Manfred Grüssner und Marianne Stangl kennen den Text der Tirschenreuther Passion in- und auswendig. Die Neufassung, die Autor Johannes Reitmeier geschrieben hat, ist in vielen Teilen anders. Für die Übersetzer stellt das aber kein Problem dar. Reitmeier liefert die Rohfassungen in seiner eigenen Mundart, in Niederbayerisch. Allerdings habe er bereits viel dazugelernt, was die Oberpfälzer Terminologie betreffe, sagen die beiden Übersetzer. "Im Vergleich zum letzten Tirschenreuther Jedermann hat er mächtig zugelegt. Ich würde ihm eine Zwei plus für sein Oberpfälzisch geben", lobt Grüssner. "Das erleichtert die Arbeit ungemein."
Entsprechungen finden
Das Schwierigste an der Sache sei, dass speziell bei den Arias (Sprechgesänge) oft nicht so einfach eine oberpfälzische Entsprechung zu finden sei, speziell was Reime betreffe. "Aber bisher sind wir immer fündig geworden", erklären die beiden. Die Passion 2015 enthielt insgesamt 30 Arias (mundartlich gesprochene, sich reimende Soli, Duette, Terzette und Ensembles). "Für die neue Passion haben wir bisher lediglich 10 Arias bekommen, die wir übersetzt und zurückgeschickt haben", erklären Stangl und Grüssner. Beide Übersetzer arbeiten erst einmal alleine zu Hause am gleichen Text. Dann kommt die gemeinsame Feinarbeit, normalerweise im Büro von Manfred Grüssner. "Aber das letzte Wort hat stets die Marianne", sagt er. Das liege daran, weil sie Tirschenreutherin sei und er aus der Weidener Gegend komme. Denn es gebe durchaus Begriffe, die sich im Dialekt deutlich unterscheiden.
Passion wird dicker
Die Passion 2015 hatte einen Umfang von 64 Seiten. "Sollte die Passion mindestens genau so dick werden - wahrscheinlich wird sie dicker - dann fehlen uns noch 46 Seiten Text. Das muss aber nicht alles übersetzt werden, weil ja in der Passion die Erzähler hochdeutsch sprechen werden, was eine große Erleichterung für auswärtige Zuschauer sein wird."
Die Übersetzer hoffen, dass Reitmeier die restlichen Texte bis spätestens Anfang September liefert, damit die Akteure noch genügend Zeit zum Lernen haben. Inzwischen beschäftigen sie sich mit den inhaltlichen Änderungen der neuen Passion im Vergleich zur bisherigen. Sie lesen sich vollkommen in die Thematik ein.
Wie wir bereits mehrfach berichteten, ist die Figur des Judas komplett neu angelegt und es gibt neue Frauenrollen, die etwas zu sagen haben. Um das zu begreifen, hat Johannes Reitmeier Fachliteratur empfohlen. Deshalb haben sich die Übersetzer selbst in "Judas der Komplize", "Die verbotenen Evangelien" oder "Was die Bibel verschweigt" eingelesen. In großen Teilen sei die Passion schon deutlich eine andere, stellen Grüssner und Stangl fest.
Interessante Diskussionen
Gerne diskutiert Marianne Stangl über die Tirschenreuther Passion mit ihrer Tochter Doris und ihrer Schwester Inge Völkl, die beide als Theologinnen an verschiedenen Schulen arbeiten. "Das gibt immer interessante Diskussionen", sagt sie.
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