Tirschenreuth
03.03.2020 - 19:44 Uhr

Jetzt sind alle in Tirschenreuth im Passions-Modus

Der eine liest ein Buch zur Vorbereitung auf seine Rolle als Judas. Der andere hat eine spezielle Methode, seine Bühnengestalt als Jesus einzustudieren. Nun verraten zwei Passion-Darsteller mehr über ihre Vorbereitungen auf das Stück.

Der Regisseur und Autor der Neuen Tirschenreuther Passion, Johannes Reitmeier (Mitte) zusammen mit Judas alias Bernhard Neumann (links) und Jesus-Darsteller Julian Mühlmeier (rechts). Bild: tr
Der Regisseur und Autor der Neuen Tirschenreuther Passion, Johannes Reitmeier (Mitte) zusammen mit Judas alias Bernhard Neumann (links) und Jesus-Darsteller Julian Mühlmeier (rechts).

Niemand weiß bisher genau, was bei der neuen Tirschenreuther Passion so alles auf der Bühne passiert. Oberpfalz-Medien erfahren in den Probenpausen von Jesus und Judas alias Julian Mühlmeier und Bernhard Neumann mehr dazu.

Wie schwer es für die beiden Darsteller ist, sich in das Stück, respektive ihre Rollen hineinzuarbeiten, wollen wir wissen. Mühlmeier sagt:, "Jeder der christlich aufgewachsen ist, kennt Handlung und Bedeutung der Passion." Interessant werde es, beschäftige man sich intensiver mit neuen Erkenntnissen und deren Bedeutung. "Wir sind, seitdem die Proben gestartet sind, im ,Passions-Modus' und saugen alles Wissen und alles, was wir diesbezüglich hören, auf", stellen die beiden Darsteller fest.

Emotional bereits im Stück

Bernhard Neumann verrät, dass es ihm, von der emotionalen Seite her gesehen, bisher nicht allzu schwer gefallen sei, ins Stück hineinzufinden. Womit er anfangs beim Textlernen etwas zu kämpfen hatte, sei die Reimform. Das helfe zwar einerseits, den Text leichter zu behalten, andererseits sei es schwieriger, die Passagen mit dem notwendigen Subtext zu unterfüttern.

Auf die Frage, wie viel Individualität sie den beiden Rollen, die sie verkörpern, verleihen können, antwortet Jesus-Darsteller Julian Mühlmeier, dass gerade seine Rolle im Stück ziemlich festgelegt sei. Er wolle einen bodenständigen, einen menschlichen Jesus zeigen. Einen, der zu seiner Zeit gesellschaftliche Grundwerte, wie Toleranz, Gerechtigkeit und Nächstenliebe neu manifestiert habe. Werte, die heutzutage oft regelrecht mit Füßen getreten würden.

Schon aus dem Grund könne man diese unumstößlichen Prinzipien nicht oft genug thematisieren. Dabei habe die Menschlichkeit eine sehr wichtige Rolle, "damit wir uns einfacher mit Jesus identifizieren können." In der heutigen Zeit hätte die Gesellschaft genug von Übertreibungen und hierarchischen Denkmustern. Jesus habe jeden mit offenen Armen aufgenommen und sei für jeden dagewesen. Diese "Echtheit" darzustellen, ist Mühlmeier ganz wichtig.

Bernhard Neumann hat im Vorfeld das Buch "Judas - der Komplize" gelesen und sich eine Rollenbiographie erarbeitet. Die sei für ihn die Basis zur Interpretation der Judas-Rolle. "Neues ergibt sich natürlich auch durch die Neuinterpretation." Neumann sagt, dass Judas in der neuen Passion eine ganz besondere, eine wichtige Rolle zufalle, die weit mehr sei als der bloße Verrat.

Üben vor dem Spiegel

In Bezug auf Judas, dessen Rolle vom üblichen Charakterbild weit entfernt ist, sagt Mühlmeier: "Ich glaube was in unserer Passion herauskommen soll ist, dass Judas nicht die immer auf ihn abgewälzte Bösewicht-Rolle hatte und dass das Verhältnis zwischen ihm und Jesus stets enger war als bisher angenommen. Ohne seine Taten wäre die ganze Bestimmung, die Jesus zuteil wurde, gar nicht eingetreten - und Jesus wusste das." Das Gute könne halt nur existieren, wenn es auch das Böse gebe. "Ähnliche Bipolaritäten sind oft im Leben zu finden. Akzeptierten wir sie rein neutral, hilft uns das und das macht vieles einfacher."

Julian Mühlmeier übt immer wieder Passagen vor dem Spiegel, um zu sehen, wie diese rüberkommen. "Ich glaube, das ist wichtig, denn kleinste Veränderungen von Mimik oder Körperhaltung können sowohl die Darstellung als auch die Auffassung des Publikum verändern." Bernhard Neumann geht auf der Fahrt zur Arbeit immer wieder seinen Text durch und versucht dabei, die nötigen emotionalen Bilder dazu zu kreieren. Julian Mühlmeier war kurz vor dem ersten Probenblock in Israel und Palästina und hat einige Schauplätze von damals besucht. Man könne sich danach viel besser bildlich vorstellen, wie das vor 2000 Jahren gewesen sein könnte und von dieser besonderen Atmosphäre könne man durchaus profitieren. Neumann war noch nicht an den Originalschauplätzen, würde sie aber gerne kennenlernen. "Ein Teil der Oberammergauer Passionsspieler macht das immer vor den Aufführungen. Vielleicht kann unsere Produktionsleitung nach der Passion mal was ähnliches organisieren", schlägt er vor.

In der neuen Passion ist Judas (rechts) derjenige, dem die undankbare Aufgabe zufällt, den Menschensohn zu verraten, damit die Prophezeiung seine Erfüllung findet. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist er vielleicht derjenige der Apostel, der Jesus am nächsten stand. Bild: tr
In der neuen Passion ist Judas (rechts) derjenige, dem die undankbare Aufgabe zufällt, den Menschensohn zu verraten, damit die Prophezeiung seine Erfüllung findet. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist er vielleicht derjenige der Apostel, der Jesus am nächsten stand.
 
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