Der großartige Konzertabend beginnt mit Johannes Brahms' "Tragischer Ouvertüre d-Moll op. 81". Schon hier zeigt sich die besondere Klasse des Orchesters und seines Dirigenten. Nicolas Rauss dirigiert auswendig, er hat die Partitur verinnerlicht und kann deshalb immer mit den Blicken bei den Musikern sein.
Stets ist spürbar, dass sich Dirigent und Musiker sehr nah sind. Er ist ganz bei ihnen, und sie geben sich vorbehaltlos in seine Hand. Seine weit ausgreifenden Bewegungen sind expressiv, manchmal sogar aufpeitschend. Dabei verzichtet er auf einen Dirigentenstab, aber seine Hände und Arme haben offenbar mehr Gelenke als die von Normalsterblichen.
Atemlos lauschen die Zuhörer dem Ausdruck von hoffnungsloser Einsamkeit und der verzweifelten Sehnsucht nach Nähe und Vertrautheit. Melancholie und Trauer dürften den jungen Instrumentalisten noch fremd sein, aber sie fühlen sich in diese Seelenwelt ein und nehmen auch die Zuhörer in die emotionalen Abgründe mit.
Auch die "Lieder eines fahrenden Gesellen" von Gustav Mahler sind düster: Es geht um eine unglückliche Liebe, die den Gesellen aus der Heimat treibt. Ungewöhnlicherweise singt eine Frau, die Mezzosopranistin Natalya Boeva, die Solopartie. Ihre Stimme ist jung, schlank und klar. Vor allem in den mittleren und hohen Lagen verzaubert sie mit schönem, warmem Timbre und eleganter Flexibilität, die es ihr ermöglichen, die glückliche Traumstimmung genauso überzeugend zu gestalten wie den Ausdruck höchsten Schmerzes. Als sie "Ich hab ein glühend Messer in meiner Brust" singt, überläuft die Zuhörer eine Gänsehaut.
Wegen des sehr unsicheren Wetters hatten die Verantwortlichen bei den Lions lange gezögert, sich dann aber doch dafür entschieden, das Konzert lieber nicht "open air" im Schlosshof zu wagen, sondern den sicheren Schutz der Krötensee-Sporthalle aufzusuchen. Atmosphärisch ist das natürlich nicht so schön, dafür verstärkt die Akustik der Halle die musikalische Wucht von Richard Strauss' "Also sprach Zarathustra".
Wogende Klänge durchfluten den Saal, scheinbar völlig entfesselte Gewalten toben, werden aber von Rauss immer streng am Zügel gehalten. Mächtige Dynamik, dann wieder warme Sinnlichkeit fesseln das Publikum. Strauss nutzt in seiner Komposition sehr geschickt die unterschiedlichen Klangfarben des Orchesters, indem er immer wieder einzelne Instrumente oder Instrumentengruppen fast solistisch spielen lässt. Das gibt den hervorragenden Orchestermusikern die Gelegenheit zu glänzen. Besonders der Konzertmeister brilliert mit der Geige, aber auch die 1. Bratschistin und eine Schlagzeugerin beeindrucken mit ihrem virtuosen Können.
Mit stürmischem Applaus fordert das Publikum eine Zugabe. Schließlich setzen die Musiker ihre Instrumente wieder an und spielen Edward Elgars "Pomp and Circumstance". Wieder begeistern die Ausdruckskraft, Präzision und Spielfreude des BLJO. Erst nach stehenden Ovationen entlassen die Zuhörer das Orchester schließlich in den Feierabend. Ein großartiger Musikgenuss. Wir freuen uns schon auf das Neujahrskonzert des BLJO am Samstag, 4. Januar 2020, um 17 Uhr in der Krötensee-Sporthalle.
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