Speinshart
26.05.2019 - 10:30 Uhr

Rilke hinter Klostermauern: Hinhören und innere Ruhe finden

Es ist ein aufwühlender Abend, der einen tiefen Einblick in die hohe Dichterkunst gewährt. In Speinshart begeben sich Künstler und Publikum auf die Spur des Menschen Rainer Maria Rilke

Wie vertont man Rilke? Die Mezzosopranistin Hannah Irmler und Reinhard Maier am Klavier verstanden es, das gesprochene Wort und die Gedankengäng des Dichters in zauberhafte Musik zu übersetzen Bild: do
Wie vertont man Rilke? Die Mezzosopranistin Hannah Irmler und Reinhard Maier am Klavier verstanden es, das gesprochene Wort und die Gedankengäng des Dichters in zauberhafte Musik zu übersetzen

Man muss nicht immer alles wissen über das Leben der großen Denker. Oftmals reicht die knappe Feststellung im Stile Kants, dass er geboren wurde, dachte und starb. Anders dagegen bei den Dichtern, die sich exemplarisch des Lebens mit all seinen Höhen und Tiefen annahmen. Das gilt im besonderen Maße für einen Dichter wie Rainer Maria Rilke, der sich zum Sänger der Weisen von Liebe und Tod aufschwang. Rilke und die Frauen war zum Beispiel ein Thema, das in der musikalisch-literarischen Begegnung im Musiksaal des Klosters Speinshart die Besucher fesselte. „Je mehr Liebe man gibt, desto mehr besitzt man davon“, so Rilke.

Eine Annäherung an einen der bedeutendsten Lyriker Deutschlands, dessen Leben genauso faszinierend und berührend war wie sein schriftstellerisches Werk, wurde im Musiksaal des Klosters zu einer Mischung tiefsinniger lyrischer Gedichte, poetischer Höhenflüge und wirkungsvoller Liedbeiträge. Sein Leben, seine Reisen, seine Beziehungen, sein Leiden und seine Arbeit boten Schauspieler Hilmar Berndt und Moderatorin Nadine Hoffmann Gelegenheit, dem innig lauschendem Publikum bewegend und tiefgründig, lebendig, leicht und kostbar einen außergewöhnlichen Menschen vorzustellen. Wirkungsvoll und blitzsauber umrahmten Mezzosopranistin Hannah Irmler und Reinhard Maier am Klavier die literarische Begegnung mit einem der großen Dichter deutscher Sprache. Gut zu wissen, wie Hannah Irmler zum Beispiel mit nuancierter Artikulation und in unterschiedlichsten Gemütsbewegungen mit dem Liederzyklus „An die ferne Geliebte“ umzugehen wusste.

Die Schauspieler wollten Rilke vor allem mit all seinen Widersprüchen als Menschen zeigen. Ob und was Rilkes Lyrik bedeutet, durfte das Publikum gerne für sich selbst entscheiden. Zeit seines Lebens, kommentierte Hoffmann, erdichtete sich Rilke immer wieder seine Welt. Russland war sein Sehnsuchtsland, mit Paris tat er sich schwer, doch verdankte er der Stadt künstlerisch viel. Zwei seiner bekanntesten Gedichte „Der Panther“ und „Herbsttag“ entstanden dort. In Briefen aus Rom und Venedig schwärmte er von schönen Welten und mit seinen böhmischen Gedichten griff er lokale Bezüge auf. Die Pflichten eines Ehemanns und Vaters waren allerdings nicht sein Ding. Rilke verliebte sich in die 15 Jahre ältere Literatin Lou Andreas-Salomé.

Immer wieder kam es zu zärtlichen Vertonungen der Gedichte. Eine tragende Rolle spielte dabei die Auffassung des Dichters, Musik und Poesie seien nur zwei Ausdrucksformen der derselben Sache. Auch trösten konnte der Poet: „Es ist manchmal gut, die Sorgen so zu behandeln, als ob sie nicht da wären“. Und er empfahl seinen Mitmenschen in lyrischer Perfektion, aufmerksam auf ihre Umgebung zu blicken: „Die meisten Menschen wissen gar nicht, wie schön die Welt ist und wieviel Pracht sich in den kleinsten Dingen, in einer Blume, einem Stein, einer Baumrinde oder einem Birkenblatt offenbaren“.

Schließlich widmeten sich die Schauspieler und Musiker den „Herbstgedichten“ des Lyrikers. In einer Selbstreflektion über den Herbst des Lebens wendet sich Rilke voller Melancholie der Vergänglichkeit zu. Im „Herbsttag“ heißt es: „Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, und auf den Fluren lass die Winde los. Befiehl den letzten Früchten voll zu sein, gibt ihnen noch zwei südlichere Tage, dränge sie zur Vollendung hin und jage die letzte Süße in den schweren Wein. Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben“. Die gesprochene Fassung kleidete das Duo Irmler und Maier anschließend in erwärmende melodische Gefühle. Die künstlerische Verbindung von Musik und gesprochenem Wort geriet so zur hochaktuellen Gefühls- und Gedankenprosa.

Schauspieler Hilmar Berndt gelang eine wunderbare Auseinandersetzung mit Rilkes Texten Bild: do
Schauspieler Hilmar Berndt gelang eine wunderbare Auseinandersetzung mit Rilkes Texten
 
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