Tirschenreuth
06.09.2019 - 14:46 Uhr

Abenteuer am Hinmel

Der Traum vom Fliegen kann beim Segelflugclub Stiftland verwirklicht werden. Nach der Ausbildung, die gar nicht schwierig erscheint, dürfen die Piloten bis zu 3000 Höhenmeter erklimmen und können sogar ganz Deutschland umsegeln.

Roger Stich und Gerald Kopf vom Segelflugclub Stiftland schildern den wohl größten Menschheitstraum, das Fliegen, als weit weniger kompliziert oder gefährlich als manch einer denkt. "Wer möchte, kann ganz unverbindlich Schnupperflugstunden nehmen", sagt Vorsitzender Stich und reicht einen Flyer weiter. Mit "Schnupperfliegen. Unverbindlich. Unkompliziert. Unverschämt gut" wird die besondere Herausforderung betitelt, die verspricht, dass Segelfliegen Spaß macht und ein Abenteuer sei hoch am Himmel. "Wir bieten das an, um Interessierten die Möglichkeit zu geben, sich das Segelfliegen genau anzuschauen, bevor sie eine Entscheidung treffen", erklären Stich und Ausbilder Kopf. Das Schnupperfliegen könne als kleine Ausbildung gewertet werden, fügen sie an. Innerhalb von vier Wochen können Interessierte mit einem erfahrenen Fluglehrer 20 Minuten mit dem Motorsegler fliegen und haben fünf Starts mit dem Segelflugzeug. "Die Teilnehmer dürfen selbst steuern und nehmen am Pilotensitz Platz", betont Stich. Nicht einmal das Erwachsenenalter muss dafür erreicht sein. Das Schnupperfliegen ist schon ab 14 Jahren erlaubt. Natürlich sollte auch ein wirkliches Interesse an dieser etwas anderen, sportlichen Herausforderung vorliegen. Das ist Ausbilder Kopf ein großes Anliegen. "Und man sollte körperliche Fitness mitbringen." Ein Gesundheitsattest sei nicht notwendig.

Wer Segelfliegerpilot werden möchte, müsse dieses erst vor dem ersten Alleinflug nachweisen. Zu Flugarzt Dr. Norbert Simons aus Weiden müssen auch die Clubmitglieder. Vor dem 40. Lebensjahr wird alle vier und danach alle zwei Jahre die Flugtauglichkeit geprüft. Nur mit dem ok des Mediziners geht es ganz nach Reinhard Meys Lied über die Wolken. Zum berühmten Hit schmunzeln der Ausbilder und der Vorsitzende. "Denn beim Segelfliegen sind wir nie über den Wolken", klären sie auf.

Sonntagsausflüge

Beim Blick auf die kleinen Cockpits der Segelflieger wird einem ein wenig schwindelig beim Gedanken, auf derart winzigem Raum über Tirschenreuth zu schweben. Wieder falsch: Erstens ist Gerald Stich ein ziemlich großer Mann, also ist für fast jeden ausreichend Platz im Cockpit. Zweitens: Die Piloten des Segelflugclubs Stiftland segeln nicht nur über der Kreisstadt oder dem Landkreis. Ein Segelflugzeug ist das beste Fortbewegungsmittel für Sonntagsausflüge. Ohne Staus und grenzenlos komme man vorwärts, wird bestätigt.

"Wir fliegen bis zu acht Stunden am Stück", erklärt Stich. Als Beispiel schaut Kopf in seinem Mobilfunktelefon nach, wie weit der längste Flug in diesem Jahr gewesen ist. 1200 Kilometer hat einer gezählt. In Australien, erzählt Kopf, sei er selbst auch einmal 1000 Kilometer weit geflogen. Da gibt es weder eigene noch gesetzliche Beschränkungen. Bis zur besagten Obergrenze dürfen Segelflugzeuge also grenzenlos unterwegs sein? Nicht ganz, sagen die Fachmänner. "Andere Flughäfen und der amerikanische Militärstützpunkt Grafenwöhr sind Sperrgebiete." Aber zum Beispiel bis München, über die Alpen oder einmal rund um Deutschland sei alles möglich. Vorausgesetzt die Thermik erlaubt's, denn Segelfliegen ist warmen Winden unterworfen.

Ausgleich zum Alltagsstress

Deshalb sind Sommertemperaturen ideal für lange, herrliche Flüge. Nun bringen die Stiftländer Piloten natürlich nicht regelmäßig derart große Strecken hinter sich. Sechs Stunden etwa, sagt Stich, sei er unterwegs am Wochenende. Was er davon hat, das erklärt der 40-jährige Segelflugpilot mit wenigen Worten: "Es ist still. Ich habe meine Ruhe. Und das Handy hat keinen Empfang mehr." Der Ausgleich zum Alltagsstress sei unvergleichlich hoch, bestätigt auch Gerald Kopf.

Bis dahin braucht es eine solide Ausbildung. Der Landevorgang und das damit verbundene Einschätzen der richtigen Höhe seien der schwierigste Part für Neuanfänger. "Das braucht Übung", so Kopf. Wesentlich leichter seien das Steuern und Kurven fliegen. "Das begreifen nahezu alle schnell. Einige in nur einer Stunde." Im Schnitt, hat Kopf errechnet, seien gut 50 Flugstunden erforderlich bis zur Prüfung. Der Absolvent werde von zwei Fluglehrern unabhängig beobachtet und dürfe bei dann seinen ersten Alleinflug starten. Gegen böse Überraschungen am Himmel in Form von Regengüssen oder Gewittern haben die Segelflieger spezielle Flugwetterberichte auf ihren Mobilfunktelefonen. Wird man trotzdem von einem Unwetter überrascht, darf man auch auf einem Acker landen. Dann ist Teamarbeit der Helfer aus dem Club gefordert.

Teamarbeit wichtig

Stichwort Teamarbeit: Die sei sowieso unverzichtbar beim Segeln, sagt Stich. Um einen Segler in den Himmel zu "schubsen", sind immerhin fünf Mann notwendig. Die TL 96 Sting, ein Ultraleichtflugzeug, zieht Gerald Kopf zwar allein aus dem Hangar. Aber nicht jeder könnte das Flugzeug allein aufs Startfeld bringen. Was die Sicherheit angeht, hat die TL 96 Sting eine Besonderheit, auf die Kopf stolz hinweist: Unter der Verdeck-Halbkugel ist hinter dem Pilotensitz eine kleine Rakete installiert. "Bei Gefahr schießt sie einen Fallschirm durchs Dach, der den Piloten mitsamt dem Flugzeug wieder heil zum Boden zurückbringen soll", erklärt Kopf. Alle anderen Passagiere und Piloten haben einen Fallschirm am Rücken. Darauf legt der SFC Stiftland viel Wert. Zwar seien diese gesetzlich nicht erforderlich. Aber man habe sich dafür entschieden.

Wer die Anforderungen der Flugtechnik beherrscht und Verantwortungsbewusstsein mitbringt, kann sich nach bestandener Prüfung "über den Wolken" von der Faszination des Fliegens treiben lassen. Sechs Flugzeuge, darunter drei Segelflugzeuge, ein Doppelsitzer als Schulungsflugzeug, ein Motorsegler und das Ultraleichtflugzeug, stehen im Hangar des SFC Stiftland zum Start bereit. "Es kostet wirklich weniger als man denkt", sagen Stich und Kopf. Im Vergleich mit dem Hobby Motorradfahren sei Segeln ein Schnäppchen.

Hintergrund:

Segelflugclub Stiftland

Der Segelflugclub Stiftland in Tirschenreuth wurde 1951 gegründet und hat 32 aktive sowie 56 passive Mitglieder. Vorsitzender Roger Stich, 40 Jahre alt, gehört dem Club seit 2014 an, der 47-jährige Ausbildungsleiter Gerald Kopf ist seit 32 Jahren Mitglied. Neben dem Flugbetrieb wird auch das Vereinsleben gepflegt mit regelmäßigen Veranstaltungen wie dem Flugplatzfest und der Flugwoche. Geflogen wird ab dem Segelflugplatz am Stadtrand von Tirschenreuth, Richtung Rothenbürg rechts. Den Clubmitgliedern stehen sechs Flugzeuge zur Verfügung. Wer Interesse hat, kann sich für das Schnupperfliegen anmelden per E-Mail ausbildungsleiter[at]sfc-stiftland[dot]de oder per Telefon 09631/2455 direkt am Flugplatz (an den Wochenenden). Weitere Infos und Kontakte gibt es im Internet auf www.flugplatz-tirschenreuth.de.

 
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