"Vater unser im Himmel, unser tägliches Brot gib uns heute ...": Das wohl am häufigsten verwendete Gebet der Christen beinhaltet eine Botschaft, die in der westlichen Welt kaum hinterfragt wird. "Unser tägliches Brot" steht im Überfluss auf unseren Tischen. Warum das so ist und welche große Verantwortung gerade dieser Luxus mit sich bringt, hat viel mit "Ethik in der Wirtschaft" zu tun.
Georg Flierl, Regionaldekan und Stadtpfarrer in Tirschenreuth, ist bei zahlreichen Geschäfts- und Betriebseröffnungen dabei. Als Pfarrer wird er gebeten, den Segen Gottes für das neue Gebäude, die neue Idee und die Menschen, die dafür arbeiten, zu erbitten. "Das Anliegen vieler Unternehmer, mit Gottes Segen zu starten, freut ihn", erklärt Flierl im Gespräch mit den Oberpfalz-Medien. Der Segen Gottes hätte nicht nur in einer katholisch geprägten Gegend wie der Oberpfalz auch mit der Verantwortung eines Unternehmers im Blick auf seine Mitarbeiter zu tun. Dass man den Oberpfälzern unternehmerisch viel zutrauen könne, zeige die erfreuliche Entwicklung nach dem Wegbrechen der Porzellan- und Glasindustrie, erinnert sich Flierl an eine wirtschaftlich nicht gute Zeit. Neue Sparten seien nachgewachsen. Das Engagement der Unternehmer zeuge von einem mutigen und innovativen Geist. "Dem kann ich nur meinen Respekt aussprechen", sagt Flierl und fügt an. "Mit großem Staunen habe ich in den vergangenen Jahrzehnten zur Kenntnis genommen, welch großes Potenzial in den Oberpfälzern steckt."
Unternehmerische Verantwortung
Der Regionaldekan ist seit 19 Jahren Stadtpfarrer von Tirschenreuth. Von 1984 bis 1987 war er hier Kaplan, danach in Sulzbach-Rosenberg in der Pfarrei Herz-Jesu, in der sich auch die Maxhütte befand. Die Auseinandersetzungen zwischen Betriebsleitung und Gewerkschaft beziehungsweise Betriebsrat kurz vor Schließung der Maxhütte hat er "als extrem hart in Erinnerung". Das ging damals in seinen Augen massiv auf das Konto einer "extrem frühkapitalistischen Einstellung" aufseiten der Betriebsleitung. Ehrliche unternehmerische Verantwortung und deren Wahrnehmung sehe anders aus, als das, was er damals dort erlebt habe. Natürlich müsse ein Unternehmen auf Dauer profitabel arbeiten. Es gehöre aber zur unternehmerischen Verantwortung, bei der Herstellung von Produkten auch die langfristigen Auswirkungen im Auge zu haben, unter anderem die Folgekosten für Recycling. Hier spricht Flierl die Atommülllagerung sowie das nun vieldiskutierte Mikro-Plastik als Beispiele an. Ziel eines unternehmerischen Handelns dürfe nicht die Gewinnmaximierung um jeden Preis sein. Als völlig unverantwortlich bezeichnet Flierl den Müllexport, etwa von Elektroschrott nach Asien oder Afrika. Die Folgekosten einer umweltverträglichen Entsorgung müssten mit eingepreist werden.
Erde nicht überfordern
"Wir leben auf unserer Erde in einem begrenzten Gesamtsystem, mit begrenzten Ressourcen an Luft, Wasser, Boden, Bodenschätzen und anderem." Verantwortungsvolles wirtschaftliches Denken und Handeln müsse diese Begrenztheit und Endlichkeit miteinbeziehen. Flierl: "Es kann nicht das Ziel bleiben, ausschließlich immer noch mehr und mehr an Konsum zu ermöglichen für die wohlhabenden Länder." Vielmehr müsse Ziel sein, allen Menschen der Erde ein weitgehend auskömmliches Leben zu ermöglichen, ohne dabei die Erde zu überfordern. "Auch im Blick auf zukünftige Generationen", sagt Flierl. Da stellten sich Fragen an den Lebensstil eines jeden einzelnen: Wovon darf ich wie viel für mich beanspruchen?
Bodenständige Oberpfälzer
Eine ganz wichtige Frage ist für Georg Flierl die nach dem "gerechten Lohn": Welche Arbeit ist wie viel wert? Wie viel darf der Unternehmer beanspruchen, wie viel der Arbeitnehmer? Warum wird in unterschiedlichen Branchen so unterschiedlich entlohnt? Der Regionaldekan begrüßt es, dass sich bei Gesundheitsvorsorge am Arbeitsplatz und in puncto Arbeitssicherheit bei der Unfallvorbeugung vieles verbessert habe. Zur Frage, ob die häufig zitierte "heile Welt auf dem Land" existiere, meint er: "Ein wenig beschaulicher geht es vielleicht schon zu" - und nennt als Vorzüge das Grün der Natur und die relativ dünne Besiedelung. Flierl freut sich über die Bodenständigkeit der Oberpfälzer und darüber, dass junge Leute in der Heimat gern wieder nach beruflichen Perspektiven suchen würden.
Gefahr der Altersarmut
Zum Lebensabschnitt Ruhestand nimmt der Pfarrer die Politik mit in die Pflicht. In der Rentenpolitik erkennt er "ein großes und schweres Aufgabenfeld". Nach seiner Kenntnis sei die Durchschnittsrente in Österreich bei fast vergleichbaren Beitragssätzen fast doppelt so hoch. Da müsse Vieles auf den Prüfstand und die Politik müsse "bei uns kräftig nachjustieren, im Sinne von gerecht oder zumindest gerechter machen." Auf die Gefahr der Altersarmut müsse reagiert werden.
"Wir müssen heute lokal, regional und global denken und zugleich über die Generationen hinaus", zieht Flierl ein Fazit. Wenn in Textilbetrieben in Bangladesch nach unseren Begriffen Hungerlöhne bezahlt würden und bei Bränden Tausende von Arbeiterinnen ums Leben kämen, dann müssten die Auftraggeber aus Deutschland reagieren und sich ihrer Verantwortung stellen. Flierl: "Die Wirtschaft ist für den Menschen da, nicht der Mensch für die Wirtschaft!" Viele unserer regionalen Unternehmer seien sich Gott sei Dank ihrer Verantwortung bewusst. "Ich wünsche mir sehr, dass das so bleibt."













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