BH und Bio, geht das denn? Nicht nur umweltbewussten Frauen stellt sich diese Frage. Solch ein Kleidungsstück besteht schließlich aus mehreren Komponenten, vom PU-Schaum über unterschiedliche Stoffe bis hin zu elastischen Trägern und Häkchen aus Metall. Es gibt auch einen Mann, der von Berufs wegen über dieses Thema nachdenkt.
Julian Mühlmeier von der Firma Mühlmeier Bodyshaping möchte die Produktion von BH-Schalen und die Betriebslogistik komplett nachhaltig umstellen. Der 29-jährige Juniorchef hat in Schweden seinen Master im Studiengang Management für Nachhaltigkeit gemacht und weiß, dass die komplexen Vorgänge in der Weltwirtschaft nicht leicht von heute auf morgen Richtung Ökologie gelenkt werden können.
„Die Welt befindet sich in enormen Veränderungsprozessen. Das bietet dem, der sich darauf einlässt, tolle neue Chancen und Marktinnovationen“, erklärt er sein Ansinnen, die Welt über ein neues Herstellungsverfahren seiner Produkte ein kleines Stück besser zu machen. Corona habe der Firma zum Glück wenig geschadet, freut er sich. „BHs sind krisensicher.“
Julian Mühlmeier hat für seine unternehmerische Zukunft erfahrene Unterstützung: Die Verantwortung für die Firma, die sich schon zu Großvater Alwin Mühlmeiers Zeiten mit Knöpfen und Mode-Accessoires auf dem Weltmarkt etablierte, tragen drei Männer. Julians Vater Roman Mühlmeier (70), der mit Schulterpolstern den Durchbruch schaffte, ist Inhaber und Geschäftsführer. Als zweiter Geschäftsführer und Vertriebsleiter steht Tamás Bödöcs (52) zur Seite. Die Power der Jugend ergänzt die Gelassenheit des Alters: für den Newcomer Julian Mühlmeier der ideale Weg zur neuen Firmenphilosophie.
„Modern workplace“-Konzepte, erzählt der junge Chef, seien aus Corona-Zeiten geblieben mit neuen Arbeitsmodellen wie Homeoffice und flexiblen Arbeitszeiten. "Die Mitarbeiter sollen sich wohl, informiert und dazugehörig fühlen“, erklärt Julian Mühlmeier.
Doch nicht alles ist eitel Sonnenschein beim europäischen Marktführer für Bra-Cups. Besonders seit Corona behält Mühlmeier die internationalen Märkte und politische Entwicklungen wachsam im Auge. China zum Beispiel, wo die Oberpfälzer Firma ein Büro in Shanghai unterhält, habe sich verändert. Nun setze man lieber auf Europa und notwendige Veränderungen für zukunftsfähiges Wirtschaften. „Nachhaltigkeit“, das Wort mag Julian Mühlmeier nicht. Da stecke viel mehr drin, als es aussage. Sein Ziel ist Kreislaufwirtschaft – ökologisch, ökonomisch und sozial.
Für den 29-Jährigen gehört demokratisches Denken und Handeln zur Firmenphilosophie. Er hat die Firma mit dem Business Council for Democracy vernetzt und den Mitarbeitern digitale Workshops zum Thema „Demokratie heute“ über ein Bundesprogramm angeboten.
Doch zurück zum Bio-BH. Ihm begegnet Mühlmeier mit recycelten sowie recycelbaren Materialien auf Bio-Basis. Mit Erfolg, sagt er: Weltweit kann Mühlmeier seinen Kunden eine BH-Schale offerieren, die ökologisch verträglich ist, auch wenn sie ausgedient hat. Die jungen Firmen seien dafür aufgeschlossen, freut er sich. Nur gibt es wie so oft ein Manko: „Jungunternehmer haben das Geld nicht zum Umsetzen, Großkonzerne haben oft keine klare Strategie.“ Das seien Prozesse in der Modebranche, die vier oder fünf Jahre dauern.
„Ein BH ist leider kein T-Shirt, das aus bioabbaubarem Tencel hergestellt wird und fertig“, seufzt der junge Mann, der gern das Perpetuum Mobile für Nachhaltigkeit erfinden würde. Sein Ziel in der Produktion kommt einer Welt ohne Müll nahe: „Wir versuchen gemeinsam mit den Kunden, einen Weg zu finden und beraten diese. Wenn das was bringen soll, muss das gesamte Produkt recycelbar oder biologisch abbaubar sein.“ Bei Mühlmeiers Produkten hieße das, einmal durch den Schredder und zum neuen Garn, aus dem ein neuer BH entstehen kann. Wenn das eines Tages dauerhaft und überall funktioniert, wäre Julian Mühlmeier dem Kreislaufideal sehr nahe gekommen.
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