Schwandorf
03.03.2020 - 17:46 Uhr

Bilanz der Suchtambulanz: "Kampf gegen Windmühlen"

Fast 800 Klienten suchten 2019 Hilfe bei der Schwandorfer Caritas-Fachambulanz für Suchtprobleme. Eine Zahl, auf die Leiter Peter Häusler von zwei Seiten blickt.

Karin Schmittner, Marion Santl, Peter Häusler, Heidi Leitl und Helmut Würzl (von links) bilden das Team der Caritas Fachambulanz für Suchtprobleme in Schwandorf. Bild: Hösamer
Karin Schmittner, Marion Santl, Peter Häusler, Heidi Leitl und Helmut Würzl (von links) bilden das Team der Caritas Fachambulanz für Suchtprobleme in Schwandorf.

"Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust," sagt der Sozialpädagoge Peter Häusler beim Jahres-Pressegespräch am Dienstag. Vielleicht sind es sogar drei. 794 Menschen mit Suchtproblemen suchten vergangenes Jahr Hilfe bei der Fachambulanz, 108 mehr als noch 2018. Das ist der höchste Wert seit 2015. Das spreche einerseits dafür, dass die Ambulanz, die vom Caritas-Diözesanverband wird, im Bewusstsein der Menschen angekommen ist, einen guten Ruf genießt, sagt Häusler. Andererseits zeige der Anstieg, dass die Zahl derjenigen wächst, die mit Alkohol oder Drogen massive Probleme haben. Drittens bringe der Anstieg seine Mitarbeiter an die Belastungsgrenze.

"Kampf gegen Windmühlen", nennt es Karin Schmittner, wenn sie auf die Zahl von 368 Klienten (2018: 336) blickt, die sich wegen ihrer Probleme mit illegalen Drogen an die Ambulanz wandten. "Die einfache Verfügbarkeit" macht die Suchttherapeuthin als einen Grund aus, dass Crystal und andere chemische Drogen, Haschisch, Marihuana und Opiate weiter massiv konsumiert werden. Das Internet dient als einfache Beschaffungsquelle. Unter Jugendlichen verbreitet sich schnell, was angeblich "cool" ist, anturnt. Und: Was so einfach im Netz zu kaufen ist, kann doch nicht verboten, geschweige denn gefährlich sein. Welch ein Irrtum. Neben der Abhängigkeit und Problemen mit der Justiz drohen vor allem Jugendlichen schwere gesundheitliche Schäden. Aber nicht nur junge Leute konsumieren. Erwachsene nutzen Crystal als "Doping", um im Job zu bestehen, stellt Psychologin Marion Santl fest. "Harmlos" ist jedenfalls keine der illegalen Substanzen.

Das ist Alkohol auch nicht, wenn aus der Genuss-Halbe Missbrauch oder Abhängigkeit wird. 307 Klienten mit Alkoholproblemen zählte die Ambulanz, 95 mehr als noch 2018. Dafür gibt's vielleicht einen Grund: Sozialtherapeut Helmut Würzl leitet seit vergangenem Jahr (kostenpflichtige) Vorbereitungskurse auf die "Medizinisch Psychologische Untersuchung" (MPU) in der Ambulanz. Die MPU muss zum Beispiel ablegen, wer seinen Führerschein wieder haben will, nachdem er mit mehr als 1,6 Promille Alkohol im Blut am Steuer erwischt wurde. Oder unter Drogen. Klienten aus diesem Feld machen rund die Hälfte der Teilnehmer aus. Was wenigen klar ist: Auch wer mit illegalen Drogen erwischt wird, ohne gefahren zu sein, muss mit einer Meldung an die Führerscheinstelle rechnen. Die kann eine MPU zur Überprüfung der Fahrtauglichkeit anordnen.

Viele, die zu dem Kurs kommen, haben ein größeres Problem, als sie selbst erkennen können oder wollen. Die Berater der Ambulanz können dann den Weg aus dem Problem weisen. "Ich muss keinen Kurs verkaufen, um Geld in die Kasse zu bringen", sagt Würzl, "wir können uns in Ruhe anschauen, wie groß das Problem ist". Manchem Klienten biete sich so die Chance, noch rechtzeitig "abzubiegen", bevor aus Missbrauch eine Abhängigkeit wird.

Beinahe keine Veränderungen gab es, was die Zahl der Klienten mit Essstörungen (10) oder mit Glückspiel-Abhängigkeit (14) angeht. 54 Angehörige von Suchtkranken suchten Hilfe bei der Ambulanz. Bei 41 Klienten blieb es bei einem Erstkontakt. Für Ratsuchende ist das Angebot der Ambulanz kostenfrei; die Fachleute unterstützen dann beim Kontakt zu den Kostenträgern, wenn etwa eine Therapie in einer Fachklinik notwendig ist.

Die Fachambulanz ist auch in der Prävention aktiv. Zuletzt vor allem auch in der Arbeitswelt. Die Caritas bietet auch in diesem Jahr wieder eine Weiterbildung zum "Betrieblichen Berater für Sucht und psychische Gesundheit" an. Dass Sucht oder Probleme wie Depressionen vor Werkstoren und Bürotüren nicht halt machen, komme langsam in den Unternehmen an, erklärt Marion Santl. Firmen das bewusst zu machen, "das war und ist ein Marathonlauf", erzählt sie. Ein ausgebildeter Berater übernehme eine Art Scharnierfunktion: Als Ansprechpartner in der Firma, der dann den Kontakt zu den Profis der Fachdienste herstellt. "Handeln statt wegschauen", so das Motto.

Kontakt und Öffnungszeiten:

Fachambulanz Schwandorf

Die Fachambulanz für Suchtprobleme Schwandorf (Ettmannsdorfer Straße 2-4) ist unter Telefon 0 94 31 / 998 06 80, beratung[at]suchtambulanz-schwandorf[dot] de, www.suchtambulanz-schwandorf.de für Terminvereinbarungen zu erreichen. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag von 8 bis 12 und 13 bis 17 Uhr, Freitag von 8 bis 15 Uhr. Sprechzeit in Oberviechtach (Pfarramt) montags von 14 bis 17 Uhr, im Krankenhaus St. Barbara Schwandorf dienstags nachmittags (jeweils nach Vereinbarung). Offene Sprechstunde ist in der Schwandorfer Ambulanz jeweils mittwochs in der Zeit von 14 bis 16.30 Uhr. (ch)

 
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