Luftbeobachter aus Nittenau warnt: Deutschland braucht Löschflugzeuge

Schwandorf
16.08.2022 - 09:31 Uhr
OnetzPlus

Beim Waldbrand in Sachsen müssen Löschflugzeuge aus Italien und Schweden aushelfen. Ein erfahrener Pilot aus dem Landkreis Schwandorf sieht dringenden Handlungsbedarf in Deutschland.

Die vergangenen Tage und Wochen haben es gezeigt: Auf die Oberpfalz und ganz Deutschland kommen in Sachen Hitze, Trockenheit und Waldbrandgefahr neue Herausforderungen zu. Das Thema treibt Michael Goldhahn um. Der Nittenauer ist seit seiner Jugend leidenschaftlicher Flugzeug-Pilot, langjähriger Flieger bei den Waldbrand-Luftbeobachtern am Stützpunkt Cham und Gründer der Deutschen Löschflugzeug-Rettungsstaffel (DLFR). "So kann es nicht weitergehen", sagt Goldhahn. Er appelliert eindringlich an die Politik, den Kauf und Betrieb von Löschflugzeugen für das gesamte Bundesgebiet zu organisieren.

Bayern setzt auf Hubschrauber

Äußerungen der Spitzenpolitiker zu diesem Thema kann Goldhahn nicht nachvollziehen. Erst am Freitag, 5. August 2022, hat der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) der Anschaffung von Löschflugzeugen eine Absage erteilt. "Wir setzen hier in Bayern auf Hubschrauber anstelle von Löschflugzeugen", heißt es in einer Pressemitteilung des Innenministeriums. "Hubschrauber haben den Vorteil, dass sie Löschwasser sehr exakt ausbringen oder Bodenmannschaften punktgenau mit Löschwasser versorgen können." Anders als Löschflugzeuge seien Hubschrauber auch in der Lage, Wasser aus vergleichsweise kleinen Gewässern aufzunehmen. Für den Löscheinsatz per Hubschrauber stünden laut Herrmann an 18 Standorten in Bayern jederzeit rund 50 staatlich beschaffte Löschwasser-Außenbehälter mit bis zu 5000 Litern Fassungsvermögen bereit, die im Brandfall von Flughelfergruppen an einen Hubschrauber angehängt und am nächstgelegenen Gewässer befüllt werden können. Ähnlich äußerte sich am Montag, 8. August, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

Eine Haltung, die der Experte aus Nittenau nicht nachvollziehen kann. Denn der Einsatz von Hubschraubern sei im Vergleich zu sogenannten "Single Enginge Air Tanker" teuer. "Ein Hubschrauber vom Typ NH 90 kostet mehr als 50 Millionen Euro. Ein Löschflugzeug vom Typ Airtractor etwa drei Millionen Euro", sagt Goldhahn. Der Helikopter trage maximal 2000 Liter Löschwasser, der Airtractor 3300 Liter. "Die Betriebskosten des Löschflugzeuges betragen dabei nur einen Bruchteil der Kosten des Hubschraubers." Das Wasser nehme der Airtractor nicht etwa im Tiefflug über Seen oder Flüssen auf, sondern innerhalb von zwei Minuten durch Druckbetankung am Flugplatz. "Wir haben das in vielen Übungen ausprobiert. Die Betankung können Feuerwehren mit B-Schläuchen vornehmen."

Zweckverband gründen

Goldhahn sieht Löschflugzeuge als Ergänzung zum bestehenden System mit Hubschraubern. Ginge es nach ihm, sollten mindestens drei Flugzeuge in der Mitte Deutschlands stationiert werden. Sie könnten dann binnen zwei Stunden an jedem Einsatzort in Deutschland sein. Auf lange Sicht plädiert er für sechs bis acht Flugzeugen an zwei Standorten. Dafür sei politischer Wille nötig und die Klärung der Finanzierungsfrage. Goldhahn sieht hier Bund, Länder und auch die Kommunen in der Pflicht. Eine Löschflugzeugstaffel sollte seiner Ansicht nach nicht privat betrieben werden. Deshalb schlägt er die Gründung eines Zweckverbands oder einer gemeinnützigen GmbH vor.

Unterdessen dauert der Löscheinsatz in den Wäldern der Sächsischen Schweiz an. Seit mehr als zwei Wochen kämpfen dort und im benachbarten Böhmen mehr als 1000 Einsatzkräfte gegen Flammen und Glutnester in unwegsamen Waldgebieten an. In der vergangenen Woche waren zwei Löschflugzeuge aus Italien vom Typ Canadair CL-415 im Einsatz, sie wurden aber nach einem Tag wegen Eigenbedarfs der italienischen Behörden wieder abgezogen. Als Ersatz kamen dann zwei Flugzeuge (Airtractor) aus Schweden.

Bayern setzt bei der Waldbrandbekämpfung neben Hubschraubern auf die Luftbeobachtung zur frühzeitigen Erkennung von Gefahren und das dichte Netz der Freiwilligen Feuerwehren. Die Luftbeobachtung mit rund 300 ehrenamtlichen Piloten, über 150 Flächenflugzeugen und fünf Hubschraubern sowie rund 250 aktiven Luftbeobachtern trage dazu bei, dass Brände früh erkannt und Schlimmeres verhinderte werde, zitiert die Pressemitteilung Innenminister Herrmann.

Hintergrund:

Löschflugzeuge

  • Hubschrauber: In der Oberpfalz waren in den vergangenen Tagen Hubschrauber der Polizei an Löscheinsätzen beteiligt. Die Hubschrauber nehmen Wasser in sogenannten Außenlastträgern aus Seen, Weihern, Flüssen oder gefüllten Bassins auf. Etwa 2000 Liter Wasser können so über Feuer transportiert und abgeworfen werden: Die Polizeihubschrauberstaffel Bayern verfügt über acht Helikopter an zwei Standorten.
  • Flugzeuge: Es gibt mehrere Flugzeuge, die für Löscheinsätze entwickelt wurden - unter anderem die Dromader M18 oder den Airtractor. Diese beiden Flugzeuge können an einem Flugplatz von der Feuerwehr in weniger als zwei Minuten mit bis zu 3100 Litern Wasser betankt werden. Bei der Canadair CL-415 handelt es sich um ein amphibisches Löschflugzeug, das bis zu 6000 Liter Wasser beim Überflug eines Gewässers aufnimmt. Deutschland hat bisher keine Löschflugzeuge.

Das Bild "Airtractor AT802" ist unter dieser Lizenz verfügbar

 
 

Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.