13.11.2018 - 12:38 Uhr

Stich für Stich ein Unikat

Große Architekten und Designer sagen sich: Das gibt es nicht, also muss ich es selbst bauen. Was, wenn man partout kein Handy-Täschchen findet, das einem gefällt? Selbst nähen! Wenn das mal so einfach wäre ...

Wenn man partout kein Handytäschchen findet, näht man sich selbst eines. Bild: Gabi Eichl
Wenn man partout kein Handytäschchen findet, näht man sich selbst eines.

Holz und Leder gehören zu den schönsten Materialien, wenn es um das rein haptische Vergnügen geht. Kaum etwas schmeichelt den Fingerkuppen mehr als vom Meer geschliffenes Altholz oder genarbtes, nicht zu Tode bearbeitetes Leder. Holz ist schwer, Leder - in kleinerer Menge - eher leicht. Und Letzteres verlangt vielleicht weniger großes Werkzeug. Das neue Hobby heißt also Ledernähen. Ganz schnell stellt sich aber heraus, dass das leichtere Material mindestens genauso viel Übung verlangt, um zu passablen Ergebnissen zu kommen.

In Gedanken ist das Handy-Täschchen schnell genäht. Zwei Stücke Leder, eines vorn, eines hinten, an drei Seiten Nähte, das kann doch nicht so schwer sein. Wenn Dennis Zink das hört, muss er schmunzeln. Der 39-jährige Sattlermeister aus dem Haus "Rickert Werkzeug" (www.rickert-werkzeug.de) aus Lauf an der Pegnitz weiß um die Tücken eines vermeintlich simplen Handy-Täschchens, soll dieses passabel aussehen. Er hilft der unbedarften Anfängerin aber gern weiter.

Schablone erstellen

Nach Zinks Anleitung erstellen wir eine Schablone, um das Leder zuzuschneiden. Für den Zuschnitt empfiehlt Zink entweder ein Cuttermesser oder spezielle Ledermesser wie das Messer des Sattlers schlechthin, das Halbmondmesser, ein Messer mit Griff und einer Sichel, die dem Namen entsprechend exakt einem Halbmond entspricht.

All diese Messer hat die Anfängerin nicht zur Hand, sie hat allein ein Starterset für angehende Ledernäher im Haus, dazu eine gute Schere. Und den Karton voller Lederreste, den ein Möbelhaus ihr zur Verfügung gestellt hat. Mit der Schere schneidet sie vorsichtig Vorder- und Rückseite des Täschchens aus, wobei sie schnell erkennt, dass das mit einem Messer, wie von Zink gefordert, sicher exakter und leichter ginge. Die Schere, wenn auch eine einigermaßen gute, schneidet einfach nicht exakt an der vorgezeichneten Kante entlang. Es ist zum Verrücktwerden. Wieder und wieder wird die Schnittkante nicht gerade. Und das Nachschneiden sieht man. Sie hatte sich das alles sehr viel einfacher vorgestellt. Dann ist das Leder - inzwischen ist unsere Anfängerin bei einer ganz anderen Farbe angekommen, denn sie hat die Lederreste in der von ihr bevorzugten Farbe heillos verschnitten - endlich bereit, zusammengenäht zu werden. Sattlermeister Dennis Zink rät nun zum sogenannten Prickrad, um die Stichlänge zu markieren. Dieses Prickrad ist eine Art kleines Zahnrad an einem Holzgriff, dessen Rädchen es in verschiedenen Größen gibt. Die Anfängerin nimmt das Rädchen zur Hand und denkt wieder einmal: Das sollte jetzt aber einfach gehen. Über das Leder radeln und die Einstichstellen markieren, das kann doch jeder. Und siehe da, die erste Linie sieht ganz wunderbar aus.

