Tirschenreuth
20.07.2018 - 10:17 Uhr

Nur einer nimmt Wind unter die Flügel

UF9 hieß einer von zwei jungen Fischadlern, die 2012 in einem Naturhorst bei Muckenthal flügge geworden sind. Die erste wissentlich erfolgreiche Brut im Landkreis.

Per Wildkameras wurden heuer erstmals sechs Adlerhorste im Landkreis Tirschenreuth überwacht. Es sind etwa 30 000 Fotos entstanden, die der Falkenberger Förster Matthias Gibhardt auswertet. 	Bild: tr exb
Per Wildkameras wurden heuer erstmals sechs Adlerhorste im Landkreis Tirschenreuth überwacht. Es sind etwa 30 000 Fotos entstanden, die der Falkenberger Förster Matthias Gibhardt auswertet. Bild: tr

(tr) UF9 hatte ein entzündetes Auge, das Dr. Daniel Schmidt-Rothmund, Leiter des Nabu-Vogelschutzzentrums Mössingen, mit einer Creme versorgte. Damals hatte er Bedenken und war sich nicht sicher, ob die Verletzung ausheilt und der Vogel durchkommt. "Er kam durch, ist jetzt stolzer Vater und hat seine Jungen im Horst am Eschenbacher Rußweiher großgezogen und von der Verletzung ist nichts mehr zu sehen", strahlt der Wissenschaftler bei der diesjährigen Beringungsaktion in Muckenthal.

Ein Fischadler kam durch

Das ist die gute Nachricht. Eine schlechte ist, dass in dieser Saison im Landkreis nur ein Fischadler flügge geworden ist, obwohl die bekannten Brutpaare fleißig Eier gelegt haben und auch viele Küken geschlüpft waren. In Horst 1 brüteten die Adlereltern drei Eier aus. Von den Jungvögeln wurde keiner groß.

Der Betreuer auf Landkreisebene, der Falkenberger Revierleiter des Forstbetriebs Waldsassen, Matthias Gibhardt glaubt, dass dafür natürliche Feinde wie Uhu oder Baummarder verantwortlich sind. Auch der Habicht könnte den kleinen Fischadlern gefährlich werden. "Der kommt aber als Täter nicht in Betracht, weil die Tiere während der Nacht verschwunden sind." Das weiß der Förster deshalb, weil er einen Kamerabeweis hat. "Um 20 Uhr am Abend waren sie noch im Nest, um sechs Uhr in der Früh waren sie weg". Zum ersten Mal hat Gibhardt in Zusammenarbeit mit Schmidt-Rothmund und der Höheren Naturschutzbehörde Wildkameras an sechs Horsten installiert, um Aufschluss über das Leben in den Kinderstuben der Adler zu bekommen. Täglich erhält er Punkt 12 Uhr mittags von jeder Kamera per E-Mail ein Bild geschickt, so dass er stets informiert ist, was da oben in schwindelnden Höhen vor sich geht. Jede weitere Stunde speichern die Kameras je ein Bild auf einer SD-Karte. Die Ausbeute bis Saisonende, etwa 30 000 Bilder, die der Förster mit seinem Praktikanten im Winter auswertet.

In Fischadlernest 2 legte das Weibchen drei Eier. Ein Jungvogel ist geschlüpft und war nach drei Tagen verschwunden. In Nest 3 kam es gar nicht zu Nachwuchs. Kurz vor der Brut kehrte das Männchen des Adlerpaares nicht mehr zurück. In Nest Nummer 4 passierte in dieser Saison überhaupt nichts. In Nest 5 legte die Adlerdame drei Eier. Ein Jungvogel schlüpfte, der einzige, der in diesem Jahr durchgekommen ist. In Nest Nummer 6 schlüpften drei Jungvögel, die alle verschwunden sind. Zudem wurden an verschiedenen Stellen mehrere Einzelvögel, die offensichtlich keinen Partner hatten, gesichtet.

Bussarde im Nest

Besser sieht es bei den Seeadlern aus. In den zwei bekannten Nestern im Landkreis haben die Elterntiere je zwei Jungvögel großgezogen. In einem sind sie bereits ausgeflogen, im anderen stehen sie kurz davor. Beim Beringen der Jungvögel in einem Nest staunte Matthias Gibhardt nicht schlecht als er neben den eigentlichen Kindern der Seeadler noch zwei kleinere, fast flügge Greife, entdeckte - zwei Mäusebussarde. "Kuckucke", erklärte ihm Experte Schmidt-Rothmund am Telefon. Ein Phänomen, das der Biologe schon öfters beobachtet hat. Es komme häufiger vor, dass Seeadler junge Bussardhorste ausnehmen und die Jungen an den eigenen Nachwuchs verfüttern. Manche gelangten dabei unversehrt ins Adlernest. Und dort greife der Instinkt der Elterntiere:

"Im Nest hat alles seinen Schutz". So komme es vor, dass sie die als Beute gedachten viel kleineren Vögel kurzerhand "adoptieren" und mit großziehen. So werden die als Snack gedachten kleineren Verwandten zu Geschwistern. Die Fürsorge hält aber nicht lange. Sobald die artfremden Bussarde flügge sind und das Nest verlassen, sind sie wieder potenzielle Beute, denn alles was außerhalb des Nestes ist und die richtige Größe hat, hat schlechte Karten. "Wie es in diesem Fall ausgegangen ist, weiß niemand", sagt Gibhardt. "Sie können beide durchgekommen sein und können genauso gut beide gefressen worden sein." Auch Nilgänse und einen Baumfalken, die auf Stippvisite vorbeikamen, haben die Horstkameras festgehalten.

Seeadler seit 2015

Das erste Seeadlernest ist im Landkreis seit 2015 bekannt. "Wir haben sicher noch mehr Seeadler, wissen aber nicht genau wo", so die Einschätzung der Experten. "Die Großvögel haben sich im Landkreis etabliert und die Bestände nehmen auch bayernweit zu", sagt Gibhardt. Bis Ende September bleiben die Kameras noch oben, um zu sehen, wer hier alles unterwegs ist. Die Fotoaktion ist in ein Forschungsprojekt zwischen Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Bayerische Staatsforsten und Höhere Naturschutzbehörde integriert.

Erstaunliche Ergebnisse

Ziel sei es mehr Daten zu bekommen, denn aus nächster Nähe lassen sich die Ringe perfekt ablesen, und weniger durch Kontrollgänge zu stören. "Jedes Nähern zum Nest, auch auf Fernrohrentfernung bekommen die Adler mit. Die Kameras helfen ungemein, dass Bruten durch Störungen nicht aufgegeben werden." Bei der ersten Sichtung der Bilder spricht Gibhardt von "erstaunlichen Ergebnissen. Das Forschungsprojekt läuft noch bis Ende 2019. "Wir wollen aber eine Verlängerung beantragen, das Ganze möglicherweise ausweiten und modifizieren.

 
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