Oberviechtach
30.12.2019 - 14:46 Uhr

Schon Kleinigkeiten erleichtern vieles

Ohne Barrierefreiheit kann Inklusion nicht gelingen. Seit fünfeinhalb Jahren gibt es auch in Oberviechtach einen Behindertenbeauftragten. Dieser würde gerne noch mehr bewegen.

Der äußerste Parkplatz (links) am „MP 12“ oder die Fläche vorm Gasthof „Zur Post/El Camino“ wären nach Ansicht von Andreas Gürtler gute Standorte für den Behinderten-Parkplatz in der Altstadt. Rollstuhlfahrer könnten auch gut die Bahnhofstraße ohne viel Kraftaufwand für Kopfsteinpflaster erreichen. Bild: Portner
Der äußerste Parkplatz (links) am „MP 12“ oder die Fläche vorm Gasthof „Zur Post/El Camino“ wären nach Ansicht von Andreas Gürtler gute Standorte für den Behinderten-Parkplatz in der Altstadt. Rollstuhlfahrer könnten auch gut die Bahnhofstraße ohne viel Kraftaufwand für Kopfsteinpflaster erreichen.

"Es hat sich einiges getan", sagt Andreas Gürtler. Er ist der erste Behindertenbeauftragte der Stadt und seit August 2014 im Amt. Der Stadtrat hatte sich in seiner Sitzung am 17. Juni 2014 dafür ausgesprochen, dieses Ehrenamt erstmals zu besetzen: "Behinderte sollen einen Ansprechpartner haben, wenn sie auf Hindernisse stoßen." Die neuen Redaktionsräume von Oberpfalz-Medien am Marktplatz 24 sind barrierefrei erreichbar. Das Pressegespräch kann Gürtler deshalb ohne Hilfestellung wahrnehmen.

Freibad und Stadion

In den fünfeinhalb Jahren wurde der 44-Jährige seither als sachkundiger Berater für Politik und Verwaltung bei etlichen Maßnahmen gehört. Noch nicht lange her ist eine Anfrage vom Architekturbüro Schönberger bezüglich Umbau des Jahn-Stadions. Und auch für die geplante Renovierung des Freibades gab er bereits Anregungen zur Gestaltung der Toiletten und Umkleidekabinen für Menschen mit Handicap. "Es gibt auch Möglichkeiten, dass solche Badegäste leichter ins Schwimmerbecken kommen", ergänzt er nachdenklich.

Andreas Gürtler weiß wovon er spricht. Er sitzt nach einem Autounfall im Jahr 1995 im Rollstuhl. In den 20 Jahren hat sich einiges verändert, was das Leben leichter macht. Die Supermärkte haben Behindertenparkplätze vor der Türe und punkten mit breiteren Gängen und niedrigeren Regalen. Es gibt aber auch viele Hindernisse. Wenn der Verwaltungsangestellte an der Europa-Berufsschule Weiden in Oberviechtach ein Feierabendbier trinken möchte, sind Tricks gefragt: "Oft komme ich nur über den Hintereingang ins Lokal." Ein Problem für manche Rollstuhlfahrer ist das Kopfsteinpflaster am Marktplatz, und am Friedhof erschweren es die engen Gänge, bis zum Grab zu kommen. Im Kino helfen Freunde und hieven ihn samt Rollstuhl die Treppen hoch. "Wenn es ein Miteinander gibt, dann ist alles viel einfacher zu bewegen", betont der gebürtige Wildsteiner.

Von der Stadt Oberviechtach wünscht er sich mehr Kooperation. Nach "langem Kampf" gebe es nun eine Satzung, die klar regelt, in welchem Zeitraum Anträge behandelt werden müssen. Er freut sich, dass die behindertengerechte Toilette am Hintereingang des Rathauses nun zur Verfügung steht. "Es ist die einzige Möglichkeit für Behinderte, in Oberviechtach eine öffentliche Toilette zu benützen", sagt Andreas Gürtler und betont: "Zugang rund um die Uhr mit dem Europaschlüssel." Dieser ist erhältlich beim CBF Darmstadt (Club Behinderter und ihrer Freunde). Das inzwischen europaweit einheitliche Schließsystem ermögliche es körperlich beeinträchtigten Menschen, selbstständig und kostenlos Zugang zu sanitären Anlagen zu erhalten.

