd, bei der das Wild von Treibern und meist auch Hunden veranlasst wird, sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen
  • Ziel: Eigens positionierte Jäger sollen so in einer Formation einen gezielten Schuss auf die Tiere abgeben können
  • Zeitpunkt: fast ausschließlich im Winterhalbjahr und nur bei Tageslicht
  • Sicherheitsvorkehrungen: maßgeblich sind Regeln der Berufsgenossenschaft Landwirtschaft und der Unfallverhütungsvorschrift; erforderlich sind beispielsweise ein Jagdleiter, eine Belehrung vor dem Start, ein genauer Zeitpunkt für das Laden/Entladen der Waffen, der Verbleib auf festgelegten Positionen und spezielle Kleidung
 
 

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