Pfreimd
29.05.2019 - 10:45 Uhr

Gewaltexzesse auf der Bühne

Eine dunkle Tiefgarage ohne Tageslicht, niedrige Raumhöhe, graue bedrückende Betonwände, kühle Temperaturen - mittendrin der Ort des Geschehens: Das Ovigo-Theater spielt "A clockwork orange".

Mr. Deltoid (gespielt von Michael Zanner, schwarze Kleidung) möchte Alex zur Vernunft bringen. Seine Droogs (Verbündeten) lachen ihn im Hintergrund aus. Bild: Freya Stöckl
Mr. Deltoid (gespielt von Michael Zanner, schwarze Kleidung) möchte Alex zur Vernunft bringen. Seine Droogs (Verbündeten) lachen ihn im Hintergrund aus.

Den wahrscheinlich außergewöhnlichsten Aufführungsort eines Theaterstückes wählten die Macher des Ovigo-Theaters ganz bewusst für ihre Inszenierung. Sie fanden den perfekten Rahmen, um die schaurige, raffe, brutale und raue Stimmung dieses außergewöhnlichen Schauspiels einer der bedeutendsten britischen Romane umzusetzen. So ließen sich die vielen Besucher der ausverkauften Vorstellung mit extra bereitgestellten wärmenden Wolldecken versorgen und sodann auf ein zweistündiges "Experiment" mitnehmen. Sie wurden Zeugen eines wahrhaften Theaterspektakels - ungewohnt aber dennoch passend - auf einer Bühne, die einmalig war und ihresgleichen so schnell nicht wieder zu finden vermag. Die unmittelbare Nähe der Akteure zum Publikum hatte an vielen Stellen ungeahnten Überraschungseffekt und ließ den Spannungsfaden über das gesamte Stück nicht reißen.

"A Clockwork Orange" ist ein 1962 veröffentlichter Roman von Anthony Burgess. Das Magazin "Time" zählt diesen Roman zu den besten 100 englischsprachigen Romanen, die zwischen 1923 und 2005 veröffentlicht wurden. 2015 wählten 82 internationale Literaturkritiker und -wissenschaftler den Roman zu einem der bedeutsamsten britischen Romane. Der Titel ist vermutlich von einer Cockney-Redewendung für etwas sehr Seltsames inspiriert: as queer as a clockwork orange. Andere leiten ihn vom malaiischen Wort "orang" ab, das auch in "Orang-Utan" vorkommt und so viel wie "Mensch" bedeutet - also dann "Uhrwerk-Mensch". Beide Interpretationen laufen darauf hinaus, dass ein Mensch etwas Organisch-Natürliches ist (wie eine Orange), den man nicht mit sinnvollem Ergebnis wie ein Uhrwerk funktionieren lassen kann.

Impressionen aus der Aufführung in Waldsassen

Das Theaterstück spielt in England der nahen Zukunft. Alex DeLarge, (verkörpert von Daniel Adler), ein eigentlich intelligenter Teenager, erzählt seine Geschichte selbst: Aus Spaß an der Gewalt verbringen er und seine drei Freunde ihre Zeit damit, wahllos wehrlose Opfer brutal zusammenzuschlagen, auszurauben und Frauen zu vergewaltigen. Schlägereien, Messerstechereien mit rivalisierenden Banden gehören zur Tagesordnung. Es werden Drogen und Alkohol konsumiert. Die Polizei steht dem vorherrschenden Verbrechen weitestgehend machtlos gegenüber und verkommt teilweise selbst zum Schlägertrupp. Alex´Eltern sind unfähig, auf ihn gebührenden Einfluss zu nehmen. Im Verlauf der Geschichte sind Alex´s Freunde mit seiner Führungsrolle in der Gruppe mehr und mehr unzufrieden, was zu Verwicklungen führt. Schließlich versucht ein politischer Machthaber, Alex in den Selbstmord zu treiben, um von seinem Tod politisch zu profitieren. Alex überlebt und ist fortan wieder zur Gewalt fähig. Er ist intelligent und liebt Musik, vor allem Ludwig van Beethoven, die eine wesentliche Bedeutung in der Aufführung hat. Nachdem Alex älter geworden ist, verspürt er, dass ihm Gewaltexzesse keinen Spaß mehr machen. Er träumt davon, eine Familie zu gründen.

Die fabelhafte Lichtsetzung sowie die einzigartige Akustik in der Tiefgarage unterstrich die großartige Darbietung der Schauspieler. Für die Regie zeichnete Florian Wein verantwortlich. Er bedankte sich ausdrücklich bei der Stadt Pfreimd, die die Aufführung in der Tiefgarage allem voran behördlich genehmigt hatte. Das Publikum belohnte die professionelle Schauspielleistung der Akteure mit frenetischem Applaus.

Vorbereitungen zum Kopfkino in der Glashütte Lamberts in Waldsassen
Aufwendig, bis ins Detail ausgearbeitete Masken- und Kostümbilder von Theresa Weidhas verwandelten die Schauspieler in spannende Wesen der Gewalt. Bild: Freya Stöckl
Aufwendig, bis ins Detail ausgearbeitete Masken- und Kostümbilder von Theresa Weidhas verwandelten die Schauspieler in spannende Wesen der Gewalt.
 
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