Problem Parkplatz

Aktiv mit eingebunden war der Behindertenbeauftragte auch bei der Einführung der Fußgängerampel am Haus der Schwarz-Stiftung. Hier wurden die Bordsteine so abgesenkt, dass diese kein Problem für Rollator oder Rollstuhl darstellen. "Auch an sehbehinderte Menschen wurde gedacht", ergänzt Gürtler. Er stellt aber auch klar: "Es kann nicht alles behindertengerecht sein. Aber wenn man etwas neu gestaltet, sollte man diesen Aspekt mit berücksichtigen." Denn oft gebe es einfache Möglichkeiten außerhalb der DIN-Norm, die das Leben leichter machen. Ein Beispiel: Toilettentüren, die nach außen aufgehen.

Ein Problem sind nach wie vor die Parkplätze in der Altstadt. Bei der jüngsten Begehung mit Bürgermeister und Polizei wurde sich darauf verständigt, dass die Behindertenparkplätze neu geplant werden. "Der Parkplatz auf abschüssigem Gelände hinter dem Rathaus war nicht geeignet und wird in die Klostergasse verlegt", informiert Gürtler. Außerdem soll der Behindertenparkplatz vor der ehemaligen Stadtapotheke wieder installiert werden. "Ich habe bemängelt, dass dieser zentraler liegen sollte. Denn in der Bahnhofstraße gibt es keine Möglichkeit und das Kopfsteinpflaster erschwert es, sich im Rollstuhl fortzubewegen." Als besseren Behindertenparkplatz brachte er die Stellfläche direkt vor dem Eisenbarth-Brunnen (MP 12) oder gegenüber vorm Gasthof "Zur Post/El Camino" ins Gespräch. Nicht entsprochen worden sei auch seinem Vorschlag für einen Behindertenparkplatz am Haus der Stiftung mit Apotheke, Arzt und Zahnarzt. "Gerade hier wäre es sinnvoll, da das Gebäude mit Aufzug barrierefrei ist."

Andreas Gürtler kann es auch nicht verstehen, dass ein privater Investor keinen behindertengerechten Zugang (Rampe) zu seinen Geschäftsräumen am Marktplatz bauen darf. Der Stadtrat habe dies mit der Begründung "passt nicht ins Stadtbild" abgelehnt. Der Behindertenbeauftragte verwehrt sich dagegen, dass sein Ehrenamt politisch benützt wird: "Es geht um Maßnahmen, damit behinderte Menschen ihr Leben selbstbestimmt und eigenverantwortlich gestalten können." Im August 2014 wünschte er sich "mehr Sensibilität und Toleranz". Dieser Wunsch gilt noch.

Als Schnittstelle:

In Deutschland leben circa 7,8 Millionen Menschen mit Behinderung. Rechtsgrundlage für die kommunalen Behindertenbeauftragten ist das Bayerische Behindertengleichstellungsgesetz (BayBGG). Er steht Hilfsorganisationen und Vereinen zur Verfügung und ist Schnittstelle zwischen Verwaltung und Interessensgruppen. Die bayerische Architektenkammer bietet regelmäßig Sprechstunden zur baulichen Barrierefreiheit an. (ptr)

Auf kurzem Weg ins barrierefreie Haus der Stiftung. Dort wo das gelbe Auto steht, wäre ein Behinderten-Parkplatz von Vorteil. Bild: Portner
Auf kurzem Weg ins barrierefreie Haus der Stiftung. Dort wo das gelbe Auto steht, wäre ein Behinderten-Parkplatz von Vorteil.

Es kann nicht alles behindertengerecht sein. Aber wenn man etwas neu gestaltet, sollte man diesen Aspekt mit berücksichtigen.

Andreas Gürtler, Behindertenbeauftragter

Andreas Gürtler, Behindertenbeauftragter

 
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