"Die Stadt ist bei jedem Städte-Ranking in Deutschland ganz oben mit dabei. Die Menschen finden hier ideale Voraussetzungen nicht nur für ihre berufliche Entwicklung: Regensburg hat Charme, Kultur und einen hohen Freizeitwert!" Dr. Martin Kammerer kommt aus dem Schwärmen für seine Stadt kaum mehr heraus. Zum einen ist Standortwerbung als Geschäftsführer des IHK-Gremiums Regensburg sein Job. Zum anderen macht die Stadt es dem gebürtigen Weidener mit dieser Aufgabe aber leicht: "Hier wurden in der Vergangenheit einfach viele richtige Maßnahmen realisiert. Denken Sie etwa an die Gründung der Universität und der Fachhochschule. Und an die strategische und durchdachte Wirtschaftsförderung."
Cluster im Fokus
Damit spricht er die Cluster-Politik der Stadt an. Unter Clustern sind - vereinfacht ausgedrückt - Branchen und Industrien zu verstehen, die in Regensburg besonders ideale Voraussetzungen vorfinden und deren Entwicklung auf dem Stadtgebiet optimal gefördert werden soll. Dazu zählen "Life Sciences", IT-Sicherheit, IT-Logistik, Sensorik, Mechatronik und Automation, Elektro-Mobilität, Energie, die Kultur- und Kreativitätswirtschaft und der Gesundheitssektor.
Diese Kompetenzfelder werden im Wesentlichen von bereits vorhandenen Unternehmen geprägt. "Unsere 'Big 7' beschäftigen rund 30000 Menschen", sagt Kammerer und meint damit die Firmen BMW, Continental, Krones, Osram, Infineon, Siemens und die Maschinenfabrik Reinhausen. "Zentral war sicherlich 1986 die Ansiedelung von BMW", hebt er den Automobilproduzenten hervor, um dann doch allgemein zu bleiben: "Im Grunde ist der Boom der Stadt aber Ergebnis aus einem gelingenden Zusammenspiel von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Bürgern." Dabei könne es sicherlich auch einmal schwer fallen, einen Konsens zu finden, gibt er zu und verweist auf ein Scheitern der Pläne zum Bau eine Kultur- und Kongresszentrums bei einem Bürgerentscheid.
Gefragte MINT-Berufe
Keine Trendumkehr
"Die Perspektiven für Arbeitnehmer sind in Regensburg optimal, vor allem in den MINT-Berufen. 215 von 1000 Beschäftigten arbeiten in der Industrie. Das ist ein sehr hoher Wert." Besondere Nachfrage nach qualifiziertem Personal gebe es etwa in der technischen Forschung, in der Entwicklung und Konstruktion, in Produktionssteuerungsberufen und der Automatisierung. Klingt kompliziert, ist aber im Grunde ganz einfach: Die Regensburger Industrie setzt auf Technik, nicht ausschließlich, aber besonders in den genannten Clustern. Und wer hier gut ist, hat gute Chancen auf einen attraktiven Arbeitsplatz in der Boomtown.
Trotz einer auffallend hohen Akademikerquote in den Regensburger Betrieben (siehe Analyse auf Seite 3) benötigt die Wirtschaft momentan aber vor allem gelernte Fachkräfte, Menschen mit Know-how, die praktisch zupacken können.
Alte Klischees werden dabei zusehends über Bord geworfen. "Die Vorstellungen der Unternehmen haben sich mit dem Arbeitsmarkt gewandelt", sagt Wirtschafts-Mann Kammerer, "auch beispielsweise Umschüler und Menschen über 50 haben heute in vielen Betrieben realistische Chancen". Das war nicht immer so, und nicht jedes Unternehmen sei offen für neue Zielgruppen, aber: "Viele Betriebe denken hier um." Aber ein Tellerwäscher avanciert nicht auf direktem Wege zum Betriebsleiter: Ohne entsprechende Kompetenz und Engagement läuft nichts - und so gibt es auch in der boomenden Metropole Arbeitslosigkeit, wenngleich dies bei gerade einmal 2,2 Prozent liegt.
