Zwei Treppenabsätze geht es hinab in die "Katakomben" der Stadtapotheke. Christian Züllich geht voran durch Lagerräume und Büros bis zum großen Fenster, das in den rückseitigen Garten zeigt. "Hier ist unser Labor", zeigt der Apotheker zur Tür eines schmalen Raums.
In der "Rezeptur" steht pharmazeutisch-technische Assistentin (PTA) Anna Probst. Die junge Frau, seit drei Jahren in der Stadtapotheke beschäftigt, stellt eine entzündungshemmende Salbe her. Sie trägt eine Atemschutzmaske mit Staubfilter und Handschuhe. Dies hier sei zwar kein Steril-Labor, erklärt Züllich. Ein solches hätten nicht alle Apotheken. "Aber jede Apotheke muss im Bezug auf Herstellungsräume und entsprechende Gerätschaften darauf eingerichtet sein, Standard-Arzneien nach Rezepturen der Ärzte zu fertigen."
Medikamente für Frühchen
In aller Ruhe mit Akribie und hochkonzentriert vermengt Anna Probst die Medizin mit dem Füllstoff. Christian Züllich spricht die große Verantwortung seines Teams an, vier PTAs und drei Apotheker arbeiten in diesem sensiblen Bereich. "16 Millionen Individualrezepturen werden jährlich in Deutschland in den Apotheken hergestellt", nennt er eine Zahl. Züllich ist mit gut 20 pro Woche an diesem Zahlenwerk beteiligt. Auch in Zeiten von Corona müssen die Kunden, die beispielsweise von Hautärzten kommen, ganz regulär mit Eigenanfertigungen beliefert werden.
Die Apotheke versorgt aktuell auch einen ehemaligen Drogenabhängigen und zwei Frühchen mit individuell angefertigten Medikamenten. Für die winzigen Babys, die oft Herzprobleme hätten, gebe es keine passenden Dosierungen im Handel, sagt er. Die Dosis muss den schwachen Körperchen exakt angepasst sein. "Wir füllen für sie sogenannte Pulverschiffchen oder Lösungen ab", so Züllich.
Betreut er eine drogenabhängige Person, ist die Verantwortung nicht weniger groß. Diese Patienten bekommen unter Anweisung eines Arztes Methadon in reiner Form als Drogenersatzstoff in der Apotheke. "Wir arbeiten mit eingedicktem Methadon auf ärztliche Verordnung. Da geht's ebenfalls in den Milliliter-Bereich", erklärt Züllich anhand eines Abfüllgerätes.
Abhängige bekommen täglich genau die jeweils verordnete Dosis in der Apotheke verabreicht. Sei über einen längeren Zeitraum hinweg Vertrauen aufgebaut, "dürfen die Patienten ihre Dosis übers Wochenende mit nach Hause bekommen".
Prüfen der Stoffe
Strenge Sicherheitsvorkehrungen, Schutzkleidung und die genaue Dokumentation der Herstellung schützen auch das Apothekerteam selbst. Die Reinsubstanzen dürfen nicht eingeatmet werden. Züllich erklärt den Prozess, der mit dem Prüfen der Stoffe auf ihre Identität beginnt. Zwar sei die Erstkontrolle beim Abfüllen in den pharmazeutischen Betrieben zwingend erforderlich, aber es könnte versehentlich in ein Tütchen eine falsche Substanz geraten.
Mit einer Plausibilitätsprüfung müsse anschließend nachgewiesen werden, dass sich die Stoffe vertragen. "Die Dokumentation dauert gut eine Dreiviertelstunde", betont Züllich. "Doppelt genäht, hält besser", heißt es beim Abwiegen, wobei zur Sicherheit immer zwei Personen anwesend sind.
Viele Apotheken sind auch im Rahmen der Altenheimversorgung engagiert. Dabei müssen die von den Ärzten verordneten Medikamente für Senioren im Pflegeheim vor der Auslieferung individuell in die Wochendispenser der Patienten einsortiert werden. Zum Thema "Engpässe bei Medikamenten" kann Züllich einigermaßen beruhigend abwinken. Lieferschwierigkeiten gebe es zwar, aber bisher konnten durch das Ausweichen auf gleichwertige Arzneimittel anderer Hersteller echte Versorgungsengpässe vermieden werden. Die ordnungsgemäße Versorgung mit Arzneimitteln in der Oberpfalz funktioniere dank der Apotheken vor Ort. Dies sei gerade in der aktuellen Krisensituation besonders wichtig.
Botendienste und die Auslieferung von Medikamenten erfolgen oft noch am selben Tag. Die Mitarbeiter in den Apotheken leisten dazu einen ganz entscheidenden Beitrag. Sie stehen dabei wie andere Heilberufe in vorderster Front. "Die individuelle Herstellung von Arzneien und Desinfektionsmitteln, die Altenheimversorgung oder die Substitution von Drogenabhängigen sind gute Beispiele für unverzichtbare Aufgaben, die der Online-Versandhandel nicht leisten kann ", betont der Pressesprecher der Apotheken im Landkreis Tirschenreuth. Dazu brauche es mehr denn je die Apotheken als Versorger vor Ort.
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