Tirschenreuth
18.12.2019 - 09:24 Uhr

Mehr als nur der Bösewicht

Bernhard Neumann hat in der "Europassion Tirschenreuth 2020" eine wichtige Rolle übernommen. Die Figur des Judas soll in der aktuellen Inszenierung einen anderen Stellenwert bekommen.

Bernhard Neumann ist hochmotiviert in seiner Rolle als Judas. Er möchte seinem Part der Europassion nicht nur spielen, sondern damit auch eine Aussage ans Publikum richten. Bild: ubb
Bernhard Neumann ist hochmotiviert in seiner Rolle als Judas. Er möchte seinem Part der Europassion nicht nur spielen, sondern damit auch eine Aussage ans Publikum richten.

An sich ist die Rolle des Judas nichts Neues. Dennoch wird sie Neumann als Darsteller erstmals anders als seine Vorgänger interpretieren. Wir haben den Bühnenbauer, Schauspieler und Regisseur im Interview über seine Rolle befragt.

ONETZ: Sie sind Bühnenbauer, was zwangsläufig eine enge Verbindung zum Bühnenspiel schafft. Oder hat Sie die Bühne schon immer gefesselt?

Bernhard Neumann: Das begann früher. 1993 stand ich in der Theatergruppe „Shalom-Amitié“ in Wiesau zum ersten Mal zitternd auf der Bühne. Als das Spiel begann, war ich in meinem Element. Und das ist bis heute so. Durch mein Engagement beim Landestheater Oberpfalz (LTO) kam 2016 ein Kontakt zum Theater in Regensburg zustande. Als sich die Möglichkeit bot, dort als stellvertretender Werkstättenleiter zu arbeiten, habe ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt.

ONETZ: An welchen Theaterbühnen sind Sie daheim, und wie schaffen Sie es, Beruf und Hobby zu verbinden?

Beruflich bin ich wie gesagt in Regensburg angestellt, in meiner Freizeit spiele ich beim Landestheater Oberpfalz, in der Theatergruppe Shalom-Amitié in Wiesau, beim Modernen Theater Tirschenreuth und beim OVIGO-Theater. Um das unter einen Hut zu bekommen, ist eine gute Mischung aus Verrücktheit, Enthusiasmus, gutem Zeitmanagement, einem nachsichtigen Umfeld und der (leider negativen) Angewohnheit, Schlafmangel mit Schokoriegeln zu kompensieren, notwendig.

ONETZ: Was fasziniert Sie am Theater?

In die Gedanken und Emotionen einer anderen Person zu schlüpfen.

ONETZ: Wie war Ihre Reaktion, als Ihnen die Rolle des Judas für die Europassion 2020 angeboten wurde?

Ein Luftsprung - und "YES!"

ONETZ: Was waren Ihre Beweggründe zuzusagen?

Mich hat das Besondere und die Vielschichtigkeit des Judas gereizt.

ONETZ: Sind Sie ein gläubiger Mensch?

Hinter den Werten, die einem durch die Bibel vermittelt werden, stehe ich voll und ganz und kann mich daran orientieren. Der Amtskirche stehe ich durchaus kritisch gegenüber.

ONETZ: Was für ein Mensch war Jesus Ihrer Meinung nach?

Mitreißend, geradlinig, ehrlich, lustig, gesellig, zuhörend, mutig... Einer mit Werten und einer wahren Botschaft, der zu seinem Wort stand. Ein Vorbild.

ONETZ: Judas ist das Gegenteil von Jesus. Wie sehen Sie ihn?

Ist Judas wirklich das Gegenteil? Ich glaube, dass er andere Gründe dafür hatte, Jesus zu verraten. Die Neuinszenierung der Tirschenreuther Passion, denke ich, gibt auf die Frage „Wer war Judas?“ eine Antwort.

ONETZ: Wie bereiten Sie sich auf die Rolle vor?

Ich lese geschichtliche Hintergründe, das Buch „Judas, der Komplize“ und versuche, die damalige Zeit zu verstehen und warum die Menschen Jesus gefolgt sind.

ONETZ: Während alle gut sind oder sich für Jesus' Tod nicht schuldig fühlen, sind Sie der Bösewicht. Wie gehen Sie damit um, nicht vom Publikum geliebt zu werden?

Mir geht es darum, zu zeigen, dass Judas mehr ist als der Bösewicht. Dass er ein Mensch ist, der angetrieben wird von der Idee, dass Israel von den Römern befreit wird und der in Jesus seinen Anführer sieht.

ONETZ: Denken Sie, dass Judas Ihr Leben emotional verändern oder prägen kann?

Es ist immer so, dass der Rollencharakter und ich als Bernhard eine emotionale Bindung eingehen. Die Emotionen für die Rolle muss ich aus mir herausholen. Beginnt man, in seiner Gefühlswelt zu graben, kann es passieren, dass irgendetwas hochgespült oder eine Reaktion hervorgerufen wird.

ONETZ: Judas hat aus Schuldgefühlen Suizid begangen. Wie macht das ein Schauspieler, sich in eine derart kaputte Psyche hineinzuversetzen, ohne eigenen Schaden davonzutragen? Das muss unglaublich schwer sein.

Es gab immer wieder Zeiten, in denen ich mich mit dem Thema auseinandergesetzt habe. Was mich berührt, ist, wie aus Schuld, Ängsten, Verzweiflung oder Krankheit dieses innere „Muss“ entsteht. Man muss natürlich erkennen, dass man sich innerlich von der Rolle abgrenzen muss.

ONETZ: Jetzt ist Weihnachten, Jesus wird erst geboren. Was bedeutet Weihnachten für Sie?

Weihnachten ist ein Stück wiederkehrende Kindheitserinnerung. Deshalb finde ich es herrlich, die Traditionen mit allem Kitsch und weihnachtlicher Romantik zu leben. Ich werde Weihnachten im Kreis von lieben Menschen verbringen.

Kurz und prägnant:

Bernhard Neumann

Alter: 42

Werdegang: Geburt – Abi – Schreinermeister

Berufsstand: Stellvertretender Werkstättenleiter am Theater

Familienstand: Verliebt

Wohnort: Erbendorf

Arbeitsplatz: Theater Regensburg

Hobbys: Theater, Theater, Theater

Bisherige Lieblingsrolle: Kjell Bjarne im Stück "Elling"

Welche Figur würdest du nie spielen wollen? Mich selbst

Welche Figur willst du unbedingt spielen? Einen Drogenabhängigen

Lieblingsmusik: Von Beethoven bis ZZ Top

Lieblingsbuch: Alle Bücher von Jostein Gaarder

Lieblingsessen: Schnitzel

Lebensmotto: "Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, hat das Leben verstanden"

 
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