Üben mit dem Prickrad

Aber die muss mindestens noch ein einige weitere Male nachgeradelt werden und schon ist es vorbei mit der Leichtigkeit der Aufgabe. Die Anfängerin radelt an der ersten Linie vorbei, sie trifft die ursprünglichen Löchlein nicht. Zornig möchte sie das kleine Werkzeug von sich werfen, hält sich aber gerade noch zurück. Hatte sie allen Ernstes gedacht, gleich beim ersten Mal zu einem akzeptablen Ergebnis zu kommen? "Jeder G'lernte war' a Depp", kommt ihr ein Sprichwort in den Sinn.

In den nächsten Tagen opfert sie mehrere Lederreste, um den Umgang mit dem Prickrad zu üben. Und noch viel mehr Tage und Leder wird sie die Handhabung der Sattlerahle kosten, mit der die Löcher vorgestochen werden, damit sie dann Stich für Stich genäht werden können, wie ihr Zink erklärt hat. Von dem Sattlermeister hat sie auch den Tipp bekommen, mit der Ahle immer im gleichen Winkel einzustechen und den Ellbogen beim Vorstechen parallel zum Fußboden zu halten, damit auch auf der Naht-Rückseite die Naht gerade ist. Unglaublich, was solche Details ausmachen. Was sie bewirken! Und wieder muss sie an das Sprichwort denken.

Schief, aber schön

Es dauert viele Lederreste, viel Fluchen und sehr viel Faden, bis das Täschchen einigermaßen so aussieht, wie es gedacht war. Und dann sieht man ihm immer noch den "Eigenbau" an. Aber das macht nichts. Von Sattlermeister Zink hat unsere Anfängerin noch weitere Ratschläge bekommen, wie sie mit Lederfett oder speziellen Finishes ihr Täschchen versiegelt und pflegt, wie sie die Kanten ihres Werkstücks mit feinem Schleifpapier egalisiert, mit dem sogenannten "Gum Tragacanth" dünn bestreicht und mit Kantenpolierer glättet, aber das würde zu weit führen ...

Zink, verheirateter Vater zweier Kinder aus Bad Berneck im Fichtelgebirge, ist bei dem Laufer Unternehmen "Rickert Werkzeug" unter anderem für Fachberatung und Kundenservice zuständig, hat aber nebenbei noch seine eigene Werkstatt. Die Anfängerin hat ihm ihr Handy-Täschchen nicht gezeigt, ist sich aber sicher, dass er nachsichtig wäre mit ihren schiefen Nähten und Stichen. (eig)

Bis man so ein Handy-Täschchen geschafft hat, hat man viel Leder verbraucht. Es erscheint unerhört simpel, bedarf aber viel, viel, viel Übung, bis es auch nur einigermaßen gut aussieht. Bild: Gabi Eichl
Bis man so ein Handy-Täschchen geschafft hat, hat man viel Leder verbraucht. Es erscheint unerhört simpel, bedarf aber viel, viel, viel Übung, bis es auch nur einigermaßen gut aussieht.
Das Material ist bereit: Ein Packen Lederreste und ein Werkzeug-Starterset für Anfänger. Das Ausschneiden allein ist schon eine Aufgabe für sich. Ohne eine sehr gute Schere geht gar nichts. Bild: Gabi Eichl
Das Material ist bereit: Ein Packen Lederreste und ein Werkzeug-Starterset für Anfänger. Das Ausschneiden allein ist schon eine Aufgabe für sich. Ohne eine sehr gute Schere geht gar nichts.
Dennis Zink, 39-jähriger Sattlermeister, weiß um die Tücken eines vermeintlich simplen Handy-Täschchens. Bild:  Rickert Werkzeug
Dennis Zink, 39-jähriger Sattlermeister, weiß um die Tücken eines vermeintlich simplen Handy-Täschchens.
Übungen mit dem Prickrad. Dafür muss man viel Zeit und Leder opfern. Bild: Gabi Eichl
Übungen mit dem Prickrad. Dafür muss man viel Zeit und Leder opfern.
Falsch geradelt, das wird schon nichts mehr. Das Prickrad markiert die Einstichstellen, muss aber richtig geführt werden. Bild: Gabi Eichl
Falsch geradelt, das wird schon nichts mehr. Das Prickrad markiert die Einstichstellen, muss aber richtig geführt werden.
 
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