Schwandorf
03.02.2020 - 11:36 Uhr

Prozess wegen eines Fahrrads auf Abwegen

Ein Fahrrad kann bisweilen wundersame Wege zurücklegen. Nicht nur auf seinen beiden Reifen, sondern auch quer durch die Akten von Polizei und Justiz. Das bedarf gerichtlicher Klärung. Auch wenn das Bike nur geringen Zeitwert hat.

Versuchte Selbstjustiz kann das Gericht nicht dulden. Bild: Volker Hartmann/dpa
Versuchte Selbstjustiz kann das Gericht nicht dulden.

Zwei Polizisten führten den Mann in Fußfesseln vor. Nicht wegen des Fahrraddiebstahls. Der Mann sitzt momentan eine fast einjährige Haftstrafe wegen Computerbetrugs ab und musste aus dem Gefängnis vor die Schwandorfer Amtsrichterin Bücherl gebracht werden. Großer Aufwand wegen eines eher kleinen Schadens. Man erfuhr, dass der 36-Jährige im September 2018 einen Freund in Schwandorf aufsuchte, um Geld beizutreiben. Der Schuldner war nicht da. Er befand sich zu diesem Zeitpunkt im Gefängnis. Von dort aus stellte er später Strafantrag. Denn weil er ihn nicht antraf, hatte der 36-Jährige das Rad seines Kumpels mitgenommen. Einen Tag später wurde es an einen Interessenten für 50 Euro verhökert. Was folgte, war eine vom Zufall gefügte Laune des Schicksals. Denn beim Käufer des Bikes fand längere Zeit danach eine Hausdurchsuchung durch die Polizei statt. Die Beamten filzten auch den Keller, fanden mehrere Fahrräder und entschlossen sich zu einer Öffentlichkeitsfahndung. Bilder erschienen in der Zeitung. Darauf war auch das geklaute Rad zu sehen. Das wiederum nahm eine Freundin des Bestohlenen zur Kenntnis. Der Rest formte sich zur Routine für die Exekutive. "Wenn Schulden nicht beigetrieben werden können, gibt es die Justiz", sagte Richterin Bücherl später in ihrem Urteil. Statt Geld einfach ein Fahrrad mitzunehmen, könne nicht angehen, tadelte sie und wurde beim Blick in die Akten darüber informiert, dass bei dem 36-Jährigen schon einmal eine gewährte Bewährung widerrufen worden war. Das machte die Entscheidungsfindung schwierig. Vier Monate Haft zum Absitzen verlangte Staatsanwältin Julia Weigl. Das war der Richterin doch etwas zu hoch. Sie verhängte drei Monate, gab Bewährung und setzte 500 Euro Geldauflage gegen den Dieb dazu. So kommt es nun, dass der Schwandorfer seinen Gefängnisaufenthalt nicht verlängern muss. Im April setzt man ihn auf freien Fuß.

 
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