Ganz bestimmt ist es ein Zeichen von Vitalität und damit von etwas sehr Gutem, wenn eine Gesellschaft das Sinnvolle zu suchen beginnt - im Schlechten. Und wenn sie, plötzlich konfrontiert mit einer solchen Riesenkrise, Alternativen ersinnt, zum infektionsschutzrechtlich verordneten Daheimbleiben- und Wegduckenmüssen. Und sich die Frage nach dem darin verborgenen Chancenpotential stellt.
So also kann auch der für alle von uns vielleicht etwas in die Jahre gekommene Begriff der "Theaterpremiere" eine höchst wundervolle Neubewertung erfahren, unter den aktuellen Vorzeichen. Zwar blieben am Samstagnachmittag sämtliche Zuschauerplätze im Jungen Theater am Bismarckplatz leer. Trotzdem: Dieser an sich höchst bedauerliche Zustand ist alles andere als gleichbedeutend mit einem Ausfall der Vorstellung. Denn wir können (und das waren dann zu Spitzenzeiten an diesem Samstagnachmittag, an dem kein Bundesligaball rollte und auch kein Biergartentreffen lockte, immerhin rund 330 Zuschauer und damit quantitativ schon mal deutlich mehr, als in den realen Raum gepasst hätten) auf Youtube an der Premiere des Erfolgsstücks von Kristo Sagor teilhaben. Und damit eintauchen, in das, was sich Regisseur Michael Uhl gemeinsam mit Bühnenbildnerin Bianca Leonie Bauer zurecht gelegt hat, in den Wochen des Probens.
Bühne oder Film?
Die ästhetische Aufgabe dieser Inszenierung besteht nunmehr darin, etwas auf die Bildschirme zu zaubern, was zum einen den Bühnenraum in Richtung heimische Benutzeroberfläche erweitert. Zum anderen aber darf dies nicht mit jener künstlerischen Ausdrucksform, die seit Ende des 19. Jahrhunderts "Film" genannt wird, verwechselt werden.
Aber bevor diese formale Frage weiter erörtert wird, schalten wir rüber zum Inhalt. Denn in der Nacherzählung dessen kann ganz nebenbei und en passant darüber berichtet werden, wie dieser Stoff in Szene gesetzt wird.
Patrick, die titelgebende Hauptfigur, ist ein ziemlich vifer Bursche. Einer, der nicht nur Weihnachtspackerl verfrüht öffnet, sondern auch seine Eltern beim Gespräch über den anstehenden Nachwuchs belauscht. Deshalb weiß er jetzt Bescheid. Nicht nur darüber, was das Christkind unter den Baum legt. Sondern auch, dass das Brüderchen, das seine Mama zur Welt bringen wird, nicht sprechen kann.
Gespräche zu Trisomie
Um seinem Dilemma des Halbwissens zu entfliehen, seine Neugier zufrieden zu stellen und sich dem Unvermeidlichen zu fügen, sucht Patrick nach Gesprächspartnern. Und begegnet dabei seinen höchst unterschiedlichen Altersgenossen Daniel und Valentin. Aber auch der Gemüsehändlerin und seinen Lehrern, Herrn Hansen und Frau Schlepper, sowie einem Boxtrainer.
Daraus kann sich Patrick das zusammenpuzzeln, worauf er sich einzustellen hat, angesichts der "Trisomie"-Diagnose. Der klügste Satz kommt dann übrigens aus dem Mund der Gemüsehändlerin. Und der lautet: "Man ist nicht behindert. Man wird behindert!"
Diese Inszenierung, die lediglich auf das feine Zusammenspiel der beiden höchst wandlungsfähigen Akteure Peter Blum und Michael Zehentner vertraut, bezieht gerade aus dem Umstand, dass sie scheinbar Fesseln trägt, ihre Vitalität und Lebensnähe. Denn permanenter Rollenwechsel und stetes Hin und Her erlauben es, dem Zuschauer in einer dreiviertel Stunde das ganze Wirrwarr kindlicher Wahrnehmung und seinen Erkenntnisgewinn vorzuführen. Das ist allerhand. Und sollte eine Einladung sein.
Service
Weitere Vorstellungen sind am Gründonnerstag, 9. April und Samstag, 18. April, um jeweils 16 Uhr sowie Mittwoch, 15. April, um 10 Uhr.
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