Zehn Jahre vor Beginn des Zweiten Weltkrieges ist Willi Birkner in Münchenreuth, nahe der Grenze zu Sachsen, geboren. Seine Kindheit verbringt er im wenige Kilometer entfernten Grobau. Dort erlebt der Bub auch viele Weihnachtsfeste, die vor allem eins sind: anders, als wir es heute kennen. "Es war ein einfaches Weihnachten", erzählt der mittlerweile 90-Jährige. "Die Eltern haben sich trotzdem immer bemüht, dass es ein schönes Fest wird. Es gab halt nicht so große Geschenke wie jetzt." An sein Blechspielzeug, das er geschenkt bekam, erinnert er sich noch besonders gut: "Das waren kleine Traktoren."
Einen Christbaum gab es auch damals schon. "Das war Tradition", schwärmt er. Seine Augen leuchten. Er freut sich wie ein kleiner junge über diese schöne Erinnerung. Den Baum habe der Vater immer aus dem eigenen Wald mitgebracht. Die Tante, die auch mit Haus gewohnt habe - genau wie die Oma -, schmückte die Tanne dann für das Fest. "Christbaumkugeln kamen hin", beschreibt Birkner. "Ach, da gab es ja noch Lametta", fällt ihm plötzlich ein, und er lächelt.
Auch für das Plätzchenbacken war die Tante zuständig, denn die Mutter musste schon in aller Herrgottsfrüh in den Stall und die Kühe melken, die Schweine und Hühner füttern und sich um ihre acht Kinder kümmern. Die Tante backte derweil Buttergebäck. "Mandelgebäck hatte man noch nicht", sagt Birkner, der selbst später eine Bäckerlehre machte. 49 Jahre lang führte er das Handwerk mit großer Leidenschaft aus - unter anderem in einem eigenen Laden in Stuttgart, bis er schließlich nach Pressath umzog.
Mit dem Weihnachtsfest aus seiner Kindheit verbindet der 90-Jährige außerdem Gänsebraten. "Wir hatten immer zehn Gänse daheim, neun davon wurden verkauft, und eine haben wir selbst gegessen." Mit den gerupften Federn der Tiere füllte die Familie ihr Bettzeug. "Das waren andere Zeiten. Wer würde heute noch Kissen selbst füllen", murmelt der Pressather. Als besondere Nachspeise nach der Gans aß die Familie Eingewecktes vom Sommer. Stachelbeeren oder Heidelbeeren, die die Kinder im Wald selbst pflückten. Ein Highlight für die ganze Familie.
Auch an das Glöckchen, das das Christkind ankündigte, erinnert sich Birkner. Die Bescherung war allerdings nicht an Heiligabend, sondern immer am ersten Weihnachtsfeiertag. "Das war damals so", erklärt er. "Die Eltern gingen am Morgen in den Stall und direkt danach war Bescherung - anders als heute. "Es war eine schöne Zeit, auch wenn wir nicht so viel gehabt haben. Aber wir haben uns gegenseitig geholfen."
Heute backt Birkner - wie seine Tante damals - gerne selbst Plätzchen zu Weihnachten. Auch in der Rente kann er die Finger nicht von Vanillekipferln, Mandelgebäck und Stollen lassen. Für seinen Sohn und die Schwiegertochter hat er extra zwei Kartons voll Plätzchen hergerichtet. Denn das Weihnachtsfest verbringt er auch heuer im Kreise seiner Familie - allerdings ohne Christbaum. "Den habe ich schon lange nicht mehr. Ich brauche keinen."
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