Am Mittwoch hat die Fastenzeit begonnen. In dieser Zeit nehmen sich viele gläubige Menschen gerne einen Vorsatz, wie auf Süßigkeiten und Genussmittel zu verzichten. Andere nehmen diese Wochen zum Anlass, auch ein bisschen Gewicht zu verlieren. Diese Verhaltensweise ist sicherlich nicht verkehrt, aber in der Fastenzeit geht es um mehr.
Denn mit dem Aschermittwoch haben 40 besondere Tage begonnen, die helfen sollen, sich auf das bevorstehende Osterfest, das größte Fest der Christenheit, vorzubereiten. Diese Zeit soll daher mehr dem Zunehmen als dem Abnehmen dienen: nämlich dem Zunehmen an Glaube und an Liebe. So bezeichnet der Theologe Ulrich Lüke die Fastenzeit als eine Art „Trainingslager der Menschlichkeit“.
Regelmäßiges Training lohnt sich
Die Fastenzeit als Trainingslager zu sehen, gefällt mir persönlich sehr gut. Denn wie ein Training mühsam, hart und unangenehm sein kann, so ist es auch mit dem Verzicht auf Liebgewonnenes. Das kann hart sein. Das kann zur Herausforderung werden. Aber wie man in Amerika sagt: „No pain, no gain“ (kein Schmerz, kein Gewinn). Das, so kann man sagen, gilt im übertragenen Sinne auch ein wenig für die Fastenzeit: „No pain, no gain“ – kein Fastenopfer, kein Fortschritt in Glaube, Hoffnung, Liebe und Geduld.
Alle Anstrengung, die man jetzt aufbringt, wird sich am Ende aber auszahlen. Ein regelmäßiges Training wird sich lohnen. Denn dadurch erreicht man eben einen höheren Grad an körperlicher, geistiger oder auch spiritueller Fitness. Und gerade darum sollte es gehen: darin zuzunehmen und zu wachsen.
Drei Haltungen gefragt
Doch wie kann das gelingen? Für den Theologen Ulrich Lüke gehören zu diesem besonderen „Trainingslager der Menschlichkeit“ die drei Trainingseinheiten Authentizität, Solidarität und Spiritualität. Sie entsprechen den drei Haltungen, die den Christen zu Beginn der Fastenzeit jedes Jahr wieder neu mit auf den Weg gegeben werden: Fasten, Almosengeben und das Gebet. Diese drei Bereiche können eine Hilfestellung sein, unseren eigenen Trainingsplan aufzustellen.
Da ist zunächst der Bereich des Fastens bzw. der Authentizität. Als Mensch steht man selbst in unzähligen Beziehungen zu anderen Menschen. Nicht jedem zeigen wir dabei aber unser wahres „Ich“, so wie wir sind, so wie Gott uns geschaffen hat. Wir verstellen uns, geben uns anders, um beispielsweise intelligenter zu wirken oder beliebter zu werden. Doch nicht nur unser Verhalten, sondern auch Gegenstände und Gewohnheiten können uns gleichsam verändern und in Abhängigkeit setzen: das Smartphone, der Fernseher, Alkohol, Tabak.
Daher ist es sinnvoll, einmal einen ehrlichen Blick auf das eigene Leben zu werfen und da und dort eine Stellschraube neu zu justieren, wo man das als notwendig erkennt. Authentizität oder Fasten kann also bedeuten: Verzichte auf so manche (un)liebsame Gewohnheit oder Maskerade von dir. Werde vielmehr du selbst, so wie Gott dich geschaffen hat und wie er dich liebt, mit allen Stärken und Schwächen.
Wo kann ich anderen helfen?
Dann kommt der zweite Bereich ins Spiel: das Almosengeben bzw. die Solidarität. Der Blick weg von sich, hin zu den anderen. In dieser Trainingseinheit darf ich mir die Fragen stellen: Wo und wie kann ich anderen helfen? Kenne ich vielleicht jemanden, der meine Hilfe jetzt gerade im Moment brauchen kann? Das muss nicht immer nur die finanzielle Hilfeleistung sein. Man kann auch Zeit teilen, einen Ratschlag geben, ein gutes Wort sagen, zuhören, zum Telefon greifen und jemanden anrufen, mit dem man schon lange nicht mehr gesprochen hat.
Als dritte Trainingseinheit gibt es dann noch das Gebet bzw. die Spiritualität. Das Gebet, das Sprechen mit Gott, dürfen wir besonders in dieser Zeit in den Blick nehmen. Möglichkeiten dazu gibt es viele. Es kann helfen, sich eine feste Zeit am Tag, beispielsweise am Morgen oder am Abend, dafür einzurichten. Diese Gebetszeit kann eine Zeit werden, in der ich Trost finde, Ermutigung erhalte und Hoffnung schöpfe, wenn ich Gott all das hinhalte, was mich erwartet oder was ich erlebt habe.
Zeiten der Stille
Zudem gibt es die Möglichkeit, Zeiten der Stille in Kirchen zu suchen, an Kreuzwegandachten teilzunehmen oder die Gottesdienste mitzufeiern. Gerade diese Trainingseinheit möchte und kann mir zur unglaublichen Kraftquelle werden, in der ich immer wieder neu Gottes Zuspruch und Hilfe erfahren darf.
Authentizität, Solidarität und Spiritualität. Diese drei Bereiche wollen uns wachsen lassen in unserer Menschlichkeit und vor allem in unserem Glauben. Natürlich braucht es dafür Zeit und Geduld, wie beim Sport auch. Wer mit dem Laufen beginnt, wird auch nicht gleich einen Marathon absolvieren, sondern mit kleinen Distanzen anfangen. Beginnen auch wir in kleinen, dafür aber erfolgreichen Schritten. Und wenn wir ins Straucheln geraten, dürfen wir sicher sein, dass unser Trainer, nämlich Gott selbst, uns auffängt und uns hilft, neu zu starten und weiter zu trainieren. Legen wir also los, denn wie sagt uns ein Sprichwort: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“
Bis zum Karsamstag werden an jedem Wochenende Geistliche und Referentinnen in einer kleinen Serie bei Oberpfalz-Medien ihre Impulse zur Fastenzeit liefern.
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