Tirschenreuth
09.04.2020 - 18:48 Uhr

"Aus Liebe zu einem jeden von uns"

In seiner Andacht zu Ostern spricht der Tirschenreuther Stadtpfarrer Georg Flierl über Geduld in der aktuellen Zeit und von kleinen Aufmerksamkeiten in unserem Alltag.

Der Tirschenreuther Stadtpfarrer Georg Flierl. Archivbild: tr
Der Tirschenreuther Stadtpfarrer Georg Flierl.

Da wegen der Coronakrise derzeit keine öffentlichen Gottesdienste stattfinden, sprechen evangelische und katholische Pfarrer über Oberpfalz-Medien zu den Gläubigen. Hier schreibt der Tirschenreuther Stadtpfarrer Georg Flierl:

Unser Bischof Rudolf beginnt seinen Ostergruß für 2020 mit den Worten: "Was bedeutet Ostern in diesen Krisenzeiten? Es bedeutet, dass wir gerettet sind. Es bedeutet, dass wir, festgemacht in Jesus Christus, uns darauf verlassen können, dass unser Leben einen Sinn hat, dass wir das Ziel des Lebens erreichen werden und dass wir von Gott vollendet werden." Damit ist die Einladung ausgesprochen, auf das Ziel zu blicken, auf jenes Ziel, das uns Jesus nicht nur zeigt, sondern zu dem er für uns den Zugang möglich gemacht hat.

Er geht in der Auferstehung und Himmelfahrt "hinauf zu seinem Vater und zu unserem Vater" (Joh.-Ev. 20,17). Gott-sei-Dank können wir auf dieses Ziel blicken. Ostern lädt uns ein, das ganz intensiv zu tun und in diesem Jahr im Zeichen der Coronakrise erst recht.

Gebot der Nächstenliebe

Ich nehme es natürlich in so manchen Momenten wahr, wie belastend vieles geworden ist: Vom medizinischen und pflegerischen Personal in den Krankenhäusern, Arztpraxen und Altenheimen angefangen, bei denen, die daheim in der Pflegeverantwortung stehen, weiter bei den Großeltern, die es oft unglaublich schmerzt, keinen direkten Kontakt zu den Enkelkindern haben zu können - und umgekehrt dürfte es oft genauso sein. Und für uns in den Pfarrgemeinden nicht zuletzt der Verzicht, der uns auferlegt ist, weil die Gottesdienste derzeit nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden können - die Familie eines "meiner" Ministranten hat es mir in einem Brief geschrieben, wie sehr der Sohn diesen Dienst vermisst.

Kleine Signale im Alltag

Wir wissen alle nicht, wie lange der jetzige Zustand anhalten wird. Ich meine, wir werden alle noch sehr viel Geduld aufbringen müssen. Unser Bischof hat wiederholt darauf hingewiesen, dass es in der jetzigen Krise ein Gebot der Nächstenliebe darstellt, die gebotene Distanz zu wahren, diesen Verzicht auf die normalerweise selbstverständlichsten sozialen Kontakte auf uns zu nehmen, um sich und andere zu schützen. Dazu gehört für mich auch die Überlegung, allen im Gesundheitssystem Tätigen nicht unnötig oder leichtfertig noch mehr an Belastung aufzubürden als ohnehin unvermeidbar ist.

Jesus hat als Auferstandener die Wundmale in die Verklärung, in die Verherrlichung beim himmlischen Vater mitgenommen. Sie sind so etwas wie die Besiegelung jener unauslotbaren Liebe, die ihn zur Hingabe seines Lebens am Kreuz geführt hat - aus Liebe zu einem jeden von uns. "Gott hat uns zuerst geliebt" (1 Joh. 4,19). Die Lebenshingabe Jesu am Kreuz ist darauf das Siegel. Unsere Antwort als gläubige Christen auf diese vorausgehende Liebe unseres Gottes soll lauten - und die jetzige Situation fordert uns noch mehr dazu heraus - dass wir uns entschlossen darum mühen, einander die gleiche Liebe zu erweisen. Zumeist werden das sehr kleine und bescheidene Signale im alltäglichen Umgang miteinander sein.

Wo sind die kleinen oder auch größeren Aufmerksamkeiten, die wir einander erweisen können? Wen sollte ich zumindest einmal anrufen? Für wen kann ich eine Besorgung übernehmen? Wo sollte ich vielleicht endlich den alten Groll begraben? Für wen sollte ich beten? Mit wem könnte ich beten, zusammen in der Familie? Wem kann ich helfen, so manche Angst zu überwinden, sie zumindest auszusprechen?

Nähe des Erlösers verspüren

Jesus hat vor seinem Leiden, bei seinen Abschiedsworten im Abendmahlssaal, den Seinen versprochen, dass er uns "nicht als Waisen zurücklässt" (Joh.-Ev. 14,18). Er bleibt uns nahe alle Tage bis ans Ende der Zeiten. In seinem Heiligen Geist schenkt er uns den Tröster und Beistand in allen Ängsten und Bedrängnissen. Um diesen Trost und Beistand können und dürfen wir in jedem Augenblick neu bitten. Beschenkt mit diesem Trost und Beistand können wir für andere - gerade in diesen Zeiten - zum Trost und Beistand werden.

Jesus ist uns vorausgegangen in seiner Lebenshingabe und in seinem Ostersieg. Wir sind eingeladen, in seine Fußspuren zu treten. Der gekreuzigte Auferstandene geht mit uns, er bleibt an unserer Seite. Mögen wir alle an diesem Osterfest 2020 die Nähe des auferstandenen Erlösers verspüren dürfen.

 
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