Regensburg
24.05.2019 - 14:50 Uhr

Bischof Weiss: Der Glaube ist für die Menschen immer weniger plausibel

Der evangelische Regionalbischof in Regensburg Hans-Martin Weiss geht Mitte des Jahres in den Ruhestand. Im Interview spricht er über seine Zeit in der ostbayerischen Diaspora.

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (links) und Regionalbischof Hans-Martin Weiss
Bild: Bistum Regensburg/Jakob Schötz Bild: Bistum Regensburg/Jakob Schötz
Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (links) und Regionalbischof Hans-Martin Weiss Bild: Bistum Regensburg/Jakob Schötz

Von Elisabeth Weiten

Vor 15 Jahren trat der Sulzbach-Rosenberger Dr. Hans-Martin Weiss sein Amt als Regionalbischof in Regensburg an. Nun muss er sein Amt aufgrund seiner Parkinson-Erkrankung niederlegen. Mit Elisabeth Weiden von der Donaupost spricht er darüber, wie er die Herausforderungen seiner Amtszeit angenommen hat, dabei auch in seiner eigenen Landeskirche kein Blatt vor den Mund nahm und welche Rolle die katholische Kirche dabei spielte.

ONETZ: Sie kamen vor 15 Jahren nach Stationen in Erlangen, Bonn, Wien, Bamberg und München nach Regensburg – was waren die größten Herausforderungen?

Hans-Martin Weiss: Der große Pfarrermangel. Da gab es schon ein gewisses Naserümpfen, wenn man Pfarrer aus anderen Kirchenkreisen anwerben wollte. Wenige wollten in die Region hier. Aber das hat sich geändert! Nicht nur, weil wir vor Ort einiges getan haben, um wahrgenommen zu werden. Nein, vor allem auch, weil sich die Region in den vergangenen Jahren stark zu einer attraktiven Kultur-, Wirtschafts-, Natur- und Kirchenregion hin entwickelt hat.

ONETZ: Welche Herausforderungen erwartet der Kirchenkreis Regensburg in den kommenden Jahrzehnten?

Hans-Martin Weiß: Die hohen Austrittszahlen.

ONETZ: Worin liegen Ihrer Meinung nach die Ursachen dafür?

Hans-Martin Weiß: Auf jeden Fall nicht in erster Linie in Fragen wie der Kirchensteuer und den Missbrauchsfällen - die haben oft nur katalysatorische Wirkung. Sie liegen meiner Meinung vor allem darin, dass der Glaube immer weniger plausibel ist für die Menschen.

ONETZ: Woher kommt das?

Hans-Martin Weiß: Ich denke, das hat mit einer zunehmenden materialistischen Weltsicht zu tun. Sehen Sie: Menschen suchen nach Sinn, Trost, Halt – aber die Konkurrenz anderer Plausibilitätsanbieter wie der Medien wird von Tag zu Tag größer. Als ich noch ein Kind war, da sind am Sonntag fast alle Kinder meines Heimatortes um 11 Uhr zum Kindergottesdienst gegangen und nachmittags haben wir beim Nachbarn Jim Knopf und die Wilde 13 geschaut. Die Kirchen hatten damals noch relativ wenig Konkurrenz. Seitdem ist viel Zeit vergangen und die Medien haben deutlich an Einfluss gewonnen.

ONETZ: Dann sind die Medien also der Feind der Kirche?

Hans-Martin Weiß: Nein, verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin auch ein starker Mediennutzer – mein Handy ist mit vielen Apps bestückt. Ich merke aber auch, wie die das staunende Beschäftigt-Sein mit den Medien einen hindern kann, die eigene Wahrnehmung mal mehr selbst zu bestimmen. Manche nehmen von Trump und seinen Konsorten mehr wahr als von ihren Nachbarn. Trump kommt über die Fernsehsteckdose, zur Nachbarin muss man gehen.

ONETZ: In den vergangenen 15 Jahren sind Sie viel unterwegs gewesen in ihrem großen Kirchenkreis. Was haben Sie als Hauptaufgabe Ihres Amtes verstanden?

