Kaléko gehörte in den 1930er-Jahren zu den erfolgreichsten deutschen Dichtern. Ihre Gedichtbände "Das lyrische Stenogrammheft" (1933) und "Kleines Lesebuch für Große" (1935) waren Bestseller. Warum, das konnten die Besucher im praktisch ausverkauften Stadel der Buchhandlung Volkert erleben. Aline Joers und Franz Tröger, Schauspieler aus Bamberg, erwiesen mit ihrem Programm "Ein Koffer voller Sehnsucht" der Dichterin eine wunderbare Hommage.
Kalékos Gedichte nehmen die Menschen auf die Schippe, spotten über alltägliche Befindlichkeiten, behandeln Liebe und Alltag. Diese Texte inspirierten auch Komponisten und Kleinkünstler, die sie dann im Rundfunk und im Künstlerkabarett zum Besten gaben. Deshalb rezitierte Joers nicht nur, sondern sang auch. Dabei begleitete Tröger sie am Akkordeon, am Piano und zweimal sogar mit einer Spieluhr. Mit großer Sorgfalt fädelte er den Lochstreifen ein, auf dem die Melodie kodiert war, und kurbelte dann eifrig.
Joers schlüpfte in die Rolle der Dichterin. Ein paar sparsame Requisiten wie ein Kissen, ein Hut oder eine Schürze ersetzten jegliches Bühnenbild und versetzten zusammen mit der klaren, flexiblen Stimme die Zuhörer in das Berlin der Goldenen Zwanziger. Die Schauspielerin agierte mal mit naivem Charme, wenn sie die Liebe besang, mal mit kühler Nüchternheit bei "Quasi ein Mahnbrief", zeigte aber auch mit Feuer Kalékos politische Seite. Der "Chor der Kriegswaisen" ließ dem Publikum eine Gänsehaut den Rücken hinunterlaufen. Wunderbar war es, wenn Tröger und Joers die Gedichte im Dialog vortrugen, wie bei "Tratsch im Treppenflur" im breiten Berliner Dialekt.
Auch eine Kurzgeschichte von Kaléko hörten die Besucher: "Die Sache mit dem Achtellos". Oberflächlich lustig, gab es hier wie in den Gedichten wehmütige Untertöne. Kaléko wird oft mit Erich Kästner verglichen und in die Schublade "Neue Sachlichkeit" eingeordnet. Aber ihre Werke, mit ihrer Sentimentalität und Schnodderigkeit, voller Jugend und zugleich Ernüchterung, Traurigkeit und Sehnsucht nach einem edleren Leben sind etwas ganz Eigenes.
Der Abend konnte nur ein Appetithäppchen sein. Joers und Tröger hatten den Besuchern Lust auf mehr gemacht, so dass sie nach dem kräftigen Applaus den Büchertisch umlagerten und sich mit Kaléko-Gedichten in verschiedenen Ausgaben für zu Hause versorgten.
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