Pfreimd
27.09.2019 - 16:31 Uhr

Perlen, Scherben und ein Phantom

Der merkwürdige Befund alarmiert die erfahrenen Archäologen. Solche Memorial-Bauten bei der Bestattung hätten sie hier, an der Naab bei Pfreimd, nicht erwartet. Aber auch nicht das, was dann darunter zum Vorschein kommt.

Christoph Steinmann vom Landesamt für Denkmalpflege, Bürgermeister Richard Tischler und MdL Joachim Hanisch (von links) sind begeistert von den Erkenntnissen, die bei den Ausgrabungen in Pfreimd gewonnen wurden. Bild: bl
Christoph Steinmann vom Landesamt für Denkmalpflege, Bürgermeister Richard Tischler und MdL Joachim Hanisch (von links) sind begeistert von den Erkenntnissen, die bei den Ausgrabungen in Pfreimd gewonnen wurden.

Seit Monatsbeginn ist Hochbetrieb an der Ausgrabungsstelle auf dem Feld zwischen Iffelsdorf und Untersteinbach. Studenten aus Wien und Bamberg arbeiten sich Schicht für Schicht mit Pinsel und Kelle vorsichtig in die Tiefe des sandigen Bodens vor, der schon so manche Überraschung zutage gefördert hat. Seit 2011 laufen hier Ausgrabungen, jedes Jahr werden die Wissenschaftler um einige Erkenntnisse reicher und manchmal auch um einen spektakulären Fund.

Mahlzeit am Grab

In den vergangenen Wochen gab es außer einem intakten Keramikgefäß aus einem Kindergrab keine außergewöhnlichen Funde, eher "Befunde", meint Dr. Hans Losert, der die Ausgrabung von Anfang an betreut hat. "Als interessant haben sich diesmal die Praktiken am Grab herausgestellt", verrät der Fachmann. Insgesamt rund 80 Gräber hat er mit den Teams aus Studenten und seinem Kollegen Professor Erik Szameit aus Wien untersucht, inzwischen sind die Forscher in Gefilde mit jüngeren Anlagen aus der Zeit um das Jahr 900 vorgedrungen. Ein slawischer Familienverband hat hier über längere Zeit seine Toten bestattet.

Merkwürdig fand Losert einen Modus, bei dem eine flächige Steinpflasterung wie ein Weg ans Licht kam. Ein Oval in der Mittel habe man da vorgefunden, und auf einen Erdhügel mit Steinen darüber wie bei einer Kuppel geschlossen. "Memorial-Bauten", ähnlich wie bei den Römern, so eine erste Folgerung von Losert. "Das waren Gräber für Personen, deren Gedächtnis man längere Zeit aufrecht erhalten wollte."

Doch dann entpuppten sich gerade diese Bereiche als "Phantom" - mit so gut wie nichts darunter. Skelette fand man vielmehr unmittelbar daneben. Dass es sich dabei überwiegend um Frauen handelt, hält der Archäologe eher für Zufall. Einzigartig findet er die Art und Weise wie das Gräberfeld strukturiert ist. "So etwas hatten wir in Bayern noch nicht." Weniger überrascht haben die Experten die über 1000 Jahre alten Essens-Reste am Grab mit Knochen von Rind und Schwein und die über zehn Feuerstellen samt massiver Brandschicht. Hier muss es wohl eine Toten- oder Gedächtnis-Mahlzeit gegeben haben, so die Folgerung. Eine Sitte, die laut Losert von der Kirche dann verboten wurde. "Der Grund war wahrscheinlich, dass es dabei zu lustig zuging", mutmaßt er. Immer wieder stößt er auch auf Parallelen zu Funden, die in Pfreimd bei Ausgrabungen auf dem Gelände der Firma Gerresheimer gemacht wurden. "In der Slawen-Zeit war Pfreimd wohl einigermaßen besiedelt", folgert Bürgermeister Richard Tischler. Losert kann das bestätigen und führt die Beliebtheit des Ortes auf mögliche schützende Inseln im Bereich der Flussarme zurück.

Wenn die Studenten nun Ende nächster Woche das untersuchte Segment wieder zuschaufeln, sind längst nicht alle Fragen beantwortet. Fundstücke wie Keramikscherben, Knochen, Feuerstahl, Schmuck und Messer müssen noch genauer unter die Lupe genommen werden, und im nächsten Jahr will man noch einmal im angrenzenden westlichen Areal graben - sofern es dafür von allen Beteiligten grünes Licht gibt. Die Familie Reil, der das Feld gehört, hat schon ihre Zustimmung signalisiert. Auch Christoph Steinmann vom Landesamt für Denkmalpflege ist überzeugt, dass bei dieser Ausgrabung mehr bewahrt als zerstört wird. "Es geht weiter", zeigte er sich zuversichtlich. Ohne ein Budget, gespeist aus Spenden des Lions-Clubs und der Banken, Zuschüssen von Bezirk und Stadt könne man das nicht durchhalten, gab Bürgermeister Richard Tischler zu bedenken. Kurt Engelhardt, Kreisheimatpfleger für Archäologie, verzichtet bei Vorträgen zugunsten von Spenden auf ein Honorar, und auch der historische Arbeitskreis "Stadtturm" hat jährlich 250 Euro für die Grabung übrig.

20 000 Euro vom Staat

Eine etwas größere Summe hatte nun beim Ortstermin FW-Landtagsabgeordneter Joachim Hanisch im Gepäck: Ihm ist es gelungen, 20 000 Euro aus dem Säckel des Freistaats locker zu machen. "Ich war begeistert von den archäologischen Funden und außergewöhnlichen Exponaten", rechtfertigt er sein Engagement für die Ausgrabung. "Eine einmalige Geschichte, ich habe meinen Augen und Ohren nicht getraut", freute sich Archäologe Losert über den Geldsegen, "das verschafft uns etwas mehr Spielraum".

Hier wird gerade das Skelett eines zehn- bis zwölfjährigen Mädchens freigelegt. Mehr als 1000 Jahre schlummerten die Relikte im sandigen Boden des Naabtals. Bild: bl
Hier wird gerade das Skelett eines zehn- bis zwölfjährigen Mädchens freigelegt. Mehr als 1000 Jahre schlummerten die Relikte im sandigen Boden des Naabtals.
Standardisierte Grabbeigaben für Mädchen und Frauen waren um das Jahr 900 solche Vierpass-Perlen und große Ringe, die als Kopfschmuck dienten. Bild: bl
Standardisierte Grabbeigaben für Mädchen und Frauen waren um das Jahr 900 solche Vierpass-Perlen und große Ringe, die als Kopfschmuck dienten.
 
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