Schönsee
25.08.2024 - 09:56 Uhr

Grenzerfahrungen in zwei Jugendzeltlagern am Grünen Band

Sommergäste entdecken das Grüne Band für sich: Sowohl auf der bayerischen als auch auf der tschechischen Seite gibt es zwei etablierte Zeltlager mit ganz eigenem Charakter. CeBB-Leiterin Veronika Hofinger hat sie besucht.

Veronika Hofinger, Leiterin des Centrums Bavaria Bohemia, schildert, wie sich das Grüne Band entlang der bayerisch-tschechischen Grenze mit Leben füllt. Sie schickt voraus: Das Centrum Bavaria Bohemia in Schönsee widmet sich der Interpretation des Europäischen Grünen Bandes, das Regionen verbindet, die einst durch den Eisernen Vorhang getrennt waren. Der kleine Abschnitt Bayern-Tschechien enthält Spuren mehrerer Dutzend untergegangener Dörfer, Glashütten und Glasschleifen. Er ist Lebensraum seltener Tier- und Pflanzenarten, Erholungsort und eben nicht zuletzt ein Ort zum Entdecken und Lernen - wie im Zeltlager.

"Das Grüne Band ist für viele Jugendliche eine neue Erfahrung, eine andere Welt als die ihnen bekannte – erreichbar ohne in die Ferne reisen zu müssen", betont Hofinger. Wie empfinden die Jugendlichen den Aufenthalt an der Grenze? Hofinger hat mit Jugendlichen aus Zeltlagern auf beiden Seiten der Grenze gesprochen – aus dem deutsch-tschechischen Jugendlager von Sojka auf dem Zeltplatz der Sudetendeutschen Jugend in Gaisthal und dem der tschechischen Pfadfinder aus Tachov bei der untergegangenen Siedlung Neufürstenhütte/Nová Knížecí Huť.

Seit 1949 in Gaisthal

Auf eine lange Geschichte kann das Lager im Dorf Gaisthal bei Schönsee zurückblicken. Hier fand 1949 das erste Zeltlager für sudetendeutsche Jugendliche statt, und hier wurde auch das Sudetendeutsche Jugendwerk gegründet. Leiter war Erich Kukuk (1923-1994), der nach seiner Vertreibung aus der Tschechoslowakei in Schönsee lebte, in Oberviechtach arbeitete und zu einer bekannten Persönlichkeit auf dem Gebiet der Jugendbildung heranwuchs. Am anderen Ende Bayerns, vor dem Bildungszentrum der Sudetendeutschen in Bad Kissingen, ist Erich Kukuk ein kleiner Platz gewidmet.

Wie jeden August fand zuerst ein zweiwöchiges deutsch-tschechisches Zeltlager für Jugendliche zwischen 13 und 16 Jahren statt, gefolgt von einem Zeltlager für jüngere Kinder. Die Lagerleitung – ein deutsch-tschechisches Team – schätzt die guten Voraussetzungen des Platzes in der Nähe des malerischen Dorfes Gaisthal, etwa 20 Kilometer von der tschechischen Grenze entfernt, mit Spielplatz, Toren, Tischtennisplatte und Sportgeräten. Der Campingplatz verfügt über ein großes Gebäude, in dem alle bei schlechtem Wetter unterkommen können. Außerdem gibt es Toiletten, Waschräume, einen Süßigkeitenladen und eine perfekte Küche. Untergebracht sind die Teilnehmer in geräumigen zelten für acht Personen mit Holzfußboden und Matratzen.

Nähe zum Nachbarn

Die Anmeldeliste für die tschechischen Teilnehmer füllt sich immer sehr schnell, in Deutschland tröpfeln die Anmeldungen etwas langsamer ein. Viele Kinder kommen aus deutsch-tschechischen Familien, für die der Ferienaufenthalt eine Gelegenheit ist, die selbstverständliche Nähe zum Nachbarn zu erleben. Das Lager hat ein Jahresthema, das durch ein ausgeklügeltes Programm zwei Wochen lang bearbeitet wird. Thema und Programm bereiten die Lagerleiter vor, die an deutschen und tschechischen Universitäten studieren. In diesem Jahr ist das Thema künstliche Intelligenz auch mit dem Thema Datenschutz verknüpft.

Dann ein Schwenk auf die tschechische Seite: Hier wird das zweiwöchige Lager von Pfadfindern aus Tachov organisiert. Die Zelte werden bei der untergegangenen Siedlung Neufürstenhütte / Nová Knížecí Huť aufgeschlagen. Die Umgebung ist menschenleerer, weniger zivilisiert als in Gaisthal – von der ehemaligen Siedlung blieben nur der Dorfteich und ein paar Obstbäume. Ansonsten nur Wiesen und dichte Wälder.

"Sind Extremisten"

„Wir sind Extremisten“, sagt eine der Leiterinnen. Hier stehen indianische Tipi-Zelte, die Kinder schlafen auf Konstruktionen aus Holzstämmen, die mit Seilen umflochten sind, Matratzen gibt es nicht. Gekocht wird in der improvisierten Küche, die jedes Jahr auf- und abgebaut wird. Seit 1993 wird auf dem Gebiet der Ortswüstung Neufürstenhütte gezeltet. Die Kinder dürfen während des Lagers keine elektronischen Geräte benutzen, aber Strom gibt es im Lager ohnehin nicht. Das Lager findet mit einer Sondergenehmigung des Naturschutzgebiets statt. Das Trinkwasser muss in Tanks herbeigebracht werden, um die Hygienevorschriften einzuhalten. Wenn Eltern ihr Kind besuchen wollen, dürfen sie das zwar, aber sie müssen etwa drei Kilometer durch den Wald wandern.

Teil des Lagerprogramms ist ein Ausflug mit Übernachtung an einem unbekannten Ort, bei dem Pfadfinderaufgaben gelöst werden müssen. Die Kinder der Pfadfindergruppen aus Tachov und Černošín sind an diese Art von „Extremismus“ gewöhnt. Sie treffen sich das ganze Jahr über regelmäßig in ihren Klubhäusern, vom Frühjahr bis zum Herbst wandern sie bei jedem Wetter weite Strecken und schlafen im Freien. Im Pfadfinderlager gestalten Natur und Wildnis das Programm.

"Und in was für einer Natur! Wenn man sich dem Lager am Teich auf einem Weg durch den Wald nähert, ist man sich nicht sicher, ob man nicht in Kanada gelandet ist", schwärmt Veronika Hofinger. Wenn die Kinder abreisen, bauen die erwachsenen Pfadfinder das Lager innerhalb von drei Tagen ab, und auf den ersten Blick zeugt nichts mehr von der zweiwöchigen Anwesenheit der Kinder. "Selbst während des Lagers sind die Besucher überrascht, wie wenig Lärm die Kinder machen. Irgendwie schafft es die umgebende Natur hier, Menschen in ihre Ruhe einzubeziehen".

Hintergrund:

Zeltlager an der Grenze

  • Lagerplatz Gaisthal: 1949 von Vertriebenen gegründet, die in der Nähe des Landes sein wollten, das sie verlassen mussten.
  • Pfadfinder im untergegangenen Neufürstenhütte / Nová Knížecí Huť: Es konnte erst nach 1989 gegründet werden, als der Sperrbereich des Eisernen Vorhangs aufgehoben wurde.
 
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