Wie die Menschen in den Betrieben zusammenarbeiten, welche Rücksicht auf familiäre Situation und Lebensplanung genommen wird - auch das ändert sich. Viele Regensburger Unternehmen zeigen sich dabei besonders kreativ, gewähren unkomplizierte Sabbaticals oder richten Stillräume ein, laden den Masseur ins Haus ein oder bieten Homeoffice-Lösungen an. Geschuldet ist dies freilich ebenfalls der Situation auf dem Arbeitsmarkt. Selbst Interessensvertreter Kammerer gibt zu: "Die Firmen mussten und müssen sich ganz einfach etwas einfallen lassen." Auch bei der Arbeitszeit, denn die Regensburger stöhnen angesichts der zermürbenden Verkehrssituation: "Zur Rushhour wird es eng auf den Straßen". Das liegt unter anderem am Ausbau der A3 und dem Nadelöhr Pfaffensteiner Tunnel.
Digitalisierung ist Chance
Eine schöne Stadt, attraktive Jobs, hohe Lebensqualität - und trotzdem: Ist die Entscheidung, sich jetzt einen neuen Job zu suchen und vielleicht sogar nach Regensburg zu ziehen nicht riskant, angesichts erster Eintrübungen am Konjunkturhimmel dank Brexit, Trump & Co.? Vielleicht, so könnte der eine oder andere potenzielle Jobwechsler befürchten, wird die neue Stelle am Hightech-Standort in Zeiten einer digitalisierten Zukunft bald wieder wegrationalisiert? Kammerer jedoch sieht die Entwicklung aus Arbeitnehmersicht sehr positiv: "Etwa 8.200 offene Stellen haben die Unternehmen im vergangenen Jahr an die Arbeitsagentur gemeldet, viele davon sind nicht oder nur sehr schwer zu besetzen. Daran wird auch ein Brexit nichts ändern." Und die Digitalisierung? "Sie wird uns die Arbeit nicht wegnehmen, sondern sie verändern, ihr ein neues Gesicht geben! In Regensburg genauso wie in Straubing, Amberg, Landshut oder sonstwo. Das sagen Studien, die wir in Auftrag gegeben haben.
Karriere schmeckt in Regensburg oft nach MINT, doch nicht ausschließlich. Im Sog der wirtschaftlichen Dynamik entwickeln sich an der Donau Handel und Dienstleistung gleichermaßen positiv. Und auch im Handwerk brummt's. Niedrige Kreditzinsen für Häuslebauer befeuern dabei nach wie vor den Bausektor. "Auf Handwerker warten hier oft besonders spannende Aufgaben", sagt Andreas Keller, der als Bereichsleiter bei der Handwerkskammer auch Kenner der
Regensburger Beschäftigungssituation ist. "Gerade Sanierungen etwa in der Altstadt stellen besondere Anforderungen an das Können des Handwerkers". Und:
"Eine Trendwende sehe ich hier nicht, der Bedarf nach Wohnraum ist in Regensburg anhaltend hoch."
Nicht nur im Bausektor gibt es anspruchsvolle Jobs für Fachkräfte: "Das Regensburger Handwerk bietet praktisch in allen Branchen interessante Perspektiven. Allerdings: "In Regensburg werden Gewerbeflächen knapp". Das ist ein Grund dafür, warum sich Handwerksbetriebe häufig eher im Umland ansiedeln. Regensburg sei aber auch für Handwerker ein Eldorado: "Sie arbeiten da, wo andere Urlaub machen!" Und die Perspektiven? "Als Maurer-Lehrling im dritten Lehrjahr bekommen Sie rund 1500 Euro brutto. Das ist doch schon mal was." Und wer alles richtig macht und ambitioniert ist, der kann früher oder später in Regensburg auch einen Betrieb übernehmen und dann gutes Geld verdienen: "Wir schätzen, dass in den nächsten zehn Jahren ein knappes Drittel der Betriebe einen neuen Chef benötigen wird." Das sind Lebensperspektiven.
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