Schlammersdorf
07.07.2021 - 11:27 Uhr

Kleinprojekt erhält Segen: Feier an der "Zeithaltestelle" in Schlammersdorf

Sie soll ein "Ort des Rückzugs, der Stille, des Gedenkens und der Erinnerung" sein, die neue "Zeithaltestelle" in Schlammersdorf. Aber nicht nur der Trauerbewältigung soll sie dienen – sondern auch der Erholung.

Pater Adrian Kugler segnete im Beisein von Bürgermeister Johannes Schmid (rechts) die „Zeithaltestelle“, die bereits im vergangenen Jahr entstand. Pandemiebedingt konnte die Segnung erst jetzt erfolgen. Bild: lgc
Pater Adrian Kugler segnete im Beisein von Bürgermeister Johannes Schmid (rechts) die „Zeithaltestelle“, die bereits im vergangenen Jahr entstand. Pandemiebedingt konnte die Segnung erst jetzt erfolgen.

Es ist schon einige Monate her, dass die „Zeithaltestelle“ fertiggestellt wurde. Infolge der durch Corona ausgelösten Einschränkungen musste die Segnung aber bis jetzt hinausgezögert werden.

Nach einem Vorabendgottesdienst versammelten sich die Kirchenbesucher an der zwischen Gottesacker und Pfarrhof entstandenen Gedenkstelle. Bürgermeister Johannes Schmid begrüßte dazu auch Pater Adrian Kugler und die Mitglieder des Gemeinderats. In seiner Ansprache machte er deutlich, was sich unter den Begriff „Zeithaltestelle“ versteckt, die noch unter seinen Amtsvorgänger Gerhard Löckler mit Unterstützung des Gemeinderats im Zuge des Regionalbudgets als Kleinprojekt im Vierstädtedreieck beantragt und auch genehmigt wurde.

Das Bestreben sei es gewesen, einen Ort des Rückzugs, der Stille, des Gedenkens und der Erinnerung in Schlammersdorf entstehen zu lassen, erläuterte Schmid. Ungestört könne dort Trauer um Menschen, deren Ruhestätte nicht bekannt ist oder deren Gräber nicht besucht werden können, bewältigt werden. Auch um „Sternenkinder“, die nie das Licht der Welt erblickt haben, könne hier getrauert werden.

Darüber hinaus aber solle der Platz nicht nur zur Bewältigung negativer Gedanken dienen, sondern auch ein Platz der Erholung sein, merkte der Bürgermeister an. Nahe der Pfarrkirche sei die perfekte Stelle dafür gefunden und nach Abschluss eines Nutzungsvertrags mit der Pfarrei die Maßnahme begonnen worden.

Dabei sei ein Teil der maroden Friedhofsmauer abgerissen und der kreisförmige Rückzugsort mit Stele geschaffen worden, berichtete Schmid. Die Stelle sei schließlich mit Lorbeerbüschen eingefasst worden. Die Pflanzen hätten zwar im vergangenen Jahr gelitten, doch der Bürgermeister war sich sicher, dass neue Triebe die „Zeithaltestelle“ bald blickdicht umrahmen werden. Die vergangenen Monate hätten bereits gezeigt, dass der Platz von vielen aufgesucht werde.

„Möge die 'Zeithaltestelle' auch dazu beitragen, dass viele Impulse von diesem Ort ausgehen, die den Besuchern in ihrer weiteren Lebensgestaltung irgendwann einmal hilfreich sein können“, sagte der Bürgermeister zum Abschluss. Er bedankte sich schließlich bei allen Beteiligten für die Mitarbeit, durch die eine weitere Aufwertung von Schlammersdorf möglich geworden sei.

Bevor Pater Adrian Kugler das Segensgebet sprach, ging er insbesondere auf die mit Lärchenbohlen und einem Glaselement gestaltete Stele ein. Darauf ist auf seinen Vorschlag hin ein Zitat des Tübinger Professors und Theologen Fridolin Stier zu finden, das aus dessen Tagebuch stammt, in dem er den tragischen Unfalltod seiner Tochter verarbeitet.

Pater Adrian machte deutlich, dass sich Stier bisweilen wie in einem finsteren Verlies vorgekommen sei, wo nur ganz kurz ein Lichtstrahl aufleuchtet: „Aus dem Spalt in der Wand des Alls – in das finstere Verlies, brach plötzlich – o schön! – ein Schein und schwand – Ist vielleicht? Ist irgendwo? Vielleicht ist irgendwo Tag.“

Somit sei, verdeutlichte Kugler, auf der gelungenen Stele beides dargestellt: die Geborgenheit und Heimat in Gott sowie das Dunkel, das Fragen und Ringen, das Zweifeln und Suchen. Der Priester wünschte allen von Herzen, "dass diese Erfahrung immer wieder gemacht werden darf, dass vielleicht irgendwo Tag ist".

"Möge die 'Zeithaltestelle' auch dazu beitragen, dass viele Impulse von diesem Ort ausgehen, die den Besuchern in ihrer weiteren Lebensgestaltung irgendwann einmal hilfreich sein können."

Bürgermeister Johannes Schmid

 
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