Hans-Martin Weiß: Zum einen die Verkündigung des Evangeliums – in einer heute verständlichen Weise. Darüber hinaus soll das Amt aber auch in der gesamten Gesellschaft wirken und auch so wahrgenommen werden.

ONETZ: Bei welchen Ereignissen hielten Sie es in letzter Zeit nötig, sich öffentlich zu äußern?

Hans-Martin Weiß: Ich denke hierbei an die Erklärung zum Kreuz, die Bischof Rudolf Voderholzer und ich in der Diskussion um den Kreuzerlass im vergangenen Jahr gemeinsam abgegeben haben. Oder auch die Synagogeneinweihung vor einigen Monaten. Hier haben Bischöfe die Verantwortung für eine öffentliche Stimmung, die sie durch ihre Wortbeiträge beeinflussen können.

ONETZ: In der Erklärung zur Kreuzdebatte haben Sie deutlich Stellung bezogen zu einer gesellschaftlich umstrittenen Frage. So eine Deutlichkeit ist man von der evangelischen Kirche nicht gerade gewohnt.

Hans-Martin Weiß: Da unterscheide ich mich vom evangelischen Mainstream. Hier bin ich auch froh, dass ich im jetzigen Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer einen Partner habe, mit dem man sich inhaltlich kräftig besprechen kann und fair austarieren kann, wozu man sich öffentlich äußern kann und wozu nicht. Wissen Sie: allzuleicht Gewebtes zieh ich nicht gern an – sondern lieber etwas gröberes.

ONETZ: Sind Sie bekannt dafür, dass Sie Ihre Meinung deutlich nach außen vertreten?

Hans-Martin Weiß: Ja schon – und dafür eckt man dann in den eigenen Reihen auch an. Doch ich denke, man muss grundsätzlich wissen, welche Auffassungen man vertritt und inwieweit man dies dann auch öffentlich machen kann.

ONETZ: Was wünschen Sie sich von der Landeskirche?

Hans-Martin Weiß: In der Landeskirche hat es einen ziemlich Wechsel in der vergangenen Zeit gegeben. Ich wünsche mir, dass die nächste Generation kräftig unter die Lupe nimmt, was wir gemacht haben und dann sagt, was ihnen gefällt und was nicht. Ich wünsche mir Klarheit.

ONETZ: An welche Ereignisse erinnern Sie sich besonders gern in Ihrer Amtszeit?

Hans-Martin Weiß: An die Predigt unseres damaligen Landesbischofs Johannes Friedrichs bei der ökumenischen Vesper, die Papst Benedikt während seines Pastoralbesuches im Jahr 2006 gefeiert hat.

ONETZ: Was war das besondere an diesem Erlebnis für Sie?

Hans-Martin Weiß: So etwas hat es lange nicht gegeben. Dass ein evangelischer Bischof bei einem Gottesdienst predigte, dem der Papst vorstand. Für mich war das ein Signal für Frieden.

ONETZ: Was hat sich auf dem Feld der Ökumene hier im Kirchenkreis getan?

Hans-Martin Weiß: Einiges. Gerade im Umfeld des Lutherjahres und der guten Begegnung zwischen meinem Kollegen Voderholzer und mir ist es in ökumenischen Dingen kräftig freundlicher und gelassener geworden.

ONETZ: Wie war das Verhältnis unter seinem Vorgänger, Kardinal Gerhard Ludwig Müller?

Hans-Martin Weiß: Mühsam. Der Kontakt war deutlich geringer.

ONETZ: Sie haben Ihr Amt auch wegen Ihrer Parkinson-Krankheit vor Ende Ihrer Amtszeit niedergelegt. Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

Hans-Martin Weiß: Ich war kürzlich zwei Wochen im Krankenhaus und bin neu eingestellt worden. Das tut gut. Aber der Aufenthalt hat mir auch deutlich gemacht, dass der Rücktritt richtig war. Ich merke, dass ich mehr Zeit für mich brauche. Gerade stressige Situationen sind mittlerweile anstrengender für mich als früher.

