Eigentlich geht es um Bürger-Engagement und staatliche Willkür. Es geht um Menschlichkeit und zivilen Ungehorsam, kurz es geht um demokratische Werte, um ihre Eckpfeiler. Aber es ist auch Wahlkampfzeit im Freistaat. Am Sonntag, 14. Oktober, wählt Bayern einen neuen Landtag. Dabei wollen auch die Grünen richtig gut abschneiden. Sie laden deshalb zu einem Themenabend ins Capitol mit Spitzenpolitikerin Kathrin Göring-Eckardt als Gast.
Zunächst steht nach den Vorstellungsrunden der Bezirkstags- und Landtagskandidaten Yvonne Rösel, Gaby Mutzbauer, Klaus Ebenburger und Elias Wolf der "Atomstreit in Wackersdorf - Die Geschichte einer Eskalation" im Mittelpunkt. Die vielbeachtete Dokumentation von Klaus Uhrig löst bei Zeitzeugen und Nachgeborenen tiefe Betroffenheit aus. "Ich habe die Vorgänge in Wackersdorf immer als Aktionen gegen sinnlose Politik wahrgenommen", bekennt die aus Thüringen stammende Fraktionsvorsitzende. Sie bricht eine Lanze für die Klimaziele, nennt für sich den Supergau in Tschernobyl als Schlüsselerlebnis für die Ablehnung der Atomkraft. "Nie dürfen wir zulassen, dass unsere Heimat kaputt gemacht wird", richtet sie als Lob an die versammelten WAA-Gegner für ihr starkes Engagement. Sie sieht aber auch bei den Ereignissen im Hambacher Forst die Möglichkeit, dass sich Geschichte wiederholen kann. "Deshalb ist es wichtig, die Politiker bei der Landtagswahl zu unterstützen, die sich für das Erreichen der Klimaziele einsetzen."
Viele Hände gehen hoch als Moderatorin Yvonne Rösel danach fragt, wer alles aktiv am Bauzaun gewesen sei. "Sie haben großartige Zivilcourage bewiesen." Und genau um die geht es, als die früheren Aktivisten Heinz-Ulrich Schmidt (Sulzbach-Rosenberg) und Helmut Wilhelm (Amberg), der Polizist Paul Groß (Schwandorf) sowie Kathrin Göring-Eckardt am Podium unter der Leitung von MdB Stefan Schmidt zusammensetzen.
Sie berichten vom Beginn der Proteste, regelmäßigen Waldspaziergängen an den Sonntagen, aber auch von beruflichen Repressalien, mit denen der Staat versuchte, die Gegner einzuschüchtern. "Seit 1982 war ich im Widerstand gegen die geplante WAA, bin quasi ein Mann der ersten Stunde", bekennt Heinz-Ulrich Schmidt, der in der BI mit in der ersten Reihe stand. Er spricht auch von "gut situierten Bürgern", die sich am Widerstand beteiligten und erinnert an die Kreativität des Ungehorsams und die gegenseitige Unterstützung bei Gerichtsverfahren.
Der eigene Einsatz, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, ohne das Verlassen auf die große Politik, werden als Lehrstücke der Demokratie bezeichnet. Wackersdorf habe das nach Auffassung der Redner auf vielfältige Weise gezeigt.
Paul Groß, der als Beamter des Bundesgrenzschutzes auch bei den Auseinandersetzungen um die atomare Wiederaufarbeitungsanlage Dienst tat, war auch schon in der heißen Phase ein Gegner des Projekts. "Es war nicht immer leicht, das gilt auch für andere Kollegen, diese gegensätzlichen Interessen auszugleichen". Er spricht auch vom Frust vieler Polizisten, die sich aufgrund der belastenden Vorgänge nach den Einsätzen zum Frustabbau betranken, da sie gegen ihr Gewissen Dienst leisten mussten. "Gegen die Schlägerbande aus Berlin führte kein Strafverfahren zum Erfolg", verweist der frühere Verfassungsrichter Helmut Wilhelm auf brutales Polizei-Vorgehen am Bauzaun. Trotz vieler Schikanen sei er als "grüne Kröte" vom Landtag geschluckt worden. "Und schließlich habe ich das Bundesverdienstkreuz für ,frühen Einsatz für alternative Energien' bekommen."
ONETZ: Mit welchen Erwartungen sehen Sie den Landtagswahlen entgegen?
Kathrin Göring-Eckardt: Wir erleben in Bayern sehr viel Zuspruch, die CSU dagegen liege völlig neben der Realität. Wir wollen eine europafreundliche Politik und keinen Überwachungsstaat und wir haben tolles Personal. Das alles stimmt mich sehr hoffnungsvoll.
ONETZ: Wie sieht ihrer Meinung nach grüne Politik für den ländlichen Raum aus?
Kathrin Göring-Eckardt: Ein wesentlicher Punkt ist unser Einsatz für schnelles Internet. Wichtig ist uns auch eine verbesserte Mobilität, die Beschränkung des Flächenverbrauchs, eine umweltverträgliche Landwirtschaft, die auch dem Tierwohl gerecht wird und die Förderung des Tourismus in unseren schönen Regionen.
ONETZ: Was gefällt Ihnen besonders an der Oberpfalz?
Kathrin Göring-Eckardt: Ich stamme ja ebenfalls aus dem ländlich geprägten Thüringen. Deshalb habe ich mich hier auch gleich zu Hause gefühlt. Es ist für mich wie Heimat.
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