Tirschenreuth
12.08.2018 - 11:21 Uhr

„Keine Lösung von der Stange“

Über Umwege kommt Tim Trottmann aus Tirschenreuth zum Glaser-Handwerk. Seit Februar ist der 27-Jährige in Vilshofen auf Meisterkurs. Den Theorie- und Praxis-Teil schließt er als Bester des ganzen Kurses ab.

Stolz präsentiert der Kursbeste Tim Trottmann (Dritter von links) den Ehrengästen (von links) stv. Landesinnungsmeister Guido Carniato, Landesinnungsmeister Thomas Strobl, HWK-Vizepräsident Karl-Heinz Moser und Leiter des Bildungszentrums Josef Sailer sein Holz-Glas-Sideboard. Sein Meisterstück soll ab sofort den heimischen Wohnungsflur zieren. exb
Stolz präsentiert der Kursbeste Tim Trottmann (Dritter von links) den Ehrengästen (von links) stv. Landesinnungsmeister Guido Carniato, Landesinnungsmeister Thomas Strobl, HWK-Vizepräsident Karl-Heinz Moser und Leiter des Bildungszentrums Josef Sailer sein Holz-Glas-Sideboard. Sein Meisterstück soll ab sofort den heimischen Wohnungsflur zieren.

Seit Februar büffelt der 27-Jährige an der Meisterschule in Vilshofen, in einer von zwei Glaser-Meisterschulen Deutschlands. In 680 Unterrichtsstunden perfektionierten die Glaser im Vollzeitkurs ihre handwerklichen Kompetenzen in Theorie und Praxis. Er lernt viel über Glasgeschichte oder Verarbeitungsrichtlinien. Zum Lernstoff gehörten unter anderem auch die Gestaltung, Konstruktion und Fertigung unterschiedlicher Verglasungsprojekte, wie das eines Wintergartens oder einer Kunstverglasung.

Mit insgesamt zwölf jungen Männern ist der Tirschenreuther im Kurs. "Fast alle haben einen Familienbetrieb zu Hause und machen deswegen den Meisterkurs, um das Handwerk in der nächsten Generation weiterzuführen", erklärt Trottmann.

Nicht ins Büro

Er selbst kommt auf einem umständlichen Weg, wie er selbst sagt, zur Glaserei. Eigentlich wollte er nach dem Abi am Stiftland-Gymnasium in München studieren. Nur zur Überbrückung arbeitet er eine Zeit bei seinem Stiefvater bei Glasbau Kirchmann in Tirschenreuth. "Die Arbeit dort hat mir sehr gut gefallen", erkennt Trottmann. Er entscheidet sich um und fängt 2012 bei Kirchmann eine Lehre an. Anfang des Jahres beginnt der 27-Jährige dann den Meisterkurs. Sein höchstes Ziel: "Ich hab Aussichten, die Firma einmal weiterzuführen."

Die Arbeit mit Glas fasziniert den Tirschenreuther. "Ich setz mich nicht gerne ins Büro", sagt er. "Mit Glas kann man viele schöne Sachen mache, man muss sich individuelle Lösungen einfallen lassen, es ist abwechslungsreich."

Innerhalb von einer Woche musste er sein Meisterstück fertig haben. Ausgefallene Kunstwerke sind nicht so sein Ding, er entscheidet sich für ein Möbelstück. Es war vorgeschrieben, aus wie vielen Teilen sein Regal bestehen soll, wie viele Türen und Schlösser es braucht. In der Werkstatt des Tirschenreuther Betriebs machte Trottmann sich an die Arbeit.

"Nichts hat funktioniert in der Woche. Es war furchtbar", blickt der 27-Jährige zurück. Spielraum für andere Sachen hatte er nicht. Dann folgt noch der Transport des fertigen Stücks nach Landau, wo alle Meisterstücke der zwölf Glaser ausgestellt wurden. "Ich bin wahnsinnig langsam gefahren auf der Autobahn. Hoffentlich geht nichts kaputt." Es lohnt sich, alles geht gut. Der Tirschenreuther Glaser schließt den Meisterkurs als Bester ab. Er baut einem Sideboard aus sandgestrahltem Glas und Holz. "Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit einem Kollegen. Im Theorieteil waren wir noch weiter auseinander, aber in der Praxis lagen wir extrem nah beieinander", sagt der Handwerker.

Viele Ideen eingebracht

"Ich bin super glücklich, das hätte ich nicht erwartet", freut sich der 27-Jährige über das Prüfungsergebnis. "Ihre Meisterstücke setzen sich ab durch außergewöhnliche Qualität bei ihrer Verarbeitung und durchdachte Formgebung. Sie verdeutlichen ihre Ideenvielfalt und ihren Sinn für Gestaltung und Funktionalität", hebt Karl-Heinz Moser, Vizepräsident der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, die Prüfungsleistungen hervor.

"Ich bin immer wieder fasziniert von den Meisterstücken", lobt der Vorsitzende des Prüfungsausschusses, Josef Sailer, insbesondere das eindrucksvolle Meisterstück des Tirschenreuthers. "Wenn keine Lösung von der Stange, sondern individuelle Konstruktionen gefragt sind, gehören Sie zu den begehrten Fachleuten", blickte Moser in die Zukunft. Denn zu keiner Zeit seien Konstruktionen aus Glas anspruchsvoller gewesen als heute. Ebenso beglückwünschte der stellvertretende Landesinnungsmeister des Bayerischen Glaserhandwerks, Guido Carniato, die angehenden Meister: "Sie haben überzeugende Werke abgeliefert."

Jetzt genießt der Glasermeister ein paar freie Tage zu Hause im Stiftland. Bis der letzte Teil des Meisterkurses im Oktober weitergeht, arbeitet er zur Überbrückung wieder bei Kirchmann. "Ich freue mich schon drauf zu arbeiten", sagt Trottmann. Der letzte Kursteil besteht aus dem Fachwirt und dem Ausbilderschein. "Nur Theorie, nix Praxis."

Meister-Ausstellung:

Schurken aus Glas

Zwölf Glasermeister präsentierten bei einer Ausstellung im Kastenhof in Landau an der Isar ihre Abschlussarbeiten im Gesamtwert von knapp 90 000 Euro. Die Besucher konnten sowohl Möbelstücke als auch fantasievolle Bleiverglasungen, wie zum Beispiel Bowser, den Erzfeind von Super Mario und Bösewicht aus der Nintendo-Videospielreihe, und Joker aus den Batman-Comics bestaunen.

 
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