Ungeduldig wuselt Ace um sein Frauchen herum. Jana lässt das kalt. In aller Seelenruhe bereitet sie das Abendessen vor: seines und das der anderen drei Hunde im Hause Remer. Zum Rindfleisch gibt's Erdbeeren - Obst muss sein, auch für Shelties, die einen ähnlichen Appetit haben wie die Raupe Nimmersatt. Endlich stehen die vier Näpfe auf dem Fußboden, gefressen wird erst, wenn Jana und ihre Mama Nicole das Kommando geben. Ace verputzt sein Abendbrot am schnellsten und schaut, dass er seinen Artgenossen etwas abluchsen kann. "Ace!", pfeift ihn Nicole Remer scharf zurück.
In Tierheim fing's an
Dass ein Quartett mit insgesamt 16 Pfoten daheim bei den Remers in Sulzbach-Rosenberg eingezogen ist, war so nicht geplant - definitiv nicht. Nicole Remer erinnert sich: Sohn Fabian, gerade mal drei Jahre alt, übernachtete zum ersten Mal bei Oma und Opa. Da wollten die Eltern ihrer fünfjährigen Jana etwas Gutes tun und sie mit einem Hund Gassi gehen lassen. Stefan Remer beschwor vorab seine Frau: "Wir nehmen aber kein Tier mit!" Und dann war ausgerechnet er es, der schwach wurde, als er den goldigen Welpen sah, der um die Beine des Tierheim-Mitarbeiters wuselte. Die Remers wussten sofort: "Den nehmen wir." Das Töchterchen durfte trotzdem einen Tierheim-Hund Gassi führen. "Einen Pinscher", erinnert sich Nicole Remer lachend.
Und so kam Knut, inzwischen mit elf Jahren schon ein Senior, in die Familie. Und lernte, was Baby-Hunden eben so alles in der Hundeschule beigebracht wird: Sitz, Platz, bei Fuß gehen. Weil Knut ein wenig hibbelig und wild war, suchten die Remers etwas, womit ihr Familienhund beschäftigt werden konnte. Und kamen zu Agility. "Das wurde dann unser Sport", sagt Nicole Remer. Seitdem werden die Hunde, mit denen die Remers ihr Leben teilen, danach ausgewählt.
Jana Remer, die heute in der deutschen Nationalmannschaft ist, war in der vierten Klasse, als sie mit ihren Eltern die Agility-Weltmeisterschaft in Tschechien besuchte. Weltmeister wurde ein Deutscher mit seinem Shetland Sheepdog, wie Shelties offiziell heißen. "Ich fand den Mann und den Hund so super", erzählt Jana Remer. Und sie weiß noch genau, was ihr Papa zu ihr sagte: Wenn sie es auf das Gymnasium schaffe, werde er ihr einen Sheltie kaufen. "Daheim hat mein Mann geschaut, was denn ein Sheltie so kostet - und geschluckt."
Das Töchterchen wechselte aufs Gymnasium und bei den Remers zog Rüde Chino ein. Und damit ein Hund, dessen Rasse als sehr gelehrig, wendig und schnell gilt - ideal also für Agility. Jana zählt auf, was Chino auszeichnet: schnell und spritzig, ein fleißiger Arbeiter. Einer, der gerne Hundesport macht. "Er ist Feuer und Flamme für Agility", ergänzt die Mama.
Jana Remer kann stolz darauf sein, dass sie ihren Chino ganz alleine ausgebildet und auf die Begleithundeprüfung vorbereitet hat. Ihre Freunde finden es übrigens cool, was sie macht. Sie begleiten Jana beim Gassi gehen, andere waren schon auf Turnieren dabei. Wettkämpfe, die 100 Kilometer entfernt sind, sind keine Seltenheit. "Die nächsten Wettbewerbe im Umkreis sind in Amberg, Schnaittenbach und Weiden." Die Remers treten öfters in Nürnberg an, dieses Wochenende zum Beispiel, oder bei Wettkämpfen im Raum Cham.
