(tu) Dr. Wolf-Dieter Hamperl aus Altemmarkt in Oberbayern hatte einen eineinhalbstündigen Vortrag vorbereitet und untermalte ihn mit reichhaltigem Bildermaterial. Hamperl wurde am 3. Februar 1943 in Zummern bei Haid, Landkreis Tachau, geboren. Durch die Vertreibung kam er am 5. Dezember 1945 mit seiner Familie nach Waidhaus. Seit 1992 lebt er in Altenmarkt an der Alz im Landkreis Traunstein. Als Chefarzt leitete er dort bis zu seinem Ruhestand 2008 die Abteilung der Allgemein- und Bauchchirurgie an der Kreisklinik Trostberg. Er ist darüber hinaus seit Jahrzehnten Vorsitzender des Heimatkreisvereins Tachau mit Sitz in Weiden und hat zahlreiche Pubikationen über seine frühere Heimat verfasst. Darunter befinden sich auch zwei Bände mit 263 Erlebnisberichten über die Vertreibung und Flucht von 1945 bis 1948 sowie ein Werk über verschwundene Dörfer im ehemaligen Bezirk Tachau. Bor ist seit 2003 offiziell Partnergemeinde von Pleystein. In seiner Begrüßung ging Bürgermeister Rainer Rewitzer vor den 50 Teilnehmern auch auf das 15-jährige Jubiläum der Partnerschaft ein.
Dann begann Hamperl seinen Vortrag: "Die Wallfahrt zur 'Schwarzen Muttergottes von Loreto in Haid' am Fest Mariä Geburt am 8. September hat ihren Ursprung in einem der berühmtesten Pilgerorte Europas, in Loreto bei Ancona in Italien", sagte er. Im 15. Jahrhundert entwickelte sich dort ein regelrechter Kult um die „Schwarze Muttergottes zu Loreto“, zu der in zunehmendem Maße Marienverehrer pilgerten, besonders Adelige, die gelobten, eine Nachbildung des „Heiligen Hauses“ in ihrer Heimat erstellen zu lassen.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg, der auch im Egerland verheerende Schäden anrichtete, kam es in Böhmen zu zahlreichen Loretogründungen, so auch in Haid. Die malerische Loretoanlage in Bor wurde 1668 eingeweiht. Sie ist vor allem von der lauretanischen Kapelle geprägt, gestiftet von Isabella Maria Gräfin von Götz, geborene Trcka von der Lippa, und Sigmund Friedrich Graf von Götz, Herr auf Haid. Die Kapelle gehört zu den interessantesten und wertvollsten Sakralbauten Westböhmens und war Jahhunderte lang ein vielbesuchter Wallfahrtsort. Sie steht an einer Kreuzung gegenüber des Schlossturms, in der Mitte eines länglichen Hofes und wird von einem vierseitigen Kreuzgang umschlossen. Die Anlage ist im Grundriss und in den Ausmaßen dem Vorbild von Ancona nachgebaut worden. Die Gnadenstatue ist in Größe und Haltung eine Nachbildung der Marienfigur von Loreto mit 93 Zentimetern Höhe und vemutlich von der Stifterin aus Ancona nach Haid gebracht worden.
Eine dunkle Phase der Wallfahrt von Haid begann mit der Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus dem Sudetenland nach Kriegsende. Die Anlage wurde geschändet und verfiel. Erst nach der „sanften Revolution“ 1989 kamen wieder Wallfahrer zur Kapelle und das Gotteshaus und die arkadenartigen Umgänge mit den wertvollen Fresken wurden in Stand gesetzt. Diese teuere Restaurierung zum Erhalt von wertvollem Kulturgut ist der unermüdlichen Initiative von Dekan Vladimir Born aus Haid zu verdanken. Pleysteiner Privatleute, Vereine und Körperschaften unterstützten seine Bemühungen mit Geldspenden. Das durch Kriegs- und Nachkriegswirren stark beschädigte, ja verwüstete Lorero-Heiligtum mit all seinen Fresken, Statuen, Altären und Kreuzgängen konnte dank des vorbildlichen Einsatzes des im Juli 2016 verstorbenen Geistlichen umfassend saniert und restauriert werden.
Seit einigen Jahren hat die Zahl der Pilger, die im September zum Loretofest nach Bor kommen, wieder zugenommen. Die schätzungsweise 3000 Wallfahrer reisen nicht nur aus Tschechien an, sondern auch aus der Slowakei, aus Deutschland sowie Frankreich. Von Pilgern besucht wird die Loreto-Kapelle allerdings das ganze Jahr über.
Pleystein
09.07.2018 - 11:24 Uhr
Kleine Kapelle, große Geschichte
von Autor TU
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