In eine verzauberte Naturwelt an der bayerisch-tschechischen Grenze bei Friedrichshäng entführt das Freilichtspiel "Irrlichter" sein Publikum. Das Geschehen auf der Waldbühne mit einem haushohen bizarren Wurzelwerk als Kulisse und das Bergweber-Haus wurden für das Premierenpublikum am Samstag zu einem faszinierenden Erlebnis. Eine Grenzüberschreitung in zweifacher Hinsicht steht im Mittelpunkt der Handlung. Einerseits werden die Zuschauer in eine phantastische Märchenwelt mit Nebelfrauen, Wichteln, Elfen, Schraten und den vier Elementen mitgenommen, andererseits wird auch die Nachkriegsgeschichte am Eisernen Vorhang in den 1950-er Jahren thematisiert.
Für Seppi - überzeugend gespielt von Sebastian Betz - gibt es diese Grenzen nicht. Aufgewachsen in der Waldabgeschiedenheit und betreut von seiner Familie findet er Zugang zur Welt der Geister und Naturphänomene. Ebenso wie der Holzsammler Buzl (Michael Schwarz) erlebt der behinderte Bauernsohn eine faszinierende Fantasiewelt, die den übrigen Menschen verschlossen ist. In seiner Unbekümmertheit überschreitet er wiederholt die Grenze zur Tschechoslowakei und beschwört eine politische Gefährdung herauf, bis der amerikanische Agent Henesy (Martin Fakler) gegenüber Seppis Eltern (Herbert Spichtinger, Birgit Höcherl) eine Einweisung in ein Heim durchsetzt.
Martin Winklbauers Stück mit politischem Hintergrund wird an authentischem Ort inszeniert. Keine 100 Meter weiter am Eulenberg verläuft die tschechische Grenze, und die asphaltierte Straße, die die motorisierten Zuschauer bis an den Spielort heranführt, hatte einst eine strategische Bedeutung bei der Grenzüberwachung in der Zeit des Kalten Krieges. Um die politische Brisanz der fünfziger Jahre zu verdeutlichen, lässt der Regisseur mit dem Auftritt der Grenzer und der Militärs auch publikumswirksam einen Hotchkiss-Schützenpanzer auffahren, als sich nach einem erneuten Grenzübertritt Seppis die Situation zuspitzt. Der Requisite und dem Bühnenbau, aber auch der Kostümausstattung, der Maske und der Technik mit den faszinierenden Lichteffekten muss höchste Anerkennung gezollt werden, denn der Einsatz dieser Helfer hinter der Bühne trägt wesentlichen zum Erfolg der Inszenierung bei. Das machte auch Spielleiterin Birgit Höcherl deutlich, als sie das Premierenpublikum begrüßte, unter ihm den stellvertretenden Landrat Jakob Scharf und den Deggendorfer Mythenforscher Jakob Wünsch.
Die Sicht auf Menschen mit Handicap und der propagierte Naturschutz lassen Winklbauers Stück auch im fünften Jahr der Inszenierung aktuell erscheinen. Dass sich das Ganze in einem höchst faszinierenden Spannungsverhältnis zwischen Realität und Phantasiewelt entfaltet, ist unterhaltsam und vergnüglich. Auch der Humor kommt nicht zu kurz. Davon lebt auch das Happy End, als sich selbst der eiskalte Agent Henesy nicht der Naturgewalt der Elfe Lea entziehen kann.
Am Freitag, 12. Juli, und am Samstag, 13. Juli, gibt es noch zwei weitere Aufführungen der "Irrlichter". Die Vorstellungen beginnen um 20 Uhr. Ab 18 Uhr können die Besucher aber bereits die Atmosphäre am Eulenberg genießen und sich bei den Klängen der Grenzland-Blaskapelle Dietersdorf mit den Schmankerln am Bergweber-Haus verwöhnen lassen.
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