Von dpa und Sonja Kaute
Es gebe "keine Anhaltspunkte für einen islamistischen Hintergrund", sagte Kriminaldirektorin Sabine Nagel am Sonntag in Neumarkt in der Oberpfalz zur Attacke eines 27-Jährigen auf mehrere Fahrgäste in einem ICE von Passau nach Hamburg. Nach ersten Erkenntnissen seien bisher auch keine Hinweise auf mögliche Mittäter oder Mitwisser aufgetaucht.
Der Tatverdächtige, ein 27-Jähriger, soll am Samstag im mit 208 Fahrgästen besetzten ICE Passau-Hamburg bei Seubersdorf im Landkreis Neumarkt unvermittelt und wahllos mehrere Mitreisende attackiert haben. Als Tatwaffe wurde bei ihm ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von acht Zentimetern sichergestellt.
Der 2014 nach Deutschland eingereiste Verdächtige, der in Syrien geboren wurde und seinen Wohnsitz in einem Mehrparteienhaus in Passau hatte, hatte nach Informationen der Polizei einen Tag vor der Tat seine Arbeitsstelle verloren. Zudem soll er psychisch krank sein.
Zwei Opfer noch im Krankenhaus
Bei der Attacke waren vier Männer aus dem Großraum Regensburg und Passau verletzt worden. Der 27-Jährige habe kurz nach Regensburg im Wagen 5 unvermittelt einen 26-jährigen Mann angegriffen und schwer am Kopf verletzt, sagte Polizeivizepräsident Thomas Schöniger am Sonntag auf einer Pressekonferenz in Neumarkt. Danach habe er einem 60-jährigen Fahrgast Schnittwunden an Kopf und Rumpf und einem weiteren 60-Jährigen ebenfalls Verletzungen zugefügt. Danach sei er in Wagen 4 gewechselt und habe einem 39-Jährigen in den Oberkörper gestochen. Die beiden jüngeren Opfer seien am Sonntagmittag noch im Krankenhaus gewesen, sagte Schöniger. Mehrere Fahrgäste hatten Erste Hilfe geleistet.
Nach dem Halt des Zugs in Seubersdorf seien Streifenbeamte in den Zug gekommen und hätten den Tatverdächtigen unter Vorhalt von Schusswaffen auf den Boden dirigiert. Er habe sich widerstandslos festnehmen lassen. In seiner Hose habe er ein blutverschmiertes Klappmesser gehabt. Etwa 200 Fahrgäste wurden laut Rotem Kreuz bis zum späten Nachmittag in einem Gasthaussaal betreut und verpflegt.
Sachverständiger: Paranoide Schizophrenie
"Die Motivlage des Tatverdächtigen ist nach wie vor unklar", sagte Polizeipräsident Norbert Zink. Erste Einschätzungen deuteten jedoch auf eine psychische Beeinträchtigung hin. Laut einem Sachverständigen, der den Tatverdächtigen bereits untersucht habe, leidet dieser unter einer paranoiden Schizophrenie mit wahnhaften Vorstellungen, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Gerhard Neuhof. Die Schuldfähigkeit des Beschuldigten sei zur Tatzeit aufgehoben gewesen, so Neuhof. Der Mann habe angegeben, sich schon länger von der Polizei verfolgt und am Tattag von dem ersten Opfer bedroht gefühlt zu haben. Deshalb habe der 27-Jährige seiner eigenen Aussage zufolge schon länger ein Messer bei sich getragen. "Es gibt keinerlei Anhaltspunkte für eine andere Motivlage", sagte Kriminaldirektorin Sabine Nagel, dennoch werde in alle Richtungen ermittelt.
Der Tatverdächtige hat die Taten nicht abgestritten. Er wurde bereits am Sonntag einem Ermittlungsrichter vorgeführt, der entsprechend einem Antrag der Staatsanwaltschaft einen Unterbringungsbefehl in einem psychiatrischen Krankenhaus erlassen hat. Aktuell werden ihm zweifach versuchter Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, versuchter Totschlag und vorsätzliche Körperverletzung vorgeworfen. Laut der Kriminaldirektorin war der Tatverdächtige 2020 wegen eines kleineren Betrugsdelikts aufgefallen und rechtskräftig verurteilt worden.
Im Einsatz waren 420 Kräfte der bayerischen Polizei, der Bundespolizei, der Feuerwehr, des Rettungsdienstes und des Katastrophenschutzes. Die ICE-Strecke zwischen Regensburg und Nürnberg wurde erst am Abend wieder freigegeben. Der Einsatz dauerte bis weit in die Nacht hinein. Die Ermittlungen werden vermutlich noch Wochen oder Monate in Anspruch nehmen, hieß es auf der Pressekonferenz.















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