(doz) Markus Nitsch, Chef der Schwandorfer Agentur, wollte bei einer Pressekonferenz am Dienstagvormittag lieber mit einem Erlebnis, statt einer Zahl in seinen Vortrag einsteigen: Vor kurzem habe ihm eine Bekannte erzählt, dass ihre Tochter als Realschul-Jahrgangsbeste ausgezeichnet worden sei. Als die Jugendliche danach gefragt worden sei, was sie denn nun mache, habe diese geantwortet: "Eine Ausbildung." Daraufhin folgten Nachfragen, ob sie sich das gut überlegt habe. Eine weiterführende Schule sei doch etwas für das Mädchen, dann würde sie nicht so ihr Talent verschwenden. Sichtlich geschockt habe die Jugendliche ihre Eltern gefragt, ob sie eine falsche Entscheidung getroffen habe. Nitsch sieht in dieser Anekdote einen gesellschaftlichen Trend, mit dem vor allem die Unternehmen zu kämpfen haben.
Denn nach wie vor gibt es im Zuständigkeitsbereich der Agentur für Arbeit Schwandorf viel mehr Ausbildungsstellen (4991) als Bewerber (2650). Die Schere ist in den Bau- und Baunebenberufen am größten. 694 Stellen stehen 155 Bewerber gegenüber. Aber auch anderen Branchen ergeht es nicht besser: In den Metall-, Maschinenbau- und Fahrzeugtechnikberufen gibt es bei 817 Stellen nur 469 Bewerber, in den Waren- und Dienstleistungsberufen 874 Stellen und 337 Bewerber. Trotz dieser Zahl sprachen Nitsch sowie Hans Schmidt, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, und Ralf Kohl, Bereichsleiter der Industrie- und Handelskammer Regensburg, unisono von einem "positiven Trend", was die Jugendlichen betrifft, die eine Ausbildung beginnen. Waren es 2016 "nur" 9530, ist diese Zahl 2017 auf 9589 gestiegen. Zwar nur ein Plus von 0,6 Prozent, allerdings ein erster Aufwärtstrend seit 2008, seitdem diese Zahlen ständig rückläufig waren.
In den vergangenen Jahren nahezu unverändert blieben laut Nitsch die beliebtesten Ausbildungsberufe. Bei den Männern rangieren KfZ-Mechatroniker, Industriemechaniker und Mechatroniker auf den ersten drei Plätzen, bei den Frauen medizinische Fachangestellte, Kauffrau und Industriekauffrau. Der Agentur-Chef betonte allerdings, dass Frauen für den Handwerksberuf nicht weniger geeignet seien als Männer. Er erklärte: "Wenn wir uns weiter wirtschaftlich erfolgreich entwickeln wollen, werden wir das Potenzial der Mädchen nutzen müssen."
Auch das Potenzial der Flüchtlinge hätten viele Firmen erkannt. Mittlerweile sind im Agenturbezirk 785 in einer Ausbildung, alleine in diesem Jahr haben 352 Geflüchtete eine Lehre gestartet. Dringend benötigte angehende Fachkräfte. Hans Schmidt von der Handwerkskammer betont: "Das Handwerk brummt. Wir haben eine gute wirtschaftliche Auslastung." Allerdings wirke sich der Mangel an Arbeitskräften als Wachstumsbremse aus. Viele Firmen würden gerne Personal einstellen und mehr Aufträge annehmen, können das aber derzeit nicht. Nicht zuletzt deswegen wurden Unternehmer in den vergangenen Jahren kreativ und lockten mit freien Brezen im Bäckerhandwerk bis hin zur Unterstützung beim Führerschein. Dieses Engagement bei der Akquise von Lehrlingen mag ein Grund für den Anstieg der Auszubildenden sein. Ralf Kohl von der IHK führt das aber auch auf Kampagnen wie "Elternstolz" (Eltern erzählen von ihrem beruflichen Werdegang) und "Ausbildungs-Scouts" (Auszubildende stellen ihre Berufe in Schulen vor) zurück. Agentur-Chef Nitsch jedenfalls wirbt dafür, dass junge Menschen eine Lehre starten: "Eine Berufsausbildung ist die beste Gewähr, nicht in die Arbeitslosigkeit abzurutschen."













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