ONETZ: Sie werden ihren Ruhestand in München verbringen, wo sie 1990 eine erste Pfarrstelle antraten. Was wollen Sie mit Ihrer neuen Zeit anfagen?

Hans-Martin Weiß: Mein Italienisch verbessern und viel Musik machen. Vor allem möchte ich aber mit meiner Frau viel unterwegs sein.

ONETZ: Ist das trotz Ihrer Erkrankung möglich?

Hans-Martin Weiß: Klar. Wir werden in der Münchener Gegend wandern und Radfahren. Ich fahre liegend Dreirad mit Elektromotor und elektrischer Gangschaltung.

ONETZ: Werden Sie sich auch weiter in der evangelischen Kirche einbringen?

Hans-Martin Weiß: Ja. Möglichkeiten gibt es viele, Anfragen sind schon etliche da. Doch jetzt werde ich erst einmal ein Jahr pausieren, in dem ich auch nicht predigen werde. Auch um in die neue Lebenssituation hineinzukommen. Dabei werde ich auch prüfen, welche Anfragen mir am wichtigsten sind. Eine Veränderung ist aber auf jeden Fall klar: Ich werde mehr Ehemann sein, als ich es in den letzten Jahre gewesen bin. Meine Frau musste oft genug wegen meines Amtes zurückstecken.

ONETZ: Ist Ihnen Ihr Glaube hilfreich in ihrer Krankheit?

Hans-Martin Weiß: Auf jeden Fall. Er erinnert mich daran, woher ich meinen Selbstwert beziehe. Er zeigt mir, dass ich auch mit Makeln und Gebrechlichkeit geachtet werde und etwas wert bin.

Zur Person:

Hans-Martin Weiss

Dr. Hans-Martin Weiss wurde 1957 in Sulzbach-Rosenberg geboren und studierte evangelische Theologie in Erlangen, Bonn und Wien. Nach ersten praktischen Erfahrungen im Lehrvikariat in der Kirchengemeinde Ebersberg (Oberbayern) wurde Weiss am 15. Januar 1984 in St. Michael in Fürth zum geistlichen Amt ordiniert. Im Jahr 1983 ging er als Assistent an die Universität Bamberg und verfasste dort seine Doktorarbeit über ein Thema aus der fränkischen Kirchengeschichte. In den Jahren 1986 bis 1990 war er an der Universität Bamberg zudem als Studentenpfarrer tätig.

Im Jahr 1990 zog Weiss nach München und übernahm die 1. Pfarrstelle an der Himmelfahrtskirche in München-Pasing. Er wurde im Jahr 1999 auf dieser Stelle zum Dekan im neu gegründeten Prodekanat München-West ernannt. Am 1. April 2004 trat Weiss sein Amt als Oberkirchenrat im Kirchenkreis Regensburg an. Er gehört damit zur Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und übt in seinem Kirchenkreis bischöfliche Funktionen aus. Er ist zugleich unmittelbarer Dienstvorgesetzter für die acht Dekane des Kirchenkreises. Im März 2013 wurde er für eine zweite Amtsperiode wiedergewählt.

Hans-Martin Weiss stammt aus einer Kirchenmusikerfamilie und ist mit einer Musikerin verheiratet. Als besondere Hobbies nennt der Theologe das Wandern, Singen und Lesen. „Es ist mir ein besonderes Anliegen, sowohl die Tradition meiner Kirche lebendig zu halten als auch ein Gespür zu haben für das Lebensgefühl der Menschen in der heutigen Zeit, das sich zum Teil von traditionellen gesellschaftlichen und kulturellen Prägungen entfernt hat", sagt Weiss. „Mir liegt auch sehr daran, im ökumenischen Gespräch und Kontakt das Profil der evangelischen Kirche sichtbar und verständlich zu machen und an der Vertiefung der Ökumene mitzuarbeiten."

 
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