Bevor man mit seinem Hund bei einem Agility-Turnier starten darf, muss der Vierbeiner erfolgreich die Begleithundeprüfung abgelegt haben. Dafür muss er mindestens 15 Monate alt sein. „Der erste Start bei Agility ist dann, wenn er ungefähr eineinhalb Jahre alt ist“, erklärt die junge Hundesport-Expertin Jana Remer. Bei den Turnieren gibt es laut Nicole Remer die Leistungsklassen A1, A2 und A3, wobei ihre Tochter und Sheltie Chino in der höchsten Klasse starten, sie selbst mit Border Collie Tommy in der zweithöchsten. Den Parcours, den die zwei- und vierbeinigen Teams absolvieren müssen, tüftelt bei Turnieren der Leistungsrichter aus. „Und der Parcours ist jedes Mal anders gestellt“, sagt Norbert Haslach, Janas Trainer beim Schäferhundeverein Amberg-Gailoh. Die Teilnehmer haben sieben Minuten Zeit, den Parcours zu begehen, sich die Reihenfolge der bis zu 22 Geräte einzuprägen, ihre eigenen Laufwege und die ihrer Hunde zu planen.
Wettkämpfe bestehen aus dem A-Lauf mit allen Hindernissen und dem Jumping, bei dem die Kontaktzonengeräte wie Wippe, Steg oder A-Wand, bei denen der Hund die andersfarbigen Auf- und Abgänge jeweils mit einer Pfote berühren muss. Die Hunde selbst sind aufgrund ihrer unterschiedlichen Größen in small, medium und large eingeteilt. Jana Remers Chino startet in der mittleren Klasse. Im Parcours springen die Hunde über Hürden, fetzen durch den Tunnel, laufen Slalom, balancieren auf dem Laufsteg und überwinden die A-Wand – wobei die Hundeführer sie nur über Stimme und Körpersprache leiten dürfen. Leine oder Leckerli dürfen nicht eingesetzt werden. Dass es mal nicht so läuft, wie es laufen soll, weiß Jana Remer. „Man hat auch mal einen schlechten Tag“, sagt die 16-Jährige. „Und manchmal haben den auch die Hunde“, ergänzt ihre Mama.
Fast jedes Wochenende
Häufig geht es im Wohnwagen auf die Turniere - im Sommer fast jedes Wochenende. Meistens fährt die Familie zu viert, manchmal nur zu dritt, wenn Fabian lieber bei Oma und Opa bleibt. Einen Wettbewerb an der Nordsee zu Pfingsten verbanden die Remers mit einem Camping-Urlaub, wie Papa Stefan berichtet. Hund Nummer drei ist Tommy, ein fast dreijähriger reinrassiger Border Collie. "Das ist Mamas Hund", sagt Jana. "Und Fabians bester Kumpel", ergänzt Nicole Remer. "Wenn Fabian draußen im Garten ein Loch gräbt, buddelt Tommy fleißig mit."
Nesthäkchen Ace komplettiert das tierische Quartett der Familie. Der Kleine, ein reinrassiger Sheltie, ist erst zehn Monate alt und für den Hundesport noch zu jung. Jana ist stolz, dass sie Ace von ihrem eigenen Geld gekauft hat - und ihn selbst ausbildet. Für ihre Tiere steht die Gymnasiastin frühmorgens sehr zeitig auf. Die Gassi-Runde vor der Schule, so 45 bis 60 Minuten, führt häufig auf den Annaberg. Am Nachmittag sind die Remers circa eineinhalb Stunden mit den Hunden unterwegs, nutzen dafür auch gerne die Sieben Quellen in Breitenbrunn. Oder sie gehen nach dem Training beim Schäferhundeverein Amberg-Gailoh gleich dort noch in den nahen Wald.
Abgesehen vom mehrmals wöchentlichem Training übt Jana Remer daheim fleißig mit ihren Shelties: kleine Tricks, die bei Turnieren zum Aufwärmen dienen, Sprints beim Gassigehen, kleine Einheiten an den Agility-Geräten im Garten. Auch wenn Klein-Ace noch nicht so weit für Agility ist, führt ihn sein Frauchen behutsam mit Vorübungen an den Hundesport heran.
