Sulzbach-Rosenberg
26.12.2018 - 15:41 Uhr

System umgestalten nach 100 Jahre alten Ideen

Revolutionäre Ideen aus der Zeit um 1918, die damals unerfüllte Möglichkeiten blieben, können durchaus Anregungen für eine heutige linke Politik bieten. Das meint Referentin Kathrin Schödel in Sulzbach-Rosenberg.

Man sollte überlegen, inwieweit die Erfahrungen der bayerischen Räterepublik für heutige linke Politik
genutzt werden können, forderte Dr. Kathrin Schödel. Bild: exb
Man sollte überlegen, inwieweit die Erfahrungen der bayerischen Räterepublik für heutige linke Politik genutzt werden können, forderte Dr. Kathrin Schödel.

Dieses Resumee gab Dr. Kathrin Schödel bei einer Veranstaltung des Vereins Punk eV. und des Kurt-Eisner-Verein im Literaturarchiv den Besuchern mit auf den Weg. Derzeit werde, anlässlich des 100. Jahrestags, das Ende des Ersten Weltkrieges, die Gründung der Weimarer Republik, die Gründung der Bayerischen Räterepublik und damit verbunden die Gründung des Freistaates verstärkt diskutiert, stellte der wissenschaftliche Leiter Michael Hehl (M.A.) in den Raum. Meist sei dabei von Männern wie Kurt Eisner, Ernst Toller und Erich Mühsam die Rede.

Ein harmlose Spuk, getragen von einigen Intellektuellen, könnte man meinen. Die Referentin der Veranstaltung, Kathrin Schödel, werde diese Sichtweise in zwei Richtungen, mit Blick auf den Geschlechterdiskurs und auf Anknüpfungsmöglichkeiten für heutige linke Politik, erweitern.

Derzeit werde in verschiedenen Publikationen wie dem Spiegel oder der Rosa-Luxemburg-Stiftung "100 Jahre Novemberrevolution" in eine Konstruktion nationaler Identität eingeordnet, kritisierte die Referentin zu Beginn. Der Bezug auf die Nation widerspreche der Erinnerung an eine Revolution, bei der es gerade um das Aufbrechen der so legitimierten Gemeinschaft zwischen Herrschenden und Beherrschten, Ausbeutenden und Ausgebeuteten gegangen sei. Ebenfalls setzte sich Schödel mit der bis heute dominanten Aufteilung der sozialen Welt in eine private und eine politisch-öffentliche Sphäre kritisch auseinander.

Das Private wird politisch, so der Untertitel des Vortrages, variiere ein Motto der zweiten Frauenbewegung der 1970er Jahre und verbinde die politischen Dimensionen des klassischen Kerns der Privatsphäre, Familie und private Haushalte, mit der grundlegenden Trennung zwischen privatwirtschaftlicher Ökonomie und Politik im Kapitalismus.

Die revolutionäre Idee einer Räterepublik beruhe auf dem Politischwerden der Ökonomie, indem diese von den Produzierenden selbst verwaltet würde, erläuterte die Referentin. Dieses politische Konzept ging einher mit der Forderung nach einer Sozialisierung der Ökonomie, das heißt der Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln - die materielle Grundlage für eine umfassend demokratische Politik.

Politikerinnen wie die USPD-Politikerin Toni Sender plädierten für eine stärkere Einbeziehung der Frauen in das Rätesystem. Die dabei auch gestellte Frage nach einer neuen Organisation des Einzelhaushaltes traf ins Herz der traditionellen Geschlechterverhältnisse mit dem idyllisierten trauten Heim als scheinbar außerpolitischem Ort. Dessen ökonomischen Bedingungen wurden ebenfalls meist ausgeklammert, erklärte Schödel.

Das grundlegende Werk von August Bebel "Die Frau und der Sozialismus" entwarf Möglichkeiten einer zentralen Organisation der Reproduktion. Danach gehöre Hausarbeit zur gemeinsam zu organisierenden gesellschaftlichen Arbeit.

Leider blieben solche Ansätze im Kontext der Novemberrevolution beim Beginn der Debatte stecken beziehungsweise wurden im Keim erstickt, meinte die Referentin. Aber es lohne sich, darauf zurückzugreifen, wenn man sich für die Verbindung von Gender- und Klassenpolitik interessiere und auf der Suche nach radikalen Möglichkeiten einer revolutionären Umgestaltung des ökonomischen und politischen System sei.

 
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