Von RA Dr. Hans-Wolfgang Schnupfhagn
Unter bestimmten Voraussetzungen ist es nach dem Betäubungsmittelgesetz möglich, die Vollstreckung der Strafen für drogenabhängige Straftäter zu Gunsten einer Therapie zurückzustellen. Die Therapie statt Strafvollstreckung ist in den §§ 35, 36 BtMG für die Tätergruppe der Betäubungsmittelabhängigen vorgesehen.
Diese Privilegierung betäubungsmittelabhängiger Straftäter wurde eingeführt, weil viele Insassen von Strafanstalten drogenabhängig sind und allein mit den Mitteln des Strafvollzuges nicht gegengesteuert werden kann. Drogenabhängigen Verurteilten soll durch die Möglichkeit einer Therapie außerhalb der Justizvollzugsanstalt Gelegenheit gegeben werden, beste- hende Sucht zu heilen. Die Vorschrift des § 35 BtMG bietet die Möglichkeit der Gewährung eines Aufschubs oder im Falle des bereits inhaftierten Haftgefange- nen eine Strafunterbrechung durch die Vollstreckungsbehörde unter diesen Voraussetzungen:
1. Der Täter muss rechtskräftig zu einer Strafe verurteilt worden sein, die nicht mehr als zwei Jahre beträgt oder von der nicht mehr als ein Strafrest von zwei Jahren zur Vollstreckung aussteht.
2. Die Straftat muss aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden sein, was aus den Urteilsgründen oder sonst festgestellt werden muss.
3. Die Staatsanwaltschaften fordern eine Kostenzusage für den Antritt einer Therapie in einer staatlich anerkannten Therapieeinrichtung. Insoweit wird die Erklärung eines Kostenträgers benötigt, der die Therapiekosten übernimmt. Träger sind üblicherweise die Rentenversicherung, ansonsten die gesetzliche Krankenkasse.
4. Der Verurteilte muss bereit sein, die Therapie anzutreten und durchzustehen.
Liegen mehrere nicht gesamtstrafenfähige Freiheitsstrafen vor, ist nicht die Summe der noch zu vollstreckenden (Rest-) Strafen entscheidend, sondern es kommt auf die Höhe der einzelnen Strafen an. Allerdings müssen bei jeder Freiheitsstrafe die Voraussetzungen nach § 35 Abs. 1 BtMG vorliegen. Es kann vorkommen, dass die Möglichkeit der Zurückstellung nicht für alle Verurteilungen gegeben ist, weil zum Beispiel hat die Straftat keinen Bezug zur Betäubungsmittelabhängigkeit hat.
In diesem Fall muss versucht werden, einen Antrag auf Änderung der Vollstreckungsreihenfolge herbeizuführen, nicht zurückstellungsfähige Strafen vorwegzuvollstrecken. In der Praxis erweist sich dies allerdings nicht immer als einfach. Der Bundesgerichtshof hat allerdings entschieden, dass eine Zurückstellung dann nicht in Betracht kommt, wenn eine weitere nicht zurückstellungsfähige Strafe zum 2/3-Zeitpunkt unterbrochen ist, der Strafrest aber noch nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.
In vielen Fällen wird es erforderlich sein, sich der Hilfe eines Drogenberaters zu bedienen. Weitere zwingende Voraussetzung vor der Entscheidung der Vollstreckungsbehörde ist zudem die Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszugs.
Zuständige Vollstreckungsbehörde für die Entscheidung nach §35 BtMG ist die Staatsanwaltschaft, bei Jugendlichen der Jugendrichter. Wegen nachträglichen Wegfalls der Voraussetzungen der Zurückstellung kann diese widerrufen werden. Die Zurückstellung wird insbesondere widerrufen, wenn der Verurteilte die Therapiemaßnahme nicht begonnen hat, nicht fortführt, nicht zu erwarten ist, dass eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wieder aufgenommen wird. Gegen den Widerruf der Zurückstellung ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde innerhalb einer Frist von einer Woche möglich.
Die Vorschrift des §36 Abs. 1 und 3 BtMG regelt die Anrechnung der abgeleisteten Therapiezeit auf die Strafe. Grundsätzlich ist die Therapiezeit, auch wenn die Therapie erfolglos abgebrochen worden ist, auf die Freiheitsstrafe anzurechnen. Durch die Möglichkeiten der Anrechnung geleisteter Therapiezeiten soll ein Anreiz zur Förderung der Therapiebereitschaft des Verurteilten geschaffen werden.
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