Hinter den Kulissen am Eulenberg: Eine Helfertruppe ohne Starallüren

Schönsee
10.06.2022 - 12:39 Uhr
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Die Elfe muss zum Friseur, der Wichtel braucht Maske, Montur und Zipfelmütze: Wenn sie gemeinsam auf die Freilichtbühne am Eulenberg treten, haben viele "gute Geister" mit angepackt.

"Wann bitte kann ich jemandem Himbeeren ins Haar flechten?" Die Antwort liegt für Friseurin Claudia Fakler aus Schönsee auf der Hand: Wenn es Zeit ist für die "Irrlichter", für großes Theater auf der Freilichtbühne am Eulenberg bei Friedrichshäng. Lisa Lehner hat dann schon die Wichtelmasken mit Füllwatte ausgestopft und kämpft mit Lampenfieber. Beide stehen sie nie oder nur ganz kurz auf der Bühne, sie gehören zu dem Teil des Ensembles, das hinter den Kulissen wirkt. Und das Heer dieser "guten Geister" ist groß, wenn Ehrenamtliche jährlich gleich zwei Inszenierungen stemmen.

Claudia Fakler und Lisa Lehner, die beiden stehen stellvertretend für eine gigantische Portion Vorarbeit und Nebenjobs von Mäharbeiten auf dem Areal über Bühnenbau bis hin zur Verpflegung der Besucher mit "Schrazlnestern" und "Pascherwürsten". Die beiden sind seit 2007, also von Anfang an, dabei - und hatten doch wie viele Helfer im Hintergrund nie Ambitionen auf die Hauptrolle.

Lieber flechten als sprechen

"Eine Hauptrolle? Das bin ich nicht!", bekräftigt Claudia Fakler, "ich fühle mich ganz wohl, da wo ich bin". Ihr Platz ist vorwiegend hinter den Kulissen, nur bei den "Paschern" mischt sie sich unter das Theatervolk. Seit 16 Jahren stylt sie die Haare der Darsteller, wild für die "Irrlichter", sauberer Scheitel und Zöpfe für die Pascher. "Als ich das erste Mal so viele Zöpfe geflochten habe, hatte ich danach tatsächlich Muskelkater in den Händen", erinnert sich die 56-Jährige. 30 Köpfe, das macht schon mal 60 Zöpfe.

An den Tagen mit Aufführungen für "Irrlichter" ist die Friseurin schon frühmorgens in Wald und Garten unterwegs, um Farne, Zinnkraut, Efeu oder Holunderblüten zur Deko fürs Elfenhaar zu sammeln, hat vielleicht schon die Blüten der Trichterwinde in Wachs getaucht, damit ihre Pracht locker bis zum Abend hält. Mittags dreht sie die ersten Lockenwickler für die Akteure ein. Das Styling ist oft schon Wochen vorher erprobt.

Beim Termin mit Oberpfalz-Medien ist es Miriam Höcherl, die nun zu Demonstrationszwecken eine Elfenfrisur erhält: zwei unregelmäßige Knoten werden seitlich festgesteckt, dann packt die Friseurin das Kreppeisen aus. "Die Haare machen da schon einiges mit", erklärt Fachfrau, deren ganze Familie in die Theaterwelt eingebunden ist. Ob lange oder kurze Haare, sie findet für alles ein Lösung. Letztere ließen sich "gut verwildern", und wer gleich nach der Aufführung manierlich aussehen soll, bekommt eben ein Kopftuch oder einen Hut aus Buchenblättern. Miriam Höcherl hat inzwischen auch viel Grün im Haar, und "Haarspray ohne Ende". Nach einer halben Stunde sitzt das Elfen-Haar. Bei einem Dutzend solcher Wesen hat Fakler im Ernstfall mit Kollegin Kerstin Frank am Aufführungtag bis 20 Uhr gut zu tun. "Da ist der ganze Tag verplant", gesteht die 56-Jährige, die ihre Arbeitsstunden nie gezählt hat.

Ähnlich geht es Lisa Lehner. Damals, 2007, als die ersten Kostüme für "Pascher" erarbeitet werden mussten, das sei schon happig gewesen, erinnert sich die Schneiderin im Team. "Allein die Stoffe zu beschaffen, das waren ja zum Teil mehrere Lagen für die Wichtel", ergänzt Birgit Höcherl, Paschervereinsvorsitzende und Initiatorin des Freilichtspiels. Arbeitslos ist Lisa Lehner aber auch 16 Jahre nach der ersten Premiere nicht: "Da reißt immer etwas auf, wird zu klein oder ist zu groß". Die Pappmasken für die Schrate müssen mit frischem Moos aufgehübscht werden, die Blumenkinder sind neu einzukleiden, die Wichtel brauchen neue Socken. Sobald die Rollen verteilt sind, geht es los.

Strenge "Endkontrolle"

Der Fundus im Schönseer Hutscha-Haus füllt inzwischen zwei Räume. "Manches landet hier, wenn Hausstände aufgelöst werden, aber die Leute früher müssen viel kleiner und schmaler gewesen sein", seufzt Höcherl. Das bestätigt auch die gelernte Schneiderin an ihrer Seite, die inzwischen allerdings in der Endkontrolle bei einer Schönseer Firma arbeitet. Und wie klappt es mit der Endkontrolle beim Theater? "Da sind wir beide ganz streng", erklärt Höcherl. "Nagellack, Papiertaschentücher, modische Brillen Tattoo oder Piercing, das geht gar nicht", macht sie klar.

Perfektion ist gefragt, wenn für "Irrlichter" ein Gesicht mit aufgemalten Feuerzungen geschminkt werden soll, auch das fällt ins Ressort von Lehner, der Hauptverantwortlichen in der Maske, die selbst nie eine tragende Rolle spielen wollte. "Ich bin keine Schauspielerin", meint die 57-Jährige, die auch ohne Auftritt nicht von Lampenfieber verschont bleibt. Denn die Ansprüche sind enorm. Dass einer sich in letzter Sekunde den Schweiß von der Stirn wischt, "das darf nicht passieren", sind sich Lehner und Höcherl einig. Dann geht es sofort ab in die Maske.

"Es war immer schon der Anspruch des Regisseurs, dass jeder mit einer noch so kleinen Rolle in die Maske muss, jeder ist ein Hauptdarsteller", erklärt Höcherl. "Jeder ist gleich wichtig, und das versuchen wir auch als Team zu leben." Auch ein Grund, warum sie durchgesetzt hat, dass Helfer wie Claudia Fakler und Lisa Lehner zumindest bei den "Irrlichtern" ihren Anteil am Schlussapplaus auf der Bühne bekommen. "Mittlerweile gehen sie ohne zu murren", merkt Höcherl mit einem Schmunzeln an und strahlt, gerade wenn sie an unverhoffte Komplimente für ihr Team denkt. "Erstaunlich wie sich der alte Mann den ganzen Text merken kann", hat sie bei den "Paschern" mal zu hören bekommen. Der "Senior" war in Wirklichkeit ziemlich jung - nur eben professionell geschminkt.

Hintergrund:

Ein Heer von Helfern

  • Hinter den Kulissen: pro Spiel etwa 60 Personen für Kostüme, Frisuren, Maske, Verpflegung, Bühnenbau, Kasse und Kontrolle, Musikanten, Küchelbacken, Ticket-Vorverkauf, Feuerwehr, BRK, Geländepflege- und Überlassung durch die Eigentümer, Sonderaufgaben, Licht und Ton (die einzigen nicht ehrenamtlichen Jobs)
  • Saison: beginnt bei dem eingespielten Team etwa sechs Wochen vor der ersten Aufführung
  • Aufführungen: am 2. 8. und 9. Juli um 20 Uhr "Irrlichter" (Geschichte über einen jungen Mann, der sich in eine Fantasiewelt verstrickt), 5. und 6. August "Pascher - die Nacht der langen Schatten" (Drama über Schmuggler-Schicksal an der Grenze)
 
 

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