Schwandorf
01.09.2019 - 15:09 Uhr

"Sauerkraut" nicht ohne Plastik

Gemüse reift schneller unter Folien. Unter der Haut aus Kunststoff lässt sich Grünfutter auch ohne ein teures Hochsilo konservieren. Bleibt das Müllproblem. Dabei gibt es längst klare Wege für die Entsorgung.

Fast könnten die runden Formen unter Stretch-Folie als Kunstwerk durchgehen. Doch hin und wieder bleiben die von der Landwirtschaft abgepackten Produkte auch als Müll in der Landschaft zurück. Bild: bl
Fast könnten die runden Formen unter Stretch-Folie als Kunstwerk durchgehen. Doch hin und wieder bleiben die von der Landwirtschaft abgepackten Produkte auch als Müll in der Landschaft zurück.

Nimmt das Müllkraftwerk in Schwandorf auch Silofolie zum Verbrennen an? Diese Frage kam kürzlich aus dem Gremium der Mitglieder im Zweckverband Müllverwertung auf den Tisch. Im Prinzip schon, falls Kapazitäten da sind, lautete die Antwort von Landrat Thomas Ebeling, der dabei auch klarstellte, dass Verwertung Vorrang vor Verbrennung hat. Und noch ein schlagkräftiges Argument hatte er gegen die thermische Behandlung parat: den Preis.

350 Euro kostet eine Tonne Silofolie, wenn sie beim Schwandorfer Müllkraftwerk angeliefert wird. Die Landwirtschaft unterliegt dabei der Gewerbeabfallverordnung. Verpflichtend ist die Abnahme des Mülls für den Zweckverband nicht, schließlich ist er primär für den privaten Hausmüll zuständig. Und ideal fürs Müllkraftwerk ist die "hochkalorische" Zufuhr auch nicht. Weil das Heizwerk auf Hausmüll ausgerichtet ist, bedeutet so eine Kunststoff-Lieferung weniger Durchsatz: Im gleichen Zeitraum, der für eine Tonne Folie benötigt wird, könnten drei Tonnen Hausmüll verbrannt werden. Die Mitarbeiter im Kraftwerk weisen ebenfalls darauf hin, dass es kostengünstigere Möglichkeiten gibt, um die gebrauchten Kunststoff-Schichten loszuwerden - vorausgesetzt die Folien sind besenrein und sortiert.

Eine mögliche Adresse ist die Lober GmbH & Co. Abfallentsorgungs-KG in Neunburg. Sortiert und besenrein kostet dort die Anlieferung von Silofolie bei Mengen über 200 Kilogramm pro Tonne 85 Euro, kleinere Portionen werden für eine Pauschale von 18 Euro der Wiederverwertung zugeführt. Wer allerdings unsortierten Kunststoff aus der Landwirtschaft bringt, muss mit 270 Euro pro Tonne rechnen, so Christopher Wenzel von der Firma Lober auf Nachfrage von Oberpfalz-Medien. Trotz der Entsorgungskosten werden zunehmend mehr Folien aus der Landwirtschaft angeliefert, hat er festgestellt.

Sammeltermin

Eine weitere Möglichkeit zur Wiederverwertung läuft über die Baywa, die dazu eigens Sammeltermine anberaumt: Am 18. und 19 September darf am neuen Baywa-Standort in Wernberg angeliefert werden, was sich an Silofolien oder Stretch-Folien für Rundballen als Abfall in der Landwirtschaft angesamelt hat. "Das läuft über den Industrieverband", berichtet Joachim Rauschert, Baywa-Verkaufsleiter Agrar für Ostbayern-Nord. Kostenpunkt: 95 Euro pro Tonne für das besen- und sortenreine Material. "Daraus entsteht dann Granulat, das wiederverwertet wird und nicht als Mikroplastik im Meer landet", ist er zuversichtlich und fügt hinzu: "Die Bevölkerung sollte informiert werden, dass unsere Landwirte sauber arbeiten."

Die Zeiten, als Düngersäcke aus Plastik auf den Feldern einfach kurzerhand verbrannt wurden, sind vorbei, meint Michael Herrmann, Geschäftsführer bei "Raiffeisen Ware" mit Sitz in Schönsee, Weidenthal und Fensterbach. Er bemüht sich für 2020 um einen eigenen Sammeltermin für gebrauchte Folien, der wahrscheinlich vor allem für den östlichen Landkreis zentral sein soll. Er berichtet von wiederverwendbaren Big-Bags, die den Plastiksack ersetzen oder von loser Ware beim Dünger.

Auch für Pflanzenschutzkanister gebe es inzwischen Rücknahme-Systeme, doch generell vermeiden ließen sich Folien in der Landwirtschaft kaum. "In Weihenstephan und anderswo wird über umweltfreundliche Silage-Möglichkeiten geforscht, aber bisher gibt es noch keine vernünftigen Alternativen", weiß der Fachmann. Sicherlich sei die thermische Verwertung wegen der entfallenden Reinigung der Folien manchmal bequemer, räumt der Geschäftsführer des Bauernverbandes im Landkreis, Josef Wittmann ein und verweist auf die Initiative ERDE, die sich um eine Verwertung kümmert (siehe Info-Element). "Früher gab es Hochsilos, aber da wurde viel Strom benötigt, um das Grünfutter reinzublasen" vergleicht der die Umweltbilanz. Heutzutage setzt man auf Fahrsilos: Areale mit oder ohne Dach, auf denen das Grünfutter festgewalzt wird, um dann wie gestampftes Sauerkraut unter der schützenden Kunststoffschicht zu gären.

Perfekt verpackt

"Es ist wichtig, dass das alles gut verpackt ist, sonst verdirbt das Futter", sagt Wittmann. Damit das Paket an fermentiertem Futter nicht zu heiß wird, verwendet die Landwirtschaft weiße Folie. Keineswegs zur Tarnung, sondern als Schutz vor Vögeln kommt oft noch ein grünes Gitternetz über die Ladung. Das gilt auch für die Silage, die in Ballen gelagert wird. Mehrere Lagen Stretch-Folie pressen das Futter zu platzsparenden Einheiten, die dann mit Frontlader oder Silozange einfach zu transportieren sind - oder auch mal in der Landschaft vergessen werden.

Für die Frage, ob in Sachen Folie "ein ordnungsgemäßer Gebrauch" vorliegt, ist das Landratsamt zuständig. Entdecken beispielsweise Spaziergänger so eine Ladung Plastik in Wald oder Feld, dann erfolgt laut stellvertretendem Pressesprecher Franz Pfeffer zunächst eine Kontaktaufnahme mit der Landwirtschaftsverwaltung. Handelt es sich tatsächlich um Müll, dann greift das Abfallrecht. "Der Eigentümer wird aufgefordert, dass Material zu entfernen", berichtete Pfeffer, andernfalls mit einer "Ersatzvornahme" gedroht. Der "Störfaktor" ist dann schnell weg, weiß man beim Landratsamt. "Wenn wir über Geld reden, wird es auch gemacht."

Info:

Erntekunststoffe Recycling Deutschland (ERDE)

ERDE: Hinter dieser Abkürzung verbirgt sich ein Rücknahmekonzept für Erntekunststoffe in Europa. Da in der Landwirtschaft große Mengen Silagestretchfolien, Flachsilofolien, Unterziehfolien und anderer Kunststoffprodukte eingesetzt werden, haben Mitglieder der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen die Initiative für den Umweltschutz ergriffen. Jeder Hersteller oder Erstvertreiber von Folien, der den deutschen Markt beliefert, kann dort Mitglied werden Und wer die Produkte nutzt, kann sie an Sammelstellen abgeben.

Vor allem im Frühjahr oder Herbst fragt sich mancher Spaziergänger, ob so manches Futter unter Folie nicht längst zum Müllproblem geworden ist. Bild: bl
Vor allem im Frühjahr oder Herbst fragt sich mancher Spaziergänger, ob so manches Futter unter Folie nicht längst zum Müllproblem geworden ist.
Illegale Müllentsorgung, vom Winde verwehte Reste oder noch brauchbare Abdeckung? Manchmal ist das gar nicht so einfach zu entscheiden. Für die Entsorgung allerdings gibt es klare Regeln. Bild: bl
Illegale Müllentsorgung, vom Winde verwehte Reste oder noch brauchbare Abdeckung? Manchmal ist das gar nicht so einfach zu entscheiden. Für die Entsorgung allerdings gibt es klare Regeln.
 
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