Stolz auf die Leistungen der 16-Jährigen ist Norbert Haslach, ihr Trainer beim Schäferhundeverein Amberg-Gailoh. "Sie ist sehr fleißig und ehrgeizig", urteilt er über die Gymnasiastin, die aus ihrem Chino das Beste herausgeholt hat. "Sie macht das echt sehr gut", lobt der Fachmann die junge Sulzbach-Rosenbergerin und ist schon gespannt auf das Team Jana und Ace. Vor allem, weil Chino zwar schnell, aber nicht der Allerschnellste ist. "Aber der Kleine, der wird mal ein ganz Schneller", ist Haslach überzeugt.
Büffeln am Hundeplatz
In ihrer knapp bemessenen Freizeit muss Jana natürlich auch Hausaufgaben machen und für die Schule büffeln. Hefte und Bücher sind häufige Begleiter auf den Turnieren. Da suche sie sich, wenn Zeit dazu ist, eine ruhige Ecke zum Lernen, sagt Jana. Erst kürzlich fuhr sie mit ihrem Trainer zur Bundessiegerprüfung im nordrhein-westfälischem Ibbenbüren, einer Qualifikation für die deutsche Meisterschaft. "Auf der Hin- und Rückfahrt hat sie jeweils ein paar Stunden im Auto gelernt", erzählt Haslach, der genau weiß, wann Jana Nervennahrung braucht und dann Süßes wie einen Schokoriegel für sie parat hält.
Jana Remer, die mit der Europameisterschaft 2020 in Finnland ein großes, aber machbares Ziel vor Augen hat, geht voll und ganz im Hundesport auf. Überhaupt: "Die Remers sind eine durch und durch Hundesport-begeisterte Familie", freut sich Norbert Haslach. "Egal, woher man kommt, wie gut man ist, man gehört dazu", schwärmt Jana Remer über die Gemeinschaft von Menschen, die das gemeinsame Hobby Agility verbindet. Mama Nicole pflichtet ihrer Tochter bei: "Es macht total Spaß." Und Klein-Ace, der an diesem Abend nix aus den Näpfen der anderen Hunde abbekommen hat, spitzt die Ohren.
Turnier-Atmosphäre
Jana Remer ist zwar erst 16 Jahre alt, aber schon eine sehr erfolgreiche Hundesportlerin. Unzählige Pokale zeugen davon. Darunter einer, den sie heuer an Pfingsten bei einem Turnier mit ihrem Sheltie-Rüden Chino an der Nordsee gewonnen hat: Als Siegerin bekam sie einen kleinen Leuchtturm.
Die Gymnasiastin ist nicht nur bei bayerischen und deutschen Turnieren vertreten, sondern ist auch international aktiv. Sie nimmt an Jugend-Europameisterschaften teil und gehört der deutschen Nationalmannschaft an. Jana Remer schwärmt von der besonderen Atmosphäre bei internationalen Junioren-Turnieren. „Jeder applaudiert, alle jubeln – das ist schon toll“, gesteht sie und erzählt von den Einlaufzeremonien der Teams und den gemeinsamen Feiern. „Das ist schon richtig cool“, freut sie sich.
Durch Agility sind so manche Freundschaften entstanden. Als sie erst kürzlich ihren 16. Geburtstag nachfeierte, reisten auch zwei Hundesportlerinnen aus Stuttgart und Vaterstetten an. Aber auch beim Schäferhundeverein Amberg-Gailoh fühlt sie sich so richtig wohl. „Der Verein ist wie eine zweite Familie“, sagt sie. Mama Nicole, ebenfalls Hundesportlerin, und Papa Stefan pflichten ihrer Tochter bei. „Wir gehen gemeinsam mit den Hunden Gassi, zum Pizza-Essen oder grillen“, sagt Nicole Remer über die Aktivitäten, die weit über die Arbeit auf dem Hundeplatz hinausreichen.































Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.