THW-Baufachberater wie der Nabburger Dietmar Bleistein (53) begutachten Dächer, die unter den weißen Last ächzen, messen die Schneelasten, um die Gefahr berechenbar zu machen. Das Technische Hilfswerk partizipiert vom beruflichen Know-how seiner Mitglieder. Wer aus der Ingenieurschiene kommt, kann eine Zusatzausbildung zum Baufachberater machen. Der Nabburger THW-Ortsbeauftragte Dietmar Bleistein ist einer von rund 70 Fachleuten in Deutschland, auf die das THW setzt.
Reicht die "normale" Ausbildung nicht aus, um die Belastbarkeit von Dächern zu beurteilen? Dietmar Bleistein verneint das gegenüber Oberpfalz-Medien. Um ein Haus tragfähig zu machen, werden die Bauteile, die Lasten entsprechend berechnet und dimensioniert. Im Schadensfall hat man eine andere Ausgangslage: Bauteile haben versagt, Balken sind angeknackst, Wände eingedrückt: also eine gänzlich andere Situation, um die Resttragfähigkeit zu ermitteln. Das hat viel mit Berechnungsmodellen und Faustwerten zu tun, aber auch mit Erfahrung, die man laut Bleistein nicht im "normalen" Berufsleben bekommt. Ihn führten Einsätze in Erdbebengebiete nach Chile, Haiti und Nepal. Der Architekt erinnert sich an die Schneekatastrophe im Bayerischen Wald oder an nach Bränden einsturzgefährdete Ställe.
Im Raum Berchtesgaden waren Mitte Januar 23 Fachberater aus Bayern und Baden-Württemberg eingesetzt. Dietmar Bleistein und Monika Ferstl waren mit Rudi Hattenhofer vom Ortsverband Landshut unterwegs, mit dem der Nabburger schon so manche Einsätze bestritt. Auf womöglich beschädigten Dächern herumzusteigen, ist nicht ungefährlich, "deshalb geht man eigentlich nie alleine", erläutert Bleistein. Die 23 Baufachberater nahmen etwa 300 Objekte unter die Lupe: Krankenhäuser, Schulen, Rathäuser, auch Hotels und Mehrfamilienhäuser in und um Berchtesgaden. Bei der Berechnung der Tragfähigkeit wurden etwaige Schäden einbezogen, und parallel die Schneelast ermittelt: mit Abwasserrohr und Küchenwaage. Senkrecht wird das Rohr in den Schnee gesteckt, das Gewicht pro Quadratmeter berechnet. Die Resultate werden dann mit der für die Region vorliegenden Schneelasttabelle verglichen.
Daraus leiten sich drei Prioritätsstufen ab. Stufe I: Dach sofort räumen und eventuell evakuieren. Stufe II: Noch kein akuter Zustand, Handlungsbedarf je nach weiterer Wetterentwicklung. Stufe III: noch genügend Resttragfähigkeit. Der Besitzer wird über den Zustand informiert und wann er sich um Entlastung kümmern muss. "Diese Infos sind enorm wichtig," erläutert Bleistein. Zum einen wussten die Hausbesitzer, was zu tun ist, zum anderen wurden die Verwaltungen, die ohnehin an der Belastungsgrenze waren, nicht auch noch mit Anrufen blockiert.
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