Süßenweiher bei Speinshart
08.01.2020 - 13:02 Uhr

„Bauern, organisiert euch“

Es schlug wie eine Bombe ein, das Reichstagswahlergebnis vom 15. Juni 1893: Fast 50 Prozent der Tremmersdorfer Wähler hatten der SPD ihre Stimme gegeben. „Und damit stand das katholische Bauerndorf nicht allein da.“

Erstmals begrüßte Barbara Müller im Namen der Sektion Speinshart des Heimatvereins Eschenbach die Besucher des Dreikönigsvortrags in Süßenweiger. Referent Johann Ott zeichnete in seinem Vortrag ein Stimmungsbild der Situation der Nordoberpfälzer Landwirte im ausgehenden 19. Jahrhundert. Bild: bjp
Erstmals begrüßte Barbara Müller im Namen der Sektion Speinshart des Heimatvereins Eschenbach die Besucher des Dreikönigsvortrags in Süßenweiger. Referent Johann Ott zeichnete in seinem Vortrag ein Stimmungsbild der Situation der Nordoberpfälzer Landwirte im ausgehenden 19. Jahrhundert.

Dies berichtete Johann Ott in seinem Dreikönigs-Geschichtsvortrag „Die Krise in der Landwirtschaft um 1900“, zu dem die Sektion Speinshart des Heimatvereins Eschenbach und der frühere Burschenverein des Klosterdorfes in den Gasthof Süßenweiher eingeladen hatten.

„Auch in Gmünd, Neuhaus an der Pegnitz, Ranna und Thurndorf bekam die ‚Arbeiterpartei‘, die damals noch antikirchlich war und kein Programm für die Landwirtschaft hatte, die Mehrheit“, bilanzierte der pensionierte Amberger Studiendirektor mit Eschenbacher Wurzeln. In Ranna und Neuhaus, wo viele Arbeiter der Auerbacher Erzgruben lebten, sei das noch erklärlich gewesen, doch der Erfolg der „Roten“ in katholisch-bäuerlichen Landgemeinden habe die Obrigkeit aufhorchen lassen.

Immerhin hätten die kirchennahen Parteien zuvor beispielsweise „in Speinshart manchmal 100 Prozent der Stimmen“ erhalten: „Bis 1887 war das die ‚Bayerische Patriotenpartei‘, die sich dann mit der ‚Zentrumspartei‘ zusammenschloss.“ Tremmersdorf sei insoweit etwas „aus dem Rahmen gefallen“, als man dort regelmäßig auch einige Stimmen für die Liberalen gezählt habe, die sonst ihre Klientel hauptsächlich in evangelischen Gebieten wie etwa Neustadt am Kulm gefunden hätten. Nun also sei Tremmersdorf überraschend mit einem pro-sozialdemokratischen „Erdrutsch“ aufgefallen. „Warum gerade hier solche ungewöhnlichen Wahlergebnisse zustande kamen, ist nicht klar“, merkte Ott an.

Wie dem auch sei: „Dass es in der bäuerlichen Bevölkerung brodelte, spürte man schon vor der Reichstagswahl.“ Mit der Weidener „großen Bauernversammlung“ des im Entstehen befindlichen „Bayerischen Bauernbundes“ am 8. April 1893 habe die bayern- und reichsweite Selbstorganisationsbewegung der Landwirte in der Nordoberpfalz Fuß gefasst: „‚Bauern, organisiert euch!‘ war der Schlachtruf.“ Kurz vor der Wahl, am 22. Mai (Pfingstmontag) 1893, habe der Bauernbund auch in Eschenbach eine Versammlung abgehalten.

Was hatte zu diesem „Umkippen der Stimmung“ geführt? Zunächst hätten viele bayerische Landwirte in der großen „Zentrumspartei“ keine überzeugende Interessenvertretung mehr gesehen, erläuterte der Referent. Diese reichsweite Partei habe sich zunehmend als Sachwalterin der norddeutschen Großbauern und der an günstigen Kornpreisen interessierten Bierbrauer profiliert und sich nur noch wenig um die „kleinen Landwirte“ in Bayern gekümmert. Deren Situation habe sich ab 1891 empfindlich verschlechtert, als die Reichsregierung mit Billigung des „Zentrums“ neue Handelsabkommen mit anderen europäischen Staaten abgeschlossen habe.

Fortan habe das Ausland zwar mehr deutsche Industriegüter abgenommen, im Gegenzug aber verlangt, dass Deutschland mehr ausländische Agrarerzeugnisse ins Land lasse, berichtete Ott. Der nun folgende drastische Preisverfall vor allem bei Getreide und Kartoffeln habe indes nicht nur mit den zunehmenden Importen zu tun gehabt: „Dank des Aufkommens von Kunstdünger und der einsetzenden Mechanisierung nahm auch die einheimische Produktion zu, was ebenfalls auf die Erzeugerpreise drückte.“ In der Nordoberpfalz habe man freilich noch allzu lange an rückständigen Produktionsmethoden festgehalten, so dass hier die allgemein fallenden Preise und eine niedrige Produktivität die Lage der Landwirte zweifach verschärft hätten, betonte der Heimatforscher.

Im Blickpunkt:

Lange Tradition

Seit mehr als 30 Jahren treffen sich die „Ehemaligen“ des Katholischen Burschenvereins Speinshart, der in den 1960er Jahren zusammen mit der Jungfrauenkongregation in der Katholischen Landjugend aufging, alljährlich am Dreikönigstag in Süßenweiher. Fester Programmpunkt ist dabei stets ein öffentlicher regionalkundlicher Vortrag. Die „Alumni“ knüpfen damit zugleich an die von dem unvergessenen letzten geistlichen Leiter des Burschenvereins, Pater Gottfried Reiber, angebotenen Gesprächsabende, Vorträge und Exkursionen an.

2014 hatte Pater Benedikt Schuster als Prior, Bibliothekar und Archivar des Klosters gemeinsam mit Anneliese Beer und der Speinsharter Sektion des Heimatvereins Eschenbach die Organisation des Dreikönigstreffens übernommen. „Ab diesem Jahr richtet der Heimatverein die Dreikönigsvorträge nun ‚offiziell‘ als eigene Vereinsveranstaltung aus, und wir freuen uns, diese schöne Tradition fortführen zu dürfen“, begrüßte Sektionsleiterin Barbara Müller die etwa zwei Dutzend Zuhörer.

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.