Tirschenreuth
10.05.2024 - 12:01 Uhr

Künstler Rüdiger Schulze kreiert skurrile Kunst mit Hilfe von Zahntechnik

65-jähriger Tirschenreuther entwickelte mit den Jahren einen eigenwilligen Stil als Künstler. Der ehemalige Zahntechniker orientierte sich dafür nach den Fußstapfen seines Künstlervaters Hans-Georg Schulze

Wenn Rüdiger Schulze im Zahntechnik-Labor sitzt, heißt das nicht zwangsläufig, das unter ihm auf dem Tisch passgenaue Zähne, perfekt sitzende Brücken oder Zahnprothesen entstehen. Mitunter nutzt er die feinmechanischen Geräte des Labors auch für sein liebstes Hobby: die Kunst.

Rüdiger Schulze, 65 Jahre alt, geboren in Tirschenreuth, Zahntechniker im Ruhestand und Sohn des verstorbenen, in Tirschenreuth gut bekannten Zahnarztes Hans-Georg Schulze, wurde das Streben nach Perfektion, egal ob für Zähne oder für die Kunst, in die Wiege gelegt. Ob er allerdings sein Talent als Ausnahmekünstler vom Vater geerbt hat, möchte er nicht direkt behaupten. „Wir haben beide Kunst gemacht in der Freizeit. Aber wir haben unsere eigenen Ideen und Stilrichtungen verfolgt“, sagt er.

Bunt, schrill und andersartig

Der Tirschenreuther bewundert die Bronzeskulpturen seines Vaters und meint, er könnte ihm nicht das Wasser reichen. Der 65-Jährige ist bescheiden. Sobald er seine Werke, die er in weiße Tücher eingeschlagen hat, vorsichtig hervorholt, kommt der Betrachter nicht mehr aus dem Staunen heraus. Die Werke sind akribisch angefertigt und dabei doch überaus kreativ. Rüdiger Schulzes Kunst ist schrill, bunt und andersartig.

"Ich hätte das nie machen können ohne die Gerätschaften aus dem Labor", erklärt er, wie bei ihm Beruf und Kunst in enger Symbiose zusammengehören. Auch als Rentner kann er das Zahntechnik-Labor nutzen für seine ideenreichen Momente. Das Handwerkszeug ist das eine, die Kopfsache das andere: Rüdiger Schulze macht keine gefällige Kunst im normalen Stil. Er widmet sich - wie sein Vater einst - dem Gießen von Metall und Bronze, manchmal mit Gold durchsetzt. Jedoch gehen die Ideen des Sohnes in eine total andere Richtung als die des Vaters. Rüdiger Schulzes Werken haftet eine skurril-moderne Frechheit an. Der 65-Jährige entwickelte eine ureigene Handschrift.

Knochen und Swarovskisteine

Ein Werk zeigt etwa eine Gruppe winziger Frösche, zart und filigran, tanzen auf einem Podest miteinander, einer spielt Gitarre. Die Figürchen sind derart feingliedrig, dass sie beim leisesten Windhauch zu zerbrechen scheinen. Der Künstler baut dafür im Vorfeld spezielle Formen. Hier komme ihm sein Berufsstand zugute, sagt er. Denn Akribie sei das höchste Gebot der Zahntechnik. In die Formen gießt er flüssiges Metall. "Die Formen sind danach kaputt, also nur einmal nutzbar", erklärt er. Weil die Formen nach dem Prozess zerstört sind, sind die Skulpturen einzigartige Originale. Reicht der übliche Formenbau nicht aus, verwendet der 65-Jährige den 3-D-Drucker. Zu den Nacharbeiten gehört dann das Schleifen und Verfeinern des Metalls, eventuell werden die Figuren mit Blattgold oder glitzernden Swarovskisteinchen verziert. So lässt der Tirschenreuther seine Kreationen lebendig werden. In Arbeiten wie einem mit Tausenden von Swarovskisteinen besetzten Totenkopf oder einer frei interpretierten Tierskulptur nach dem Dürer-Nashorn-Gemälde stecken jeweils ein paar Hundert Arbeitsstunden. Ein Straußenei dient ihm als Unterbau ebenso wie ein echter Tierschädel. Seine Werke fordern eine Engelsgeduld bei der Bearbeitung.

Kunst als Ausgleich zum Alltag

Müde davon wird der Künstler nie. Rüdiger Schulze verliert sich während des Schaffensprozesses in seiner Kreativität, wenn sie ihn erst einmal gepackt hat. Stundenlang arbeitet er an einer Skulptur oder einem Acrylbild, das nicht selten zu einer 3-D-Darstellung heranwächst. Feinarbeit gehört zu seiner Passion. Ruhige Hände und viel Geduld sind die Voraussetzungen. Rüdiger Schulze sieht sein Hobby als Ausgleich vom Alltag. "Jetzt als Rentner habe ich noch mehr Zeit", sagt er lachend. Nichts, was entsteht, sei geplant oder planbar, sagt er. "Ich mache mir höchstens ein paar Skizzen."

Die skurrilen Objekte entwickeln auf den Betrachter eine enorme Anziehungs- und Aussagekraft. Unweigerlich regen sie zum Nachdenken an: Was will der Künstler damit sagen? Schulze verneint. Seine Kunst sei weder politisch noch stecke eine Botschaft in ihr. "Ich mache, was mir spontan einfällt. Was es aussagt oder wie es wirkt, bleibt dem Betrachter überlassen." Deshalb gibt der 65-Jährige seinen Werken keine Namen.

Durchaus hätte der Kreisstädter mit seiner Kunst das Zeug zum Profi. Ohne Zögern sagt Rüdiger Schulze, dass dies nicht seine Ambition sei. Es gebe auf dieser Welt viel zu viele große Meister, dieser Konkurrenz habe er sich nie stellen wollen. Der 65-Jährige mache Kunst, um dem Alltag zu entfliehen, um Spaß daran zu haben.

Erste Einzelausstellung

Regelmäßig verblüfft er bei Gemeinschaftsausstellungen des Kunstvereins Tirschenreuth, wo er seit vielen Jahren Mitglied ist. Ab 15. Mai präsentiert er erstmals als Einzelaussteller einige seiner schönsten und ausgefallensten Objekte und Bilder in der Galerie "Asha" bei Künstlerin Desislava Dimitrova am Deschplatz. Als Kunst-Genuss soll es Dunkel-Szenen geben. Rüdiger Schulze verwendet mitunter für seine Skulpturen fluoreszierende Acrylfarben, die im Dunklen leuchten.

Bei der Vernissage erleben die Gäste Rüdiger Schulze auch als Musiker. Er wird auf seiner eigenen Vernissage als DJ mit Elektromusik unterhalten. Der Eintritt ist frei. Alle Interessierten sind ab 19 Uhr ebenso willkommen, wie geladene Gäste.

Hintergrund:

Zur Person Rüdiger Schulze

  • 65 Jahre
  • aus Tirschenreuth
  • ledig
  • Zahntechniker im Ruhestand
  • Der Künstler und Musiker sammelt als Hobby auch Street-Art-Werke
 
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