Melissa liegt auf einer Liege im Tattoostudio „Needles and Pins“ in Runding bei Cham und beißt die Zähne zusammen. Neben ihr sitzt Tätowiererin Nati. Sie sticht ihr eine Tonspur auf den Unterschenkel. Hält Melissa in einigen Stunden ihr Handy darüber, hört sie die Stimmen ihrer Eltern: „Ich wünsch dir immer das Beste, bei allem was du tust“, sagt ihr Vater auf spanisch. „Wir lieben dich ohne Ende“, ihre Mutter. „Ich bin noch so jung. Meine Eltern sind mir sehr wichtig. Sie leben aber in Kolumbien. So kann ich sie hören, wann immer ich will“, sagt die 21-Jährige.
Möglich macht das die App „Skin Motion“ des amerikanischen Künstlers Nate Siggard. Die App wandelt eine Aufnahme in eine Tonspur um, die dann als Tattoovorlage dient. „Man kann sich die Spur vorher anschauen und zum Beispiel verkleinern oder vergrößern“, erklärt Nati. Prinzipiell lasse sich jede Aufnahme mit bis zu einer Länge von 30 Sekunden verwenden. „Aber bei Musik mit viel Bass zum Beispiel sieht die Tonspur nicht schön aus, sondern eher wie ein breiter Balken“, sagt die Tätowiererin. Ist der Kunde mit der Vorlage zufrieden, kommt er damit ins Studio. „Die Soundspur kann einzeln tätowiert werden, oder in ein größeres Motiv eingebaut werden.“ Wichtig sei die Körperstelle. „Es muss eine gerade Fläche sein, damit das Handy das Motiv erkennt.“ Außerdem sollte die Stelle mit der Hand erreichbar sein. „Ich hatte mir eigentlich den Rücken ausgesucht. Aber da kann ich allein das Smartphone nicht darüber halten“, erzählt Melissa.
Jedes Tattoo wird überprüft
Nati trägt selbst ein Soundwave-Tattoo von der Stimme ihres verstorbenen Opas und darüber ein Porträt von ihm auf dem rechten Oberschenkel. Auf dem linken hat sie ein Bild ihrer verstorbenen Oma. „Da suche ich noch nach einer passenden Aufnahme.“ Melissa möchte die Tonspur von ihren Eltern mit einer Blume kombinieren.
Ist das Tattoo fertig, wird ein Foto davon auf der Website von "Skin Motion" hinterlegt. „Dort wird jedes Bild einzeln überprüft. Da das Unternehmen aber in den USA sitzt, kann es bis zu 24 Stunden dauern, bis das Tattoo freigeschalten wird und der Sound über die App abrufbar ist.“ Wird das Tattoo später verändert, muss das Bild aktualisiert werden. „Momentan kann nur der Tattooträger die Aufnahme abspielen. Es soll später aber die Möglichkeit geben, sie für andere freizugeben“, erklärt Nati. Die Aktivierung der App kostet einmalig 33 Euro, danach kann man sich sein persönliches Soundwave-Tattoo ein Jahr kostenlos anhören. Jedes weitere Jahr kostet 8 Euro. Der Preis für das Tattoo variiert je nach Größe und Gesamtmotiv, beginnt aber bei 120 Euro.
Zwei Tattoo-Studios in Bayern
Die 33-jährige Nati sticht seit 2013 Tattoos und seit Dezember 2017 auch die Soundwave-Variante. „Wir bieten sie seit dem ersten Tag an, für den es die Lizenz für Deutschland gab“, erzählt sie. Das „Needles and Pins“ war damals – nach eigenen Angaben – das erste Studio, das die Neuheit aus den USA angeboten hat. „Ich habe davor eine Fernsehreportage über ,Skin Motion' in Amerika gesehen, mich darüber informiert und dann beworben.“ Aktuell ist sie eine von nur zwei Tätowiererinnen in der Oberpfalz, die eine Lizenz haben, Soundwave-Tattoos zu stechen. Die werden nämlich nicht an Studios, sondern an Personen vergeben:„Jeder Tätowierer bekommt einen eigenen Secret-Code. Ohne diesen Code funktioniert die Verknüpfung mit der App nicht.“
Grundsätzlich sei die Nachfrage nach dieser besonderen Art von Körperschmuck mittlerweile groß – es dauere
aber, bis das Tattoo tatsächlich gestochen wird. „Oft ist es nicht einfach, die passende Aufnahme zu finden.“ Dabei sind die Aufnahmen, die sich Kunden tätowieren lassen wollen, sehr unterschiedlich: „Meistens steckt eine Geschichte dahinter: das Bellen von Hunden, Stimmen von Verstorbenen oder die ersten Worte des Kindes“, nennt Nati einige Beispiele. „Einfach Erinnerungen, die man immer dabei haben möchte.“
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