Reinhardsrieth bei Waidhaus
24.10.2018 - 08:49 Uhr

"Goaßreitern" und Giftmördern auf der Spur

Zehn Bände an „Waidhauser Geschichte(n)“ veröffentlichte der Heimatkundliche Arbeitskreis (HAK) mittlerweile. Drei Orte der Marktgemeinde kamen jedoch nicht gebührend zu Wort. Ihnen soll der nächste Band gewidmet werden.

Allerhand Kurioses, Amüsantes und beinahe Vergessenes erfahren die Waidhauser Heimatkundler um ihren Chef Andreas Ringholz (rechts) bei einem Abend über die Heimat. Bild: fjo
Allerhand Kurioses, Amüsantes und beinahe Vergessenes erfahren die Waidhauser Heimatkundler um ihren Chef Andreas Ringholz (rechts) bei einem Abend über die Heimat.

Nach Reichenau im Frühling und Hagendorf im Sommer suchten die Heimatkundler zuletzt auch in Reinhardsrieth das direkte Gespräch mit den Einheimischen. Die Gastwirtschaft Hösl konnte die Teilnehmer kaum fassen. Vorsitzender Andreas Ringholz stellte das Projekt vor, bei dem Geschichten und die Geschichte aus den drei Ortsteilen im nächsten Büchlein zusammengefasst werden sollen: „Wobei wir neuere Begebenheiten und Ereignisse berücksichtigen wollen, etwa die Chronik der Anwesen oder zu welchen Änderungen es bei den Besitzern kam.“

Als Basis diente eine von Autorin Anja Puff vorbereitete Häuserliste mit verschiedenen Anmerkungen. Gleich die Hausnummer 1 sorgte für eine Überraschung: „Das Haus wurde um 1800 gebaut und gehörte Theresia und Michael Kandlbauer. In einer Kammer sind noch Reste einer Stuckdecke vorhanden.“ Zur in der Nähe stehenden Kapelle gab es die Information einer Vorläuferin, welche dem Neubau im Jahr 1972 weichen musste.

In Hausnummer 3 habe einst ein echtes Original gelebt: „Der alte Scherer war eisern, er hat sich im Winter mit eiskaltem Wasser gewaschen. Hans Scherer schnitzte gerne Pfeifen mit den Buben.“ Ob es die richtige Medizin fürs Altwerden wahr, schien zweifelhaft: Er war zuletzt blind, konnte sich vor Rheuma nicht mehr rühren und war bettlägerig.“ In der Reihenfolge fehlte die Nummer 5, das „Schuster-Häusl“, es wurde abgerissen. Zur Gastwirtschaft selbst vernahmen die Heimatforscher mit Freude den Hinweis auf lückenlos vorhandene Aufzeichnungen. So ist der jetzige Besitzer, Josef Hösl, bereits in dritter Generation Wirt in Reinhardsrieth. Während des Zweiten Weltkriegs waren bis 1945 Franzosen und Ukrainer einquartiert. Sie wurden im großen Saal untergebracht. Ein Franzose nahm sich eine Frau aus Reinhardsrieth. Dann kamen die Amerikaner, die meist nur Eier wollten, weil sie dachten, mit Eiern werden sie nicht vergiftet. Andere Lebensmittel getrauten sie sich nicht zu essen, die hätten ja vergiftet sein können.

Dazu wusste Karl Nickl noch mehr: Nach Reinhardsrieth hatte man ebenfalls französische Gefangene als Arbeitsgehilfen für die Bauern gebracht. Ihre Unterkunft hatten auch sie im Gasthaus Hösl im Tanzsaal. Auch diese Franzosen wurden bewacht und jeden Tag morgens zur Arbeit zu den umliegenden Bauernhöfen geschickt und am Abend wieder im Saale von einem Posten eingesperrt. Es dürfte sich wohl um etwa 20 Männer gehandelt haben. Der Franzose beim Hirmer, Luis hat er geheißen, war ein recht geselliger Mann und erzählte gern. Aber leider hatte er es nicht so mit den Lernen, er tat sich schwer und so bemühte er sich, aber wurde der deutschen Sprache einfach nicht richtig mächtig. Luis hatte auch immer ein Wörterbuch dabei. Einmal hat er das Wort „maletter“ aufgeschnappt, was „schon immer“ bedeutet. Der Franzose sucht in seinem Büchlein eine ganze Nacht lang. Am nächste Morgen hatte er nicht ausgeschlafen und hat zu Nickl gesagt: „Ganze Nacht haben ich gesucht maletter in Buch, nix gefunden.“

Und noch etwas wusste Nickl von diesem Luis: Dem hatte es eine junge Dame, die Gertrud oder Klara aus dem Dorf angetan. So blieb er schließlich nach dem Krieg hier und hat es tatsächlich noch geschafft, trotz seiner Sprachschwierigkeiten, die junge Frau zu heiraten. „Für die Liab brauchts halt keine Sprach“, wenn man sich auch so versteht. Beide zogen dann in den Osten Deutschlands. Nickl wusste noch, dass die beiden vier Kinder bekommen haben.

Zu dem Anwesen, in dem der Luis eingesetzt war - Lang im Tal - das den Hausnamen „Hirmer“ trägt, erhielten die Mitglieder die Information: „Der Hirmer war Bürgermeister. Von ihm heißt es, der Bürgermeister kann es blitzen und donnern lassen; will heißen: Er hat sich richtig mächtig gefühlt.“ Zur Hausnummer 14 ließ sich nicht nur der Beiname „Öller“ in Erfahrung bringen, sondern auch das Baujahr um 1780, so dass es zu den ältesten Häusern zählt. Das Haus des „Kreuzer-Muxn“ kam nach Leßlohe. Als einmal im Winter viel Schnee war, suchten auch die Hasen nach Unterschlupf. Besonders „beim Muxn“ gingen viele Spuren in den Hof hinein, aber keine Spur führte heraus. Davon erfuhr der Förster und er stellte ihn zur Rede. Darauf der Muxn: „Ja, ja, wenn die hereinkommen, dann hau ich denen so auf die Löffel, dass sie rückwärts wieder hinausrennen.“

In Sichtweite des gesamten Dorfes liegt auf der gegenüberliegenden Seite der „Bergbauer“. Dieser Waidhauser Ortsteil heißt Berghaus, wobei es sich um einen einzelnen Bauernhof mit Gastwirtschaft, Pension und Wanderreitstation in der waldreichen Umgebung am Fuße des Landschaftsschutzgebietes „Sulzberg-Schneeberg“ handelt. Besitzerin Dora Träger hatte viel zu erzählen: So um 1750 hat der Besitzer auch schon Träger geheißen. Er war aber kein Vorfahre unserer Familie. Besagter Träger hatte insgesamt drei Frauen. Die ersten beiden soll er vergiftet haben. Das hatte er wohl auch mit der Dritten vor, die ihm aber zuvor auf die Schliche kam und ihn zur Rede stellte. Daraufhin nahm er sich das Leben und erhängte sich an einer Linde unweit des Anwesens. Darunter soll er von der letzten Frau auch begraben worden sein. Die Witwe verkaufte schließlich den Bergbauernhof und heiratete nach Böhmen.

Das Anwesen ist in vielen alten Urkunden erwähnt, und irgendwo heißt es sogar: „Es ist ein Denkmal für den uralten Traum von Reichtum und Wohlstand.“ Denn es steht im Zusammenhang mit dem Bergbau, der Suche nach Gold und Edelsteinen, sowie der Salzgewinnung. „Die Träger vom Berghaus haben das Wappen der Goaßreiter“, sagte dann Rupert Herrmann. Goaßreiter sei der Spitzname der Reinhardsriether. Es gab sogar einen „Klub der Goaßreiter“. Der von Herrmann noch angegebene Name „Budermilch-Hupfer“ für die Reinhardsriether war aber dann doch allen unbekannt. Herrmann übergab noch entsprechende Anekdoten zur Veröffentlichung fürs Büchlein.

Vom geschichtsträchtigen Berghaus gibt es noch eine historische Aufnahme aus der Zeit um 1930. Bild: fjo
Vom geschichtsträchtigen Berghaus gibt es noch eine historische Aufnahme aus der Zeit um 1930.
Weitläufig und verstreut präsentiert sich der Waidhauser Ortsteil Reinhardsrieth aus der Luft. Ein besonderes Flair trägt die bergige Landschaft ringsum zur reizenden Idylle bei. Bild: fjo
Weitläufig und verstreut präsentiert sich der Waidhauser Ortsteil Reinhardsrieth aus der Luft. Ein besonderes Flair trägt die bergige Landschaft ringsum zur reizenden Idylle bei.
 
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