Speichersdorf
30.03.2021 - 16:06 Uhr

Speichersdorfer Gläubige nähern sich jeden Mittwoch Gottes Tisch

"Auf dem Weg", "In der Menge", "Unterm Kreuz", "Im Blick", "Vor Gott", "Am Tisch": Ungewöhnliche Passionsandachten feiert die evangelische Kirchengemeinde Speichersdorf mit dem Christlichen Verein Junger Menschen.

Für die passende musikalische Begleitung der Passionsandachten sorgte das Quartett mit Edeltraut Neiß (Gesang), Ruth Brehm (Gesang, Gitarre), Lukas Brehm (Gitarre) und Dominik Fick (Gesang, Epiano) (von rechts). Bild: hai
Für die passende musikalische Begleitung der Passionsandachten sorgte das Quartett mit Edeltraut Neiß (Gesang), Ruth Brehm (Gesang, Gitarre), Lukas Brehm (Gitarre) und Dominik Fick (Gesang, Epiano) (von rechts).

Auf dem Weg, In der Menge, Unterm Kreuz, Im Blick, Vor Gott, Am Tisch: Ungewöhliche Passionsandachten feiert seit Aschermittwoch die evangelische Kirchengemeinde Speichersdorf in Zusammenarbeit mit dem Christlichen Verein Junger Menschen.

Immer mittwochs um 19 Uhr treffen sich die Gläubigen in der Christuskirche, um auf eigene Weise dem Leiden, Tod und der Auferstehung Jesu Christi nachzuspüren. Alle Andachten werden dabei live auf dem Youtube-Kanal der Kirchengemeinde unter www.speichersdorf-evange lisch.de gestreamt. "Eine erholsame halbe Stunde zum Innehalten und Bewusstwerden inmitten unserer unruhigen Zeit", erklärt Pfarrer Hannes Kühn.

Um Leiden, Taten und Worte

Denn unter dem Thema "Backstage" wird bei den Passionsandachten hinter die Kulissen der Passion Jesu Christi geschaut, wie sie bei den Passionsspielen Oberammergau auf die Bühne gebracht wird. Es geht um den Kreuzweg Jesu Christi, um sein Leiden, Sterben und Auferstehen. Es geht um seine Person, seine Worte und Taten und was sie mit dem Menschen machen. "Damit dreht es sich auch um jeden Gläubigen, um dessen Leben und dessen Fragen", sagt Kühn.

Anhand von Bildern der Passionsspiele in Oberammergau und Gebetssprache sollen die Gläubigen ihre eigene Haltung zum Ostergeschehen finden. "Ähnlich wie dies im Lukasevangelium ausgedrückt wird: Und alle, die zu diesem Schauspiel herbeigeströmt waren und sahen, was sich ereignet hatte, schlugen sich an die Brust und gingen weg", zitiert der Geistliche.

Die Gläubigen erhalten an jedem Abend Gelegenheit, Fragen, Zweifel und Herausforderungen zu teilen und zu erleben, was die einzelnen Schritte der Passion für sie heute bedeuten. Das brachte auch die musikalische Begleitung des Abends durch Edeltraut Neiß (Gesang), Ruth Brehm (Gesang, Gitarre), Lukas Brehm (Gitarre) und Dominik Fick (Gesang, E-Piano) zum Ausdruck. Gesanglich stellten sie Fragen wie "Wo gehst du hin?", "Wer willst du sein?", "Wen fragst du jetzt?" und "Was trägt dich dann?"

Eine wichtige Aufgabe übernimmt jedes Mal die Regie. Sie gibt nämlich Anweisungen, hinterfragt die Haltung der Darsteller und hilft den Zuschauern so, die eigene Rolle zu finden. In einer Passionsandacht standen ohnmächtig zuschauenden Frauen, die Jesus von Galiläa aus nachgefolgt waren, im Fokus. Zu ihnen gehörte Maria aus Magdala. Sie musste fassungslos zugucken, wie Jesus Grausames angetan wurde und wie er starb. In der Rolle der Maria aus Magdala brachte Ruth Brehm dann auch deren Gefühlschaos zum Ausdruck: "Mir ist einfach nur nach Heulen zumute. Wenn ich das spiele, muss ich immer an die Beerdigungen denken, an denen ich teilgenommen habe", sagte sie. Jetzt galt für sie das, was sie fühlte, auf der Bühne zu zeigen: ihr Entsetzen, ihre Wut, ihre Verzweiflung und ihre Ohnmacht.

Sich gegenseitig im Blick haben

Mit Fragen wie "Gab es auch Momente in deinem Leben, in denen du dich machtlos gefühlt hast?", "Ist ein von dir geliebter Mensch gestorben?", "Wie bist du damit umgegangen?", beschäftigte sich Prediger und CVJM-Generalsekretär Michael Götz. Dabei griff er als Spur den biblischen Hinweis auf, dass viele Frauen da waren. Gott habe den Menschen als Gemeinschaft, als Familie geschaffen, die füreinander da sei. Der Mensch sollte nicht alleine bleiben. Die Menschen sollten sich gegenseitig im Blick haben. Deshalb sollten die Menschen auch miteinander trauern, ohne viel Worte.

Manchmal würden kleine Gesten wie das In-den-Arm-nehmen oder ein paar Zeilen der Anteilnahme reichen, erklärte Götz. Der Generalsekretär berichtete von einer Krankenhauspsychologin, die in einer Kinderkrebsklinik die Angehörigen um das Kreuz stellte. Wenn im Augenblick des tiefsten Verlustes der Boden unter den Füßen weggezogen werde, dann sei im Symbol des Kreuzes Gott in Jesus Christus gegenwärtig. In solchen Situationen helfe es, Jesus und sein Kreuz und damit sich gegenseitig im Blick zu haben.

In der fünften Szene am vergangenen Mittwoch, "Vor Gott", hängt Jesus im Todeskampf am Kreuz. Da ging es mit Jürgen Küffner um Fragen wie "Hast du dir selbst schon mal die Frage gestellt: Wieso lässt Gott das zu?" oder "Gab es Momente, in denen du dich vollkommen von Gott getragen gefühlt hast?"

Am heutigen Mittwoch konfrontiert Pfarrer Hannes Kühn angesichts des leeren Abendmahlstisches die Gläubigen mit der Frage: "Und jetzt? Lassen wir uns einladen von Gott? Ganz konkret: Nimmst du Platz an seinem Tisch?"

 
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