Tirschenreuth
23.12.2018 - 12:26 Uhr

Hungern, bis das goldene Schweinchen kommt

Wie feiern eigentlich unsere tschechischen Nachbarn Weihnachten? Manches ist wie bei uns. Es gibt aber auch interessante Unterschiede.

Ein beliebtes Mitbringsel für die Verwandtschaft ist in Tschechien ein Mistelzweig. Dieser wird über einem Türstock aufgehängt. Wenn zwei sich unter dem Mistelzweig küssen, wird ihre Liebe ewig währen. Hanna Pilz und Phillip Kraus probieren es gleich einmal aus. Bild: bec
Ein beliebtes Mitbringsel für die Verwandtschaft ist in Tschechien ein Mistelzweig. Dieser wird über einem Türstock aufgehängt. Wenn zwei sich unter dem Mistelzweig küssen, wird ihre Liebe ewig währen. Hanna Pilz und Phillip Kraus probieren es gleich einmal aus.
Auch in Tschechien werden zu Weihnachten die vielfältigsten Plätzchen (cukroví) gebacken. Bild: bec
Auch in Tschechien werden zu Weihnachten die vielfältigsten Plätzchen (cukroví) gebacken.

Fragt man die Tschechen nach ihrer Religion, winken die meisten ab: mit Glauben oder Kirche haben die Leute in unserem Nachbarland nicht viel am Hut. Ganz im Gegensatz zu den ebenfalls postkommunistischen Polen gilt Tschechien europaweit als das Land mit den meisten Menschen ohne Religionszugehörigkeit.

Aber wie ist das dann mit Weihnachten? Das feiern die doch auch, oder? Ja, das tun sie. Und der Ablauf der Weihnachtsfeierlichkeiten jenseits der Grenze unterscheidet sich dabei gar nicht so sehr von unserem.

Einfluss aus Deutschland

Los geht es auch bei unseren Nachbarn am 24. Dezember, dem stedrý den, was wörtlich übersetzt so viel heißt wie "reichlicher" oder "nobler" Tag. Im Tschechischen bezieht sich die Bezeichnung also auf den ganzen Tag und nicht nur den (heiligen) Abend. Am Morgen des 24. Dezember wird der Baum geschmückt. In vielen Familien dürfen die Kinder den Baum erst sehen, wenn die Glöckchen läuten und das Jesuskind (Ježísek) die Geschenke bringt.

Früher brachte die der heilige Nikolaus, im 19. Jahrhundert wurde diese Vorstellung unter Einfluss aus Deutschland aber von der Vorstellung abgelöst, dass die Geschenke das Christkind bringt, ohne dabei gesehen zu werden. Nach dem Baumschmücken verbringen auch unsere tschechischen Nachbarn den Tag mit Kochen, Saubermachen, Geschenke einpacken, Märchenfilmen im Fernsehen oder familiärem Beisammensein.

Gerade Anzahl

Wer es schafft, den ganzen Tag zu fasten, der darf darauf hoffen, dass ihm am Abend das goldene Schweinchen erscheint, das ihm für das ganze kommende Jahr Reichtum und eine gute Ernte verspricht. Uneinig sind sich unsere Nachbarn dabei, ob ihnen das goldene Schweinchen als Belohnung für das ganztägige Fasten erscheint oder ob sich aufgrund des Hungers bereits Halluzinationen eingestellt haben. Das bezeugt den typisch tschechischen Humor, der wesentlich selbstironischer ist als der deutsche.

Zum Essen gibt es traditionell Fischsuppe, Karpfen, der auch schon mal tagsüber in der Badewanne gehalten wird, Kartoffelsalat und Plätzchen. Auch die Plätzchen unterscheiden sich nicht wesentlich von unseren. Typisch tschechisch ist aber die Vánoka, der Weihnachtszopf, der eher an unseren Osterzopf erinnert.

Beim Abendessen sollte die Anzahl der Personen unbedingt gerade sein. Ist dies nicht der Fall, findet sich auf der weihnachtlichen Tafel ein zusätzliches Gedeck für einen unerwarteten Gast. Unter die Teller werden Karpfenschuppen gelegt, die sich dann jeder in die eigene Geldbörse steckt, damit im kommenden Jahr das Geld nicht ausgeht. Vom Tisch darf während des Weihnachtsessens niemand vorzeitig weggehen. Damit würde man riskieren, das nächste Weihnachten nicht mehr zu erleben.

Nach dem Essen wird ein Apfel gespalten, und zwar nicht von oben nach unten, sondern quer durch. Dieser Brauch hat es auf den Apfelkern abgesehen, der gründlich betrachtet wird. Hat der Schnitt einen fünfzackigen Stern ergeben, bringt das fürs nächste Jahr Glück und Gesundheit. Ist der Apfel wurmig, muss man sich auf eine Krankheit einstellen. Und wem der gespaltene Kern ein Kreuz zeigt, der muss sogar mit dem Schlimmsten rechnen. Hierbei lässt sich das Schicksal aber natürlich ein bisschen austricksen: Wer sich zum Spalten einen gesunden, großen Apfel aussucht, darf auf eine günstige Prognose hoffen.

Bleigießen gehört dazu

Auch Bleigießen kennt man in Tschechien. Während es bei uns aber erst eine Woche später an Silvester auf dem Programm steht, machen unsere Nachbarn dies schon an Heiligabend. Nach dem Abendessen ist es dann Zeit für die Geschenke. Die Familie versammelt sich um den Weihnachtsbaum zum Geschenke auspacken und gemeinsam Lieder singen.

Mit den Weihnachtsliedern verhält es sich in etwa so, wie mit den Plätzchen. Manche sind typisch tschechisch, manche sind ebenso in Deutschland oder anderen Ländern bekannt. Mit kleineren textlichen Abweichungen wird auch jenseits der Grenze zum Beispiel "Stille Nacht" gesungen, das wohl bekannteste Weihnachtslied, das sich im Verlauf der letzten 200 Jahre in zahlreiche Länder verbreitete.

Anschließend gehen auch in Tschechien nicht nur bekennende Christen in die Mitternachtsmette, die sogar auch im Fernsehen übertragen wird. Der erste und zweite Weihnachtsfeiertag gehören auch in Tschechien den Verwandtenbesuchen. Dabei eignet sich als Mitbringsel ein grünes, versilbertes oder vergoldetes Mistelzweiglein, das dem Beschenkten Glück bringen soll. Dieses wird dann meistens über einem Türstock aufgehängt. Unter dem Mistelzweig darf ein Mann jede Frau küssen. Wenn zwei sich unter dem Mistelzweig küssen, wird ihre Liebe ewig